Der Segelflieger "Eta" misst von einem Flügelende zum anderen gigantische 31 Meter. Neben dieser Rekordspannweite gilt "Eta" nach Meinung von Fachleuten als der leistungsfähigste Flieger, da er in einer bestimmten Höhe am weitesten gleiten kann. Konstruiert und entwickelt wurde die Maschine von einer Braunschweiger Firma im Auftrag von weltbekannten Segelfliegern. Binder hatte den Rumpf des Flugzeugs gefertigt und die Endmontage besorgt.
Erst eine knappe halbe Stunde befand sich Walter Binder mit einem Bauprüfer aus Suhl, der als Co-Pilot und Beobachter fungierte, am vergangenen Dienstag bei einem Testflug in der Luft. Gegen 1430 Uhr brach in 2300 Meter Höhe die Rumpfröhre von "Eta" beim Ausleiten aus der Trudelerprobung ab. "Wir hörten ein Klappern in der Luft und schauten nach oben", erzählten zwei Spaziergängerinnen an der Streu nach dem Unglück. Sie sahen einen Fallschirm, "an dem einer hing", und das abstürzende Flugzeug.
Binder und sein Kollege retteten sich mit Fallschirmen aus dem abstürzenden Flieger, der kurz darauf auf einer von Wald umgebenen Lichtung wenige hundert Meter vom Flugplatz der Ostheimer Segelfliegergemeinschaft entfernt auf dem Büchig aufschlug. Beide Insassen blieben unverletzt und halfen am gestrigen Mittwoch bei der Bergung des demolierten Seglers. Der war im Gelände auf dem Dach aufgeschlagen - nicht auszudenken, was passiert wäre, hätten die beiden Insassen nicht geistesgegenwärtig reagiert und sich rechtzeitig aus dem Flieger herauskatapultiert. Vor der unsanften Senkrecht-Landung streifte das trudelnde Flugzeug zwei Bäume.
Den Schaden bezifferte Binder nach erster Inspektion auf etwa 250 000 Euro. "Man wird sehen, was noch brauchbar ist, und den Flieger ausschlachten", erläuterte er das weitere Vorgehen mit dem Wrack. Zunächst galt es, den Rumpf und die beiden jeweils in zwei Teile zerlegbaren Flügel aus dem nicht leicht zugänglichen Gelände herauszuholen. Mehr als zehn Personen, darunter Angestellte, Freunde und auswärtige Flieger-Kollegen, halfen bei der aufwändigen Bergung, für die eigens Gras und Gestrüpp zurückgeschnitten werden musste.
Die am Dienstag erfolgte Trudelerprobung war der letzte Punkt einer Reihe von Tests, denen sich "Eta" seit sechs Monaten unterziehen muss, um die Musterzulassung zu erhalten. Bisher hat das Flugzeug nur eine vorläufige Verkehrszulassung, um überhaupt in die Luft gehen zu dürfen. Rund 50 Punkte müssen abgehakt werden, damit nicht nur Fachleute wie Binder mit "Eta" fliegen dürfen.
"Die Trudelerprobung gilt generell als heikel", erklärte Binder im Gespräch mit der MAIN-POST. Daher hatte man sie sich bis zum Schluss aufgespart. Wäre sie gelungen, hätte man in wenigen Wochen, nach Eingang aller Unterlagen, die Musterzulassung in den Händen gehabt.
Im Mittelpunkt des Testflugs stand das Verhalten des Seglers im langsamen Flug. Wie reagiert "Eta", wenn es abkippt - und vor allem danach? Wie verändert sich die Lage, wie entwickeln sich der Höhenverlust und die Geschwindigkeit? Dies waren die zentralen Fragen, die beim Testflug beobachtet werden sollten.
"Keinesfalls ein Materialfehler" lag nach Ansicht Binders vor. Der Experte tippt vielmehr auf eine Überbelastung des Segelflugzeugs. Die genaue Untersuchung wird in den nächsten Wochen Hauptaugenmerk des Fachmanns sein.
Nachdem das Wrack sicher im Transporter lag, musste er trotz "mieser Laune" doch ein wenig lachen. "Das war der erste Fallschirmsprung meines Lebens", erzählte er nach der Bergung. Ein Kollege fügte lakonisch hinzu, dass es "doch hoffentlich auch der letzte" gewesen sei.
Die eingeschaltete Flugunfalluntersuchung spricht bei dem Absturz "nicht von einem Unfall". "Das war ein Erprobungsschaden. Bei der Erprobung werden Grenzzustände untersucht, da kann es krachen", erklärte Binder lapidar am Tag danach. "Auf solchen Flügen legt man den Schirm schon richtig an", erzählte ein Flug-Kollege Binders. Der 56 Jahre alte Binder fliegt seit 1966 und lässt sich von dem Absturz nicht beeindrucken. Auch die Trudelerprobung "geht natürlich weiter", entrüstet sich der Profi ob einer solchen Frage.