Dass in dem schmucken Fachwerkhaus von Heike und Michael Bach in der Wirtsgasse ein großer Raum im ersten Stock ist, das sahen die Bewohner des Hauses jeden Tag. Aber sie wussten lange Zeit nicht, dass es sich dabei um etwas ganz Besonderes handelt. Erst die Restaurierung der Fachwerkfassade brachte die Überraschung im Innern des Denkmals zu Tage: Der etwa 75 Quadratmeter große Festsaal ist rundherum mit dicken Holzbrettern ausgestaltet. Eine Bohlenstube nennt das der Fachmann, beziehungsweise die Fachfrau. Denn Dr. Annette Faber, Oberkonservatorin am Landesamt für Denkmalpflege war sofort hellauf begeistert von den enormen Ausmaßen der Bohlenstube.
Bis 1976 wurde in dem großen Raum regelmäßig zum Tanz aufgespielt. Zu der Zeit war freilich nichts mehr zu sehen von der hölzernen Pracht. Die war verschwunden hinter Ausbauplatten und viel Putz, Tapeten und ähnlichen Wandverkleidungen. Umso größer die Überraschung, als nach Entfernung der unschönen Verkleidungen die Holzbohlen sichtbar wurden.
Normalerweise sind solche mit edlen Brettern an Wänden und Decken ausstaffierten Räume recht klein. Gebaut wurden Bohlenstuben, um hinter die Holzverkleidung die Wärme eines Ofens zu leiten, eine Urversion der Wandheizung also. Doch was hier bei näherem Hinschauen zu Tage trat, grenzt an eine kleine Sensation: Es handelt sich um eine Bohlenstube riesigen Ausmaßes, wie sie zumindest im Grabfeld, wenn nicht in ganz Unterfranken ihresgleichen sucht. Dr. Annette Faber geht sogar noch weiter und vermutet, die Bohlenstube sei eine der größten ihrer Art überhaupt. Wenigstens ist in der Literatur eine Stube dieser Größe bislang nicht erwähnt worden.
Ein kleines Graffiti an einer der Holzwände weist auf das Jahr 1615 hin, doch die dendrochronologische Untersuchung durch die Universität Bamberg belegt ein anderes Baualter. Das gesamte Haus mit der Bohlenstube ist einheitlich im Jahre 1566 entstanden, einer Zeit, in der die Henneberger noch in Hendungen herrschten. Durch die Nähe zum damaligen Rathaus vermutet Dr. Annette Faber, dass es sich bei diesem Zimmer um die einstige Amtsstube der Henneberger handelt. Im Jahre 1585 fiel Hendungen an das Bistum Würzburg. Welche Funktion die Amtsstube in den folgenden Jahrzehnten hatte ist noch nicht geklärt.
Nach der Wiederentdeckung der Wandverkleidungen 1999 machte sich Michael Bach sofort ans Werk. Der Hausherr legte zunächst das ganze Holz frei und schliff es ab. Eine Wahnsinnsarbeit bei einem Zimmer dieser Größe. Fehlende Holzteile wurden ergänzt, und die Stube wieder in dunklem braun lasiert. Schreinermeister Gundram Bach aus Hendungen baute millimetergenau Kastenfenster ein, die in einem gedeckten Weißton gehalten sind. Eine dezente Beleuchtung ist schon installiert, die den Raum richtig zur Geltung bringt.
Das ganze kostet natürlich viel Geld. Unterstützung erhält die Familie Bach durch das Landesamt für Denkmalpflege und den Bezirk Unterfranken und den Landkreis. Bezirksheimatpfleger Dr. Klaus Reder hat bei einer Denkmalfahrt zusammen mit Dr. Annette Faber und Kreisheimatpfleger Stefan Kritzer und Kreisbaumeister Herbert Bötsch auch in der Hendunger Bohlenstube Halt gemacht und sich von diesem außergewöhnlichen Zimmer beeindruckt gezeigt.
Im Sommer wollen Heike und Michael Bach mit der Restaurierung der Bohlenstube fertig sein. In den kommenden Wochen wird die Heizung montiert, eine umlaufende Sitzbank wieder angebracht, wie sie früher in öffentliche Räume dieser Art gehörte, und es werden Tische und Stühle für die Gäste aufgestellt. Dann kann bei Bewirtung durch die Metzgerei der Familie Bach in der Bohlenstube wieder eifrig gefeiert werden.