(bnö) Rainer hat Urlaub. Bis Dreikönig. Der 44-Jährige sitzt in seinem Zimmer und hört Musik. Da kann er richtig entspannen. Rainer lebt in der Wohngruppe Rafael in Münnerstadt mit zwölf weiteren Menschen mit Behinderungen.
Nach einem Unfall hat sich sein Leben völlig verändert. Seither ist er auf Hilfe angewiesen. So kam er ins Dominikus-Ringeisen-Werk nach Maria Bildhausen. Dort fand er Arbeit in der Werkstätte. Korbflechten. Das macht ihm Spaß: „Ich gehe gerne zur Arbeit und bin froh, dass ich sie habe“, erzählt er.
In Bildhausen lebte er 15 Jahre lang im Wohnheim. Vor einem Jahr ist er umgezogen. Nach Münnerstadt in die Außenwohngruppe des Dominikus-Ringeisen-Werks. Rainer ist trotz seiner Behinderung ziemlich selbstständig. Das war den Betreuern längst aufgefallen in Bildhausen. Deswegen konnte er bei Pfarrer Albin Lieblein ministrieren – und das Bogenschießen lernen.
Das hat ihm in Münnerstadt gefehlt. Denn nun fährt er nach der Arbeit von Bildhausen heim, so wie unzählige andere Mitmenschen auch. Nur: Die sind in ihrer Umgebung integriert, treiben Sport im Verein und treffen sich hernach zum gemütlichen Beisammensein.
Rainers Beisammensein ist auf seine Wohngruppe beschränkt. Er kauft für sich und seine Mitbewohner ein in den Münnerstädter Geschäften. Da tritt er zwar in Kontakt mit seinen Mitmenschen, feste Bindungen knüpfen kann er aber nicht.
Eingliederung als Auftrag
Dieses Defizit ausgleichen will der Lokale Teilhabekreis. Das Projekt der Caritas-Behindertenhilfe versucht seit Juni 2010 verstärkt Menschen mit Behinderungen in die Gesellschaft einzugliedern. „Inklusion heißt unser Auftrag“, sagt Silvia Nöth. Sie zählt mit Sabine Rein-Wolf und Irma Geßner zu den Mitarbeiterinnen des Dominikus-Ringeisen-Werkes, die in Münnerstadt, Bad Königshofen und Maria Bildhausen Kontakte knüpfen, damit Menschen mit Behinderungen auch teilhaben können am ganz normalen Leben.
Rainer zieht die Sehne des Bogens stramm, zielt und lässt den Pfeil auf die Scheibe surren. „Super, Rainer, das sind neun Punkte!“, lobt Heinz Dallner. Der 60-Jährige ist bei den Münnerstädter Sportschützen verantwortlich für das Bogenschießen. Ihn hat Silvia Nöth kontaktiert. „Das war überhaupt kein Problem. Beim nächsten Training konnte ich mit Rainer teilnehmen, sofort hat er einen Bogen gestellt bekommen und durfte mit den anderen trainieren.“ Seither freut sich Rainer auf den Dienstag. Zumal ihn die meist jüngeren Bogenschützen völlig offen aufgenommen haben. „Mein Ziel ist es, dass er dem Verein beitritt und den Weg von der Wohngruppe aus zum Schützenhaus bewältigt. Alleine!“, erklärt Silvia Nöth.
Kleine Erfolge
Ähnliche kleine Erfolge hat sie schon erzielt, beispielsweise beim Ruinenfest am Michelsberg, als einige Rafael-Bewohner beim Auf- und Abbauen halfen, beim Rhöner Wandertag, als sie mit einer ganzen Gruppe teilnahm, wie beim Würzbüschelbinden des Bund Naturschutz. Wichtig war für sie auch der Besuch in der Bibliothek. „Am Anfang habe ich nur drei Interessierte dafür erwärmen können, jetzt sind es schon sechs!“ Auch hier war sie bei Bibliotheks-Leiterin Barbara Gassauer auf offene Ohren gestoßen. Ein Bewohner kümmert sich mittlerweile schon selbstständig um das Ausleihen. Auch am Weihnachtsmarkt im Julius-Spital hat sie mit den Bewohnern teilgenommen. Sie haben Waffeln gebacken für die Besucher. Darüber hinaus wollte sie ihre Arbeit auch einer größeren Öffentlichkeit vorstellen.
„Das sind alles kleine Schritte auf dem Weg zum großen Ziel“, erklärt Silvia Nöth. Und das heißt für sie: in Münnerstadt einen festen lokalen Teilhabekreis aufbauen. Darin sollen sich Menschen mit und ohne Behinderung treffen, um die Interessen von Benachteiligten in der Gemeinde zu vertreten. Damit sich auch die anderen Wohngruppen-Betreute genauso freuen können wie Rainer. Denn der kann das Ende der Ferien kaum mehr abwarten. Am Dienstag trifft er sich schließlich wieder mit seinen Freunden von den Bogenschützen.
Interesse am Lokalen Teilhabekreis? Info bei Silvia Nöth, Tel. (09733) 4169.