Ein Traum, den manch ein Mann geträumt: Wenigstens einmal im Leben wie Apollon auf einem Hügel sitzen und Geige spielen, umgeben von neun inspirierenden Musen, und, wenn's denn sein muss, von ein paar unsterblichen Geistesgrößen und einem bunten Völkchen aus Menschen und anderen Geschöpfen.
Na ja, es geht auch etwas einfacher. Es muss ja nicht gleich der Parnass sein, wie auf dem Wandgemälde, das der Renaissancemaler Raffael für den Apostolischen Palast im Vatikan schuf. Wir wären auch schon mit der Hohen Geba zufrieden, und mit zwei bis drei irdischen Musen. Und auf große Götter könnten wir gegebenenfalls verzichten. Traum beendet.
Zurück bleibt die Inspiration durch die Betrachtung dieser Szene aus der griechischen Mythologie. Dazu müssen wir nicht nach Rom fahren – das Schöne liegt viel näher. 1909, zur Wiedereröffnung des Meininger Theaters nach dem großen Brand am 5. März 1908, hat der Maler und Schriftsteller Arthur Fitger (1840-1909) einen fantastischen Theatervorhang geschaffen, auf dem er – mit zahlreichen zusätzlichen Facetten versehen – das Meisterwerk Raffaels kopierte.
Der Bühnenvorhang gilt als letzter seiner Art, denn die Epoche der Bildvorhangmalerei gehörte bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts der Vergangenheit an. Und nun soll Fitgers Raffael-Parnass erneut das Publikum entzücken.
Zur Wiedereröffnung des Großen Hauses im Dezember dieses Jahres wird das Reich der Musen zu sehen sein, bevor sich der Vorhang zu Shakespeares „Maß für Maß“ und Richard Wagners selten gespielter Oper „Das Liebesverbot“ hebt. Nicht im Original, sondern als Kopie im Maßstab 1:1, die die beiden Theatermaler Roland Artus und Hartwig Gundelwein derzeit in mühevoller Kleinarbeit im Malsaal des Meininger Theaters anfertigen.
Auch das Original soll wieder in der Öffentlichkeit gezeigt werden, zumindest im Theatermuseum, wo der historische Vorhang aufbewahrt wird. Zuerst einmal aber muss das verblasste und beschädigte Kunstwerk von fachkundiger Hand restauriert werden. Bis dahin dürfen wir uns von den farbfrischen Musen der Gegenwart inspirieren lassen.