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MELLRICHSTADT: Heinrich Bedford-Strohm: „Wir alle können etwas bewegen“

MELLRICHSTADT

Heinrich Bedford-Strohm: „Wir alle können etwas bewegen“

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    „Ein wunderbarer Tag“, freute sich Mellrichstadts evangelischer Pfarrer und Kirchenrat Andreas Werner (Zweiter von links) über den Besuch von Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm (Dritter von rechts). Da konnten ihm Fritz Schroth (Präsidium der Dekanatssynode, links), Janette Fraas (Dritte von links) sowie Dekan Matthias Büttner und MPG-Schulleiter Robert Jäger (von rechts) nur zustimmen.
    „Ein wunderbarer Tag“, freute sich Mellrichstadts evangelischer Pfarrer und Kirchenrat Andreas Werner (Zweiter von links) über den Besuch von Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm (Dritter von rechts). Da konnten ihm Fritz Schroth (Präsidium der Dekanatssynode, links), Janette Fraas (Dritte von links) sowie Dekan Matthias Büttner und MPG-Schulleiter Robert Jäger (von rechts) nur zustimmen. Foto: Foto: Simone Stock

    Das Bad in der Menge genoss der Landesbischof mit sichtlicher Freude: Heinrich Bedford-Strohm wurde am Martin-Pollich-Gymnasium in Mellrichstadt am Donnerstagvormittag mit lautstarkem Jubel begrüßt. Die Schüler in der Aula und auf den oberen Rängen bereiteten dem Ehrengast einen ebenso stürmischen wie herzlichen Empfang, der den Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland begeisterte. „So etwas habe ich noch nicht erlebt“, sagte Bedford-Strohm lachend und freute sich über den „guten und offenen Geist“, den er hier an der Schule spüren könne.

    Schulleiter Robert Jäger wollte das MPG als offenen Raum und eingeschworene Schulfamilie präsentieren, und das ist ihm gelungen. „Diese Schule ist voller Leben“, sagte er stolz. Der Landesbischof spürte darin „die Liebe zur Welt“. Seine offene und herzliche Art trug das ihre dazu bei, dass die anschließende Fragestunde der Oberstufe an das Oberhaupt der evangelischen Kirche in Bayern ein lebhaftes Gespräch über Gott und die Welt wurde.

    Einblick ins Privatleben

    Lehrerin Janette Fraas hatte ihre Moderation auf verschiedene Säulen gestellt, sodass die Schüler etwas über den Privatmann Heinrich Bedford-Strohm erfuhren, aber in der Hauptsache seine Meinung zu drängenden Fragen der Zeit und natürlich zur Kirche und zum Glauben.

    Aufmerksam lauschten die Schüler, dass am heimischen Esstisch des Landesbischofs deutsch und englisch gesprochen wird. Heinrich Bedford-Strohm ist mit einer Amerikanerin verheiratet, die drei Söhne sind zweisprachig aufgewachsen. „Ich bin der einzige in der Familie ohne Migrationshintergrund“, sagte er augenzwinkernd, „der einzige, der keinen amerikanischen Pass hat.“ Da wurde Gekicher in der Aula laut. Als der 58-Jährige dann von seiner Vita erzählte – Studium in den USA, Professur in Bamberg, Gastprofessur in New York, außerordentliche Professur in Südafrika –, und dazu wie selbstverständlich einfließen ließ, was er jüngst bei einem Treffen mit Papst Franziskus erörtert hatte, da waren die jungen Leute doch schwer beeindruckt.

    „Das ist mein Lebenselixier“

    „Ich habe Schreibtische in Berlin, Hannover und München, das zu koordinieren, ist schon schwierig“, so Bedford-Strohm, der Einblicke in seine Arbeit als Landesbischof sowie als Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland gab. Schön, wenn es dann Zeit gibt für einen Dekanatsbesuch wie hier in Bad Neustadt. „Das ist mein Lebenselixier“, versicherte der Landesbischof, „mit Menschen ins Gespräch zu kommen und den Glauben gelebt zu sehen.“

    Für Laura Büttner der Moment, nachzuhaken, wie er überhaupt zur Theologie gekommen sei. Die Antwort: auf Umwegen. Zwar stammt Bedford-Strohm aus einer Pfarrerfamilie, jedoch hatte er sich zunächst für ein Jurastudium entschlossen, wie er erzählte. „Zur Theologie brachte mich die Auseinandersetzung mit Grundsatzfragen – warum handeln wie so, wie wir es tun?“ Die Antwort auf viele Fragen fand er in der Bibel. „Damals habe ich Feuer gefangen, mich auf die Theologie einzulassen, und ich habe es keine Sekunde bereut.“

    Hoffnung für die ganze Kirche

    Ein weiteres großes Thema: die Ökumene, die in Mellrichstadt schon lange gelebt wird. „Die ökumenische Ausstrahlung, die ich hier spüre, ist eine Hoffnung für die ganze Kirche“, beteuerte Bedford-Strohm. Die Konfessionen sollen sich gegenseitig inspirieren, ist sein Wunsch, nicht das sich voneinander Abgrenzen. „Entscheidend ist die religiöse Erneuerung“, machte er deutlich. Darüber habe er viele Gespräche auch mit Kardinal Reinhard Marx und Papst Franziskus geführt, den er mit „lieber Bruder Franziskus“ anspreche, wie er preisgab.

