Dass in Burglauer ein deutschsprachiger Marktführer beheimatet ist, wissen wohl die wenigsten. Dass er in einem ehemaligen Kuhstall residiert, ahnt erst recht keiner. Die Rede ist von der Naturheilpraxis, einer Fachzeitschrift mit einer Auflage von 18 000, deren Redaktion in einem restaurierten Bauernhof in Burglauer sitzt.
Führend im deutschsprachigen Bereich sei die Fachzeitschrift, sagt Karl Friedrich Liebau, seit 27 Jahren Chefredakteur des Mediums und genau so lange in Burglauer zu Hause. Gemeinsam mit Ehefrau Ingrid Tomesch-Liebau ist der 72-Jährige für Redaktion und Layout der Zeitschrift verantwortlich, die monatlich im Pflaum Verlag – einem Münchner Fachverlag – erscheint.
Dass keiner weiß, was da in der Burgläurer Idylle produziert wird, hat auch damit zu tun, dass es die Naturheilpraxis nicht am nächstbesten Kiosk zu kaufen gibt. „Das verbietet das Heilmittelwerbegesetz“, erklärt der Chefredakteur. Denn neben Fachbeiträgen gibt es natürlich jede Menge Werbung. Werbung, die ein Laie anders als das Fachpublikum nicht bewerten und einschätzen kann. Deshalb ist die Naturheilpraxis als Abonnentenzeitschrift konzipiert, die sich an Ärzte für Naturheilkunde, Heilpraktiker, Apotheker und Biologen richte. Um die 10 000 Abonnenten werden monatlich beliefert.
Liebaus Weg zur Naturheilkunde
Zur Naturheilkunde ist Liebau über Umwege gekommen: Mit Anfang 30 arbeitete der studierte Literatur- und Theaterwissenschaftler aus Brandenburg als Dramaturg, Regisseur und Schauspieler in Berlin. Zu dieser Zeit sei er auch auf einen beeindruckenden Heilpraktiker getroffen: Er habe gesehen, wie ein kranker Mann, von der klassischen Medizin aufgegeben, gerettet werden konnte, so Liebau. Das habe ihn überzeugt, sich selbst – zu großen Teilen autodidaktisch – zum Heilpraktiker auszubilden.
„Eingangslücken“ schließen
„In der Naturheilkunde geht es nicht um die Bekämpfung von Symptomen“, sagt Liebau. Vielmehr werde der Mensch – Körper, Geist, Seele – in seiner Ganzheit berücksichtigt. Betrachtet würde immer die individuelle Konstitution. Denn dass und wie ein Mensch krank werde, liege auch in der Konstitution begründet, die er bei der Geburt mit auf die Welt bringe. Diese konstitutionellen Schwachstellen, Liebau nennt sie auch „Eingangslücken“, sollen geschlossen werden. Ansprechen will die Naturheilkunde „die selbstheilenden Kräfte des Körpers“.
Zwölf Jahre lang praktizierte Liebau als Heilpraktiker in Berlin, dann las er in einer Berliner Tageszeitung von einem „Restbauernhof in Franken“. Auch weil er sich durch die Mauer eingeengt fühlte, habe er den Hof in Burglauer gekauft und in Eigenregie restauriert, seine Praxis schließlich nach Bad Kissingen verlegt.
1983 wurde Liebau Präsident des Fachverbands Deutscher Heilpraktiker. „Ich habe mich immer viel mit Berufs- und Gesundheitspolitik beschäftigt.“ Liebau hat Fachfortbildungen organisiert, Bücher veröffentlicht, dazu beigetragen, dass die Heilpraktiker-Ausbildung gewissen Regeln unterliegt. Sein Ziel sei es gewesen, das Berufsbild zu professionalisieren.
Ebenfalls 1983 habe man ihm den Chefredakteursposten der „Naturheilpraxis“ angeboten. „Anfangs ist es vor allem darum gegangen die Linie der Zeitschrift zu bestimmen und das Editorial zu schreiben.“ Nach und nach hat er sich immer mehr in die Produktion eingebracht. Zu tun hat das sicherlich auch mit der heute 52-jährigen Ingrid Tomesch-Liebau, seiner Ehefrau.
Kennen gelernt hat sich das Paar über die Arbeit: 1986 übernahm Ingrid Tomesch, den stellvertretenden Chefredakteursposten der Naturheilpraxis in München, 1989 heirateten die beiden, sie haben heute eine 17-jährige Tochter. Im Gegensatz zu ihrem Mann kommt Tomesch aus dem Bereich Journalismus: Sie hatte beim Pflaum Verlag volontiert und arbeitete zumindest anfangs von München aus. Sie spricht von einem „großen Vertrauensvorschuss“ des Verlegers: Ohne Umstände habe dieser der Redaktion – also dem Ehepaar – erlaubt, die Arbeit nach Burglauer zu verlegen.
Allerdings seien sie in ihrer Tätigkeit natürlich auch leicht überprüfbar, so Tomesch-Liebau: Schließlich müssten jeden Monat rund 160 bis 180 Seiten produziert werden. Die schreiben die beiden natürlich nicht selbst: Rund 200 Fachautoren liefern Beiträge. Die Liebaus redigieren nicht nur die Texte, sie layouten außerdem die Zeitschrift, das heißt sie wählen Fotos aus und kümmern sich um den Umbruch.
Von der Krise profitiert
In Zeiten, in denen viele Medien mit Anzeigeneinbrüchen kämpfen, kenne die Naturheilpraxis keine wirtschaftlichen Probleme, so Liebau weiter. Man profitiere sogar eher von der Krise. „Viele im Anzeigengeschäft konzentrieren sich jetzt auf den Marktführer.“
Überhaupt sei Naturheilkunde gerade gefragt und Mode. Grund dafür, meint er, ist sicherlich auch die Tatsache, dass man selbst beim Arzt mittlerweile viel selbst zuzahlen müsse. „Beim Heilpraktiker war das schon immer so.“
Allerdings fände keinesfalls all das was „in“ ist, auch den Weg in die Zeitschrift: „Wir sind eine klassische Heilpraktikerzeitschrift.“ Vertreten seien also Themen wie Pflanzenheilkunde oder Akupunktur. Weder der Hype um Nahrungsergänzungsmittel noch die Wellness- oder die Esoterikwelle fänden ihren Weg ins Blatt.„Auch wenn's um Naturheilkunde geht, wir arbeiten richtig professionell“, scherzt Liebau, der weiß, dass manch einer der Naturheilkunde mit Vorurteilen begegnet.