Gerald Kneuer aus Gabolshausen im Grabfeld hat die derzeit viel diskutierte BR-Reportage über den Landkreis Rhön-Grabfeld gar nicht gefallen. Mit diesem Gefühl wollte er nicht allein sein.
Am Mittwoch gegen 16 Uhr stellte er zusammen mit Christine Heß auf Facebook eine Internet-Gruppe ins Netz. Er gab ihr den Namen „Wir sind Rhön-Grabfeld und wir leben gerne hier“. Am Donnerstagnachmittag haben sich dieser Gruppe schon fast 3200 Mitglieder angeschlossen. Ein sensationeller Erfolg.
„Wir hatten uns ähnlich aufgeregt über den Film. Wir wissen um die Schwierigkeiten unserer Region, trotzdem ist es absolut lebenswert hier“, sagt der Kfz-Meister.
Zur Freundesgruppe gehört auch Jörg Geier von der Kreisentwicklung des Landratsamtes. Ihn beschäftigt der Filmbeitrag vom Montagabend noch immer. Er kann es nicht fassen, in welchem Licht der Landkreis in der „ausgerechnet“-Folge dargestellt wird. „Natürlich sind wir an einem positiven Blickwinkel interessiert, aber wir kennen auch die Probleme hier. Aber das Bild des Beitrags ist einfach verzerrend“, wiederholt Geier. „Bei uns hier im Amt sind rund 50 Hinweise eingegangen, dass man beim Sender um eine Klarstellung bitten soll“, so der Beamte.
„Offenbar ist es gelungen, einen signifikanten Anteil der Bevölkerung zu verprellen oder zu erzürnen“, ergänzt der Wirtschaftsförderer. Die neue Facebookgruppe „Wir sind Rhön-Grabfeld“ untermauert dies, auch wenn viele Kommentare zur Sendung durchaus auch Lob für die Reportage enthalten.
Aber auch der Facebook-Auftritt des Landkreises selbst hat mit der Ausstrahlung der Rhön-Grabfeld-Reportage zugenommen. „Wir hatten sonst eine Reichweite von etwa 2000 pro Beitrag, seit dieser Woche sind es etwa 15 000, die unsere Postings lesen“, sagt Geier.
Er betont noch einmal, dass das statistische Zahlenmaterial, das der BR zugrunde gelegt habe, nicht aussagekräftig sei. Nimmt man aktuelles Datenmaterial des Landesamtes für Statistik von 2012, dann rangiert der Landkreis-Rhön-Grabfeld mit einer Abwanderungsquote von 9,8 Prozent auf Rang 22 der bayerischen Landkreise. „Da kann man sich noch einen besseren Platz wünschen, aber wir sind immerhin nicht unter den ersten 20“, so der Behördenmann.
Umso mehr freut ihn der Widerstand, der sich regt und der eine „regelrecht identitätsstiftende Wirkung“ habe. Für das Binnenmarketing sei das gut und auch für das Selbstbewusstsein der Region.
Auch die Kolpingsfamilie Heustreu kritisiert die tendenziell negative Darstellung des Landkreises Rhön-Grabfeld in der Reportage „ausgerechnet: Rhön-Grabfeld – Der Ort, an dem keiner wohnen will?” des Bayerischen Fernsehens. Die aufgezeigten Strukturschwächen sind zwar sicher vorhanden, sie aber so einseitig in den Mittelpunkt zu rücken, bildet die Wirklichkeit unzureichend ab.
Gemeinsinn in den Dörfern
„Wir sind gerne Rhön-/Grabfelder und schätzen den hohen Naherholungswert unserer Heimat sowie das breite kulturelle Angebot und den ausgeprägten Gemeinsinn in unseren Dörfern und Städten. So war es unser Ansinnen, sowie die angegebene Intention des Fernsehteams, in der Reportage zu vermitteln, was eine Vereinsgemeinschaft (Kolpingjugend, Musikverein, Feuerwehr) aus der Initiative der Dorfjugend zustande bringen kann. Dies gibt der Filmbeitrag jedoch keineswegs wieder“, beklagt die Kolpingjugend in einer Presseerklärung.
Das seit sechs Jahren etablierte K-Event am Freitag, mit vollen Zelten und bester Partystimmung, sowie bestimmte Attraktionen, und der Samstag zu späterer Uhrzeit trotz unserer Anregung sei gar nicht erst gefilmt worden, beklagen die Unterzeichner. Mit Suggestivfragen wie „Nervt dich das so ein bisschen, dass es hier immer so klein ist?“ wurde bewusst versucht negative Antworten zu erzielen.
Sicher sind wir von allen Akteuren noch am besten dargestellt worden. Und tatsächlich hat der gezeigte Festsamstag aufgrund des durchwachsenen Wetters und einiger Gegenveranstaltungen nicht ganz die erhofften Besucherzahlen erreicht, jedoch die erwarteten überschritten.
„In erster Linie geht es doch darum die Dorfkultur lebendig zu erhalten. Dies ist sicher auch das Anliegen Hunderter anderer Vereine unseres Landkreises, die ein breites sportliches, kulturelles, soziales und politisches Angebot bereitstellen“, schließen die Kolping-Jugendlichen ihr Protestschreiben.