So stelle ich mir den Sommer vor. Die Finger klebrig von Sonnenmilch und Schokoladeneis, das Hirn schon leicht bräsig von der Hitze, umweht von Grillgeruch und Ghettoblaster-Musik. So lässt es sich leben. Ich liege am Ellertshäuser See, lasse mir die Sonne auf den Bauch scheinen, und das Schöne dabei: Das ist Arbeit. Meine Mission: Den Ellertshäuser See testen, auf Herz und Nieren prüfen, den Dingen auf den Grund gehen. Ganz bis auf den Grund werd ich's heute zwar nicht schaffen, aber die Wasseroberfläche dürfte reichen.
Es ist wahnsinnig voll hier auf der Liegewiese am Nordwestufer, obwohl sie laut Plan 450 Meter lang ist. Bauch an Bauch liegen sie hier. Schweinfurter, Coburger, Würzburger. Das verraten zumindest die Autos auf dem großen Parkplatz direkt am See. Kein Wunder, schließlich ist der Ellertshäuser See der größte in Unterfranken, und auch das Freizeitangebot ist nicht von Pappe: Man kann nicht nur baden, sondern auch Tretboot-Fahren, Segeln, Radfahren. . .
Aber mein Auftrag lautet baden, und so werde ich baden. Gar nicht so einfach, den Weg zwischen Badematten, Micky-Maus-Heften und eingeölten Beinen zu finden. Am Rand der Wiese ist weniger Trubel. Hier soll ich rein? Kleine Zweige schwimmen auf dem Wasser, eine tote Fliege. Dabei bin ich eigentlich gar kein Natur-Bader, eher Typ "Chlorwasser in gekacheltem Karree". Aber was sein muss, muss sein. Brr. Irgendetwas streift leicht meinen Fuß. Weiter raus schwimmen. Hier geht es.
Eigentlich doch ganz schön, diese Natur. Das Wasser sieht von Nahem auch gar nicht so braun aus. "Am Boden des Sees kann man total weit gucken". Jetzt muss ich an die Worte meines Bruders denken. Der hat neulich einen Tauchkurs absolviert, und den Ellertshäuser See schon einmal von unten betrachtet. "Ich war total überrascht, wie viele Wasserpflanzen man da unten sehen kann", hat er mir erzählt. "Und das ist ja auch ein Zeichen dafür, dass der See gesund ist. Die Pflanzen gehen nämlich zuerst drauf, wenn was nicht stimmt."
Da sieht man mal, was man von seinem Bruder so lernen kann. Wassertretend versuche ich, nach unten zu sehen. Ich seh nix. Kein Wunder, der See ist hier auch fast 15 Meter tief. Und gesund ist er wirklich. Das sagen Wasserwirtschaftsamt und Gesundheitsamt, die den See jährlich überprüfen. Eigentlich war der See zuerst als Bewässerungsspeicher für die Landwirtschaft gedacht, bis der Freistaat Bayern ihn 1970 kaufte.
Rumms. Ein Schlauchboot im Nacken. "Tschuldigung", quäkt der vorlaute Kapitän. Ich schaue böse, aber eigentlich ist mir gar nicht danach. Man könnte immer so hier treiben, in den Himmel gucken. Ob ich mir ein Tretboot mieten soll? Die gibt's am gegenüberliegenden Ufer bei Bootsverleih Schmidt. Eine halbe Stunde für neun Mark, eine ganze 14. Aber langsam werden meine Finger schrumpelig, und ich entschließe mich lieber zu einem Spaziergang. Ganz um den See kommt man zu Fuß kaum. Die Fläche des Sees beträgt rund 33 Hektar. Es gibt zwar einen Rundwanderweg, und auch den Radwanderweg Nummer 2 des Landkreises, aber barfuß? Ein andermal.
Dann kann ich auch noch die zweite Liegewiese testen, am Südostufer. Jetzt lieber noch ein Eis. Ein oranger VW-Bus ist schon den ganzen Tag belagert, dünne Eisspuren im Gras weisen den Weg. "E . S" steht auf dem Bus, der so aussieht, als könnte er auch an einem lärmig-lauten Adria-Strand seine Runden drehen. Und der Eisverkäufer heißt bestimmt Giovanni und hat braune Augen. Ehe ich mich davon überzeugen kann, macht er den Laden dicht und fährt weg. Auf dem Nummernschild steht Haßberge. Schade.
Dann eben ein Eis im Restaurant Seeblick, in Dammnähe am Rand des Sees. Es liegt auch noch direkt am nördlichsten der drei Parkplätze, auf die insgesamt 490 Autos passen. "Papa, kommen wir morgen wieder her?", fragt ein Knirps auf dem Rückweg zum Auto, den Schwimmreifen hat er noch um. "Na, wenn die Sonne scheint." Ja, wenn die Sonne scheint, dann komme ich auch wieder.