    Die jungen Leute forderte er auf, darüber nachzudenken, was ihr Leben ausmacht. „Es liegt viel Druck darauf, gut auszusehen, gut drauf zu sein, sportlich zu wirken und am besten noch viel Geld zu haben“, so der Landesbischof. Nur dann sei man begehrenswert, werde in der heutigen Gesellschaft suggeriert. „Aber ist das wirklich die Basis für ein gutes Leben?“ Nachdenkliche Gesichter im Auditorium. Abseits von Model-Shows im Fernsehen und der Selbstdarstellung bei Facebook sollten sich die Jugendlichen vielmehr bewusst machen, dass sie von Gott angenommen werden, wie sie sind, auch „wenn sie mal Mist bauen“. Bedford-Strohms tiefe Wahrheit fürs Leben ist vielmehr, sich zu sagen: „Ich kann ich selbst sein, weil Gott mich liebt.“

    Die Politik in die Pflicht nehmen

    Auch politische Fragen blieben nicht außen vor. Und die großen Themen unserer Zeit, die auch die Schüler bewegen, wie Welthandel, Klimawandel und Flüchtlinge. Inspiration für alles Handeln solle die christliche Nächstenliebe sein, so der Landesbischof. „Und wenn man die Not von Menschen wahrnehmen und überwinden will, kann man die Politik nicht außen vor lassen.“ Ganz konkret und kritisch: „Wenn ich in Afrika bin, höre ich, dass billige Hähnchenteile aus Europa, dazu noch subventioniert, nach Ghana exportiert und so billig angeboten werden, dass einheimische Bauern pleite gehen. Da kann man sich die Entwicklungshilfe sparen.“ Bedford-Strohms Appell: „Wir müssen bei den Politikern einfordern, dass sie dieses Thema angehen und etwas ändern.“

    Auch mit der Gewinnorientierung der großen Konzerne ging er ins Gericht, etwa bei der Billigproduktion von Kleidung in Ländern der Dritten Welt. „Hier könnt auch ihr etwas tun“, sagte der Landesbischof zu den Schülern. „Wenn der Druck der Öffentlichkeit stark genug wird und die Gewinne zurückgehen, dann kommt etwas in Bewegung. Wir müssen Zeichen setzen, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen.“

    Eine Welt, in der alle gut leben können

    Dies gelte auch für den Klimawandel. Bei einem Besuch in Tansania habe er selbst die Auswirkungen gesehen, verdorrte Felder, Einöde aufgrund der Dürre. „Schuld tragen die Industrienationen. Doch die armen Länder, die am wenigsten CO2-Ausstoß haben, sind die ersten Opfer. Hier müssen wir mit Politikern, Bankern und Wirtschaftsführern reden, um etwas zu ändern.“ Das Bewusstsein zu schärfen für eine Welt, in der alle gut leben können, das sei eine große Aufgabe für die Zukunft. Das gelte auch für die Asylpolitik. „So lange solch eine extreme Ungerechtigkeit in der Welt herrscht, wird es Flüchtlinge geben“, so der Landesbischof.

    Auf die letzte Frage, was er sich für die Schüler wünsche, wandte er sich voller Herzlichkeit ans Auditorium. „Freut euch am Leben und lasst euch nicht zu sehr durch Leistungsmaßstäbe unter Druck setzen“, sagte Bedford-Strohm lächelnd. „Lebt in Frieden mit euch selbst und mit Gott.“ Andächtige Stille, dann ergriff noch einmal Schulchef Robert Jäger das Wort: „Es war ein Geschenk, dass Sie bei uns waren.“

    Herzlicher Dank an die Schüler

    Bevor sich Heinrich Bedford-Strohm, begleitet von Dekan Matthias Büttner, Kirchenrat Andreas Werner und zahlreichen weiteren Ehrengästen wieder auf den Weg machte, ließ es sich der Landesbischof nicht nehmen, Paula Zeeb und Elisabeth Kritzer zu loben, die den Termin an Klavier und Harfe „engelsgleich“ umrahmt hatten. Und auch die drei vom Technik-Team, Leon und Kevin Zimmer sowie Benedikt Dorst, nahmen schüchtern lächelnd den herzlichen Dank des Landesbischofs für ihren Einsatz entgegen.

    Nächste Station im Rahmen des Dekanatsbesuchs war dann die Firma Reich, wo ein Rundgang durch die Produktionsstätten bei Mellrichstadts größtem Arbeitgeber auf dem Programm stand. Begonnen hatte der Besuch des Landesbischofs in Mellrichstadt um 9 Uhr mit einem Morgenlob in der Gustav-Adolf-Kirche. Am Nachmittag standen noch einmal ökumenische Gespräche in Bad Königshofen auf dem Terminkalender des Landesbischofs.

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