„Ein Fleckchen Land, das selber du errungen, gilt mehr als eine dir geschenkte Welt!“, steht am Eingang zur Hansen-Mühle in Frankenheim bei Bischofsheim. Besitzerin Lilly Balling hat mit der Mühle gerungen. „Uralt und windschief“ war sie, als die Ballings 1958 einzogen, einen gut gehenden Landgasthof mit 30 Gästebetten will sie nun seit einem Jahr verkaufen. Interessenten gibt es jedoch bislang nicht. Nicht jeder, ist Lilly Balling überzeugt, teile heute noch die Philosophie vom arbeitsamen Leben.
„Nirgendwo kriegt man was geschenkt, man muss was leisten dafür“, sagt sie. Eine Familie, so ihre Vorstellung, bräuchte die Hansen-Mühle als Käufer. „Er auf Arbeit, sie führt den Gasthof, Kinder, die mit reinwachsen.“ Dