Die Heimat wird zum Zufluchtsort für Stadtflüchtlinge. Die meist älteren Menschen kommen nicht freiwillig. In München reicht ihre Rente nicht mehr für die Miete. Zwar hat Landesvater Markus Söder (CSU) groß hinausposaunt, dass die staatliche Wohnungsbaugesellschaft "BayernHeim" bis Ende 2020 mindestens 2000 bezahlbare Wohnungen schaffen werde, aber tatsächlich neu gebaut wurde bislang keine einzige. Und so stranden viele Städter auf ihre alten Tage unfreiwillig in der Provinz.
Oft bringen die Migranten allzu romantische Vorstellungen vom Landleben mit. Von wegen "diese Ruhe". Schon in der Integrationsphase werden sie auf brutale Weise mit der Realität konfrontiert. Während Stadtmenschen ihre Wochenenden dazu nutzen, auszuschlafen und nach einem ausgedehnten Frühstück ein bisschen durch die Fußgängerzone oder den Zoo zu bummeln, zeigen "Landeier" den unseligen Hang, in aller Herrgottsfrühe möglichst viel Krach zu machen. Ständig wird gemäht, "gekärchert" oder gesägt. Es ist erstaunlich, welches Arsenal an lärmendem High-Tech-Equipment da zum Einsatz kommt. Und wer nach sieben Uhr aufsteht, gilt als " Schloffer". Oder als "faule Sau".
Was treibt die Dörfler so früh aus dem Bett? Ist es präsenile Bettflucht? In unserem überalterten Landkreis wäre das kein Wunder. Vielleicht liegt es aber auch am infernalischen Glockengedröhn, das alltäglich um halb sieben, also mitten in der Nacht, einsetzt. Die Ureinwohner stört es nicht, obwohl auch sie nicht mehr so fromm sind. Kurz nach acht Uhr beginnt samstags in Neubaugebieten die Schwarzarbeit. Dann kommen Elektrohämmer, Kompressoren und Minibagger zum Einsatz. Ab elf rollen erste Betontransporter an. Zeitgleich lässt ein Nachbar seine neue Harley eine halbe Stunde lang "warmlaufen". Sein Alter und eine respektable "Ranze" lassen keine längeren Touren mehr zu. Aber er hört den Motor-Sound so gern. Born to be wild!
Ein anderer "Ichling" startet am Nachmittag die monatliche Grillparty. Sie eskaliert regelmäßig. Leistungsstarke Subwoofer versorgen die Nachbarschaft mit Volxmusik-Gedudel. Nach Einbruch der Dunkelheit reicht das nicht mehr. Angefeuert durch etliche Maß Keuzbergbier beweist eine grölende Meute dann Gesangstalent. Gekonnt wird das "Kreuzberglied" intoniert oder – wenn es ganz dick kommt – die "Club-Hymne". Sollten Neuzuzügler an dieser Stelle die Nerven verlieren und die Polizei rufen, werden sie von der Dorfgemeinschaft lebenslänglich als "Spaßbremsen" geächtet.
Auf dem Dorf achten Menschen eben noch aufeinander! Auch in Bezug auf Verkehrslärm wird das Land oft unterschätzt. In der Herschfelder Falltorstraße freuen sich die Anwohner über eine Dauerbaustelle, die dafür sorgt, dass der Klinikverkehr um den geprüften Stadtteil herumgeleitet wird. Kinder spielen an der Straß, alte Menschen können sie ohne Lebensgefahr überqueren. So schön kann verkehrsberuhigtes Dorfleben sein! Allerdings nur kurz.
Weil einige Autofahrer aufgrund der Sperrung fünf Minuten länger brauchen, gilt demnächst wieder "freie Fahrt für freie Bürger". Obwohl Senioren schlechter hören, regt sie Lärm viel stärker auf. In der Innenstadt hat man einigen Gaststätten deshalb Livemusik untersagt. Nachdem sich die Wirte bei der Stadt beschwert hatten, stellte sich der Bürgermeister zunächst stur. Die Kneipiers ließen aber nicht locker und riefen schließlich den Landrat zur Hilfe. Der sprach ein Machtwort und stellte den halb so alten Rathauschef gehörig in den Senkel. Livemusik hätte es "schon früher" gegeben und deshalb bleibe sie auch erlaubt. Basta. Hans und Hänschen! Konservative konservieren nun mal gerne. Manchmal hat das auch Vorteile. Man muss sich das vorstellen.