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HENDUNGEN/RAPPERSHAUSEN: Elf tote Greifvögel mit Giftködern im Kropf

HENDUNGEN/RAPPERSHAUSEN

Elf tote Greifvögel mit Giftködern im Kropf

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    „Das ist wirklich ein erschütternder Anblick gewesen.“ Michael Krämer, Fachreferent für Naturschutz am Landratsamt Bad Neustadt, ist immer noch geschockt. Die Kadaver von elf Greifvögeln lagen verstreut am Waldrand zwischen Hendungen und Rappershausen. Schulkinder der Hendunger Blumenwiese hatten die toten Vögel zufällig beim Waldtag entdeckt und die Untere Naturschutzbehörde informiert.

    Jämmerlich verendet sind die Vögel bereits im Winter. Das Umweltamt schätzt, dass die Tiere im Zeitraum zwischen dem 15. Februar und dem 3. März – an diesem Tag wurden die Kadaver gefunden – am östlichen Waldrand des Mühlbergs vergiftete Köder gefressen haben. Michael Krämer von der Unteren Naturschutzbehörde, Daniel Scheffler, Kreisvorsitzender des Landesbunds für Vogelschutz, sowie zwei Beamte der Polizei Mellrichstadt trugen auf dem Gelände zehn tote Mäusebussarde und einen toten Turmfalken zusammen – die Tiere waren im Umkreis von etwa 100 Metern um eine stillgelegte Ackerfläche verendet.

    Schlaue Füchse

    Stutzig wurde Experte Daniel Scheffler gleich angesichts der Tatsache, dass die Greifvögel augenscheinlich schon mehrere Tage im Gelände gelegen hatten, ohne dass die Kadaver von Füchsen, Kolkraben oder Krähen angefressen gewesen wären. „Bei der Schneelage in den vorangangenen Wochen und dem damit verbundenen Futtermangel erschien das sehr auffällig und wurde als erster Hinweis auf eine mögliche Vergiftung gewertet“, sagt auch Michael Krämer. Denn Füchse haben ein empfindliches Näschen – und dass die Tiere trotz der Hungersnot in den kalten Monaten das Aas nicht gefressen haben, war mehr als merkwürdig.

    Greifvögel unterliegen sowohl dem Schutz des Jagdrechts als auch dem des Artenschutzrechts. Eine absichtliche Vergiftung dieser streng geschützten Tiere ist verboten. Zur Klärung der genauen Todesursache wurden daher die Tiere am Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in Erlangen veterinärpathologisch untersucht, wie es in einer Pressemitteilung des Landratsamts heißt. Der Befund – fast alle untersuchten Greifvögel hatten hochgewürgte Brocken in Kropf und Schnabelhöhle – verstärkte Ende März den Verdacht einer Vergiftung.

    Tödliches Nervengift

    Daraufhin wurden die Brocken an der TU München gezielt auf Spuren von Insektiziden untersucht. Gefunden wurde dabei der Wirkstoff Carbofuran, der in Pflanzenschutzmitteln verschiedener Hersteller enthalten ist. Der Stoff wirkt stark toxisch und führt bereits bei geringen Konzentrationen in kurzer Zeit zum Tod. Auch bei Menschen führt Carbofuran bereits bei geringen Dosen zu erheblichen, gegebenenfalls sogar tödlich verlaufenden Vergiftungen. Nicht auszudenken, was hätte passieren können, wenn die Schulkinder die toten Tiere angefasst oder gar einen vergifteten Köder aufgesammelt hätten. Da es sich bei Carbofuran um ein hochwirksames Kontaktgift handelt, führt nämlich bereits der Hautkontakt zu ernsten Vergiftungserscheinungen.

