Zwei rote Zöpfe überdachen die einfarbige Kulisse. Dahinter verbirgt sich eine Villa und die ist gar nicht einfarbig, die ist kunterbunt. Was sich zunächst so simpel und karg auf der Bühne des Meininger Staatstheaters darstellt, verwandelt sich zugleich in opulentes Ausstattungstheater.
Die Uraufführung von Pippi Langstrumpf in der Inszenierung von Sabine Wake wird zum umjubelten Ballettabend. Kein Wunder, die Meininger fahren auf, was ihre Bühnentechnik so hergibt. Da verwandelt sich der knappe Raum von der witzigen Villa Kunterbunt in ein Südseeparadies und wieder zurück, da steht Weihnachten vor der Tür und Pippi Langstrumpfs Häuschen wird Teil des Weihnachtsmarktes.
Alle drei Pippi-Bücher von Astrid Lindgren verarbeitet Sabine Wake in ihrer Inszenierung, pickt sich genau die Szenen heraus, die jedes Kind kennt. Schließlich sollen die jungen Leute gerade in der Vorweihnachtszeit mit der Pippi Langstrumpf ihren Spaß haben. Der sei ihnen versprochen, denn die furiosen anderthalb Stunden bleiben im Gedächtnis, garantiert. Die Musik vom Band, meist Auszüge aus klassischen Werken, mal dahin gleitend in Richtung Musical. Die gespannte Erwartung des Publikums brechen die kleinsten Tänzerinnen aus der Ballettschule gleich zu Beginn mit einem liebreizenden Bonbontanz. Kostüme wie aus dem Bilderbuch.
Und in der Villa Kunterbunt ist es das alte Lied: Pippi (Monica Fotescu) macht was ihr gefällt und denkt nicht daran sich dem Diktat der Lehrerin (herrlich schräg: Christoph-Emanuel Zimmlinghaus) und des Polizisten (Daniel Schmädicke) zu beugen. In der spielerische Revolte gegen die Erwachsenen mischen der irrwitzige Affe Herr Nilsson (Alexandru Fotescu) und der brave Schimmel "Kleiner Onkel" (Stephan Renelt) nur allzu gerne mit.
Stephan Renelt, dick aufgepolstert zum prächtigen Schimmel mal im gestreckten Galopp, mal in feinem Trab über die Bühne. Sehenswert. Athletisch tollkühn die Aktionen von Alexandru Fotescu in schöner Maskerade.
Monica Fotescu als Pippi schafft die Gratwanderung, als Erwachsene ein Kind nicht nur zu spielen, sondern zu tanzen. Die Identifikation mit der Rolle funktioniert, die "echte" Pippi steht auf der Bühne. Eine Ausnahmeleistung.
Sympathisch der Einfall, Pippis beste Freunde Annika und Thomas aus dem Publikum auszuwählen. Die beiden werden kaum in die Handlung mit einbezogen, bleiben Zuschauer vom sicheren Sofa aus. In riesige T-Shirts gehüllt, verwöhnen Herr Nilsson und der Kleine Onkel die beiden wo es nur geht. Das ist clever gemacht, schließlich sind Annika und Thomas auch in den Büchern meist nur staunende Beobachter. Nur Pippis tanzender Traum einer Wolkenprinzessin (Sanae Moriya) ist klassisches Ballett. Sonst überwiegt der spielerische, der komödiantische Tanz.
Farbenprächtige Kulissen bei der schwungvollen Befreiung von Pippis Vater (Gerd Barth) aus dem Piratengefängnis in der Südsee. Nach dieser Szene überwiegen die Showelemente, Pippi wird immer mehr zur Zuschauerin, die Weihnachtszeit ist nah: Szenenapplaus für den Apfel (Muged Mohammed) dessen Arm zum sich windenden, übelschmeckenden Wurm wird, der letztlich rausgeschmissen wird. Einzig der CD-Mann (Laurentiu Barath) gegen Ende wirkt ein wenig fehl am Platze. Die Beats zwar durchaus aktuell, die wenig überzeugende Breakdance-Einlage allerdings megaout. Die Inszenierung gerät ansonsten dicht, keine Sekunde ist das flotte Treiben auf der Bühne langatmig. Den Kindern im Publikum steht der Mund offen, viele sind bei der Premiere mit Pippi-Zöpfen dabei. Finale furioso am Ende, bevor die Tänzerinnen und Tänzer mit begeistertem Beifall überschüttet werden.