    Das Umweltamt am Landratsamt Rhön-Grabfeld geht davon aus, dass in unmittelbarer Umgebung des Fundorts der verendeten Greifvögel vergiftete Köder – mutmaßlich Fleischbrocken, Schlachtabfälle oder ähnliches – ausgelegt wurden, die von den Mäusebussarden gefressen wurden. Da das Gift sehr schnell wirkt und Krämpfe verursacht, konnten die Tiere die Köder nicht einmal mehr auswürgen. „Deshalb liegen die Fundorte auch derart nahe beieinander“, sagt Michael Krämer im Gespräch mit der Main-Post.

    Suche nach dem Täter

    Das illegale Mittel wird laut Krämer gezielt eingesetzt, um Greifvögel zu vergiften. Doch wer hat Interesse daran, die so majestätisch aussehenden Tiere zu töten? Laut Internetrecherche kommen nur wenige Personengruppen in Betracht – unter anderem Geflügel- beziehungsweise Kleintierzüchter und Jäger. Vermutungen diesbezüglich will Krämer aber nicht anstellen. Schwierig sei bei solchen Fällen der Nachweis, wenn der Täter nicht gerade auf frischer Tat ertappt wird.

    Egon Sturm, Leiter der Polizeiinspektion Mellrichstadt, möchte nach Möglichkeit verhindern, dass der Täter ungeschoren davonkommt. Er kündigt auf Anfrage dieser Zeitung an, dass nach dem Giftnachweis nun entsprechende Ermittlungen eingeleitet werden. In dem Zusammenhang bittet die Polizei um Hinweise aus der Bevölkerung, wenn im Tatzeitraum verdächtige Beobachtungen in der Flur gemacht wurden beziehungsweise noch werden. Für die Vergiftung von Greifvögeln, eine Straftat nach dem Tierschutzgesetz, gibt es eine Strafandrohung von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe.

    Laut Michael Krämer sind diese Vergiftungsfälle nicht nur im Landkreis Rhön-Grabfeld, sondern deutschlandweit ein Problem. Auch in der Vorrhön sind in den vergangenen Jahren Vögel vergiftet worden. In Ostheim wurde vor zwei Jahren ein Rotmilan aufgefunden, der nachweislich an Mäusegift verendet war – „das war sehr schlimm, denn diese Art ist bedroht und die Brut damals nicht durchgekommen“, erinnert sich Michael Krämer.

    Er schätzt, dass die Dunkelziffer bei diesen Vorfällen sehr hoch ist – wer meldet es schon gleich der Umweltbehörde, wenn er einen toten Vogel im Gelände findet? Mit der Veröffentlichung dieser Vorfälle erhofft sich die Untere Naturschutzbehörde, die Bevölkerung dahingehend zu sensibilisieren. Die Behörde ist für jeden Hinweis auf tote Greifvögel dankbar.

    Nicht anfassen, aber melden

    Sollten erneut tote Greifvögel oder in der Nähe möglicherweise vergiftete Köder gefunden werden, appelliert die Behörde dringend an die Bevölkerung, sich davon fernzuhalten. In keinem Fall sollten die Tiere oder die Köder berührt werden. Statt dessen wird gebeten, unverzüglich die Polizei oder das Umweltamt am Landratsamt zu verständigen.

    Carbofuran

    Das systemisch wirkende Insektizid wirkt als Fraß- und Kontaktgift. Es löst Krämpfe aus und führt in sehr kurzer Zeit zum Tod. Carbofuran ist in Pflanzenschutzmitteln verschiedener Hersteller, darunter Bay 70143, Curaterr, FMC 10242, Furadan, Niagara 10242, Pillarfuran und Yaltox, enthalten. Der Einsatz von Mitteln mit diesem Wirkstoff ist zwar seit 2008 EU-weit verboten, dennoch taucht der Name Carbofuran im Zusammenhang mit der Vergiftung von Greifvögeln immer wieder auf. Das Mittel wird illegal eingesetzt, um Tiere zu töten. Dabei werden aber auch Menschen in Gefahr gebracht.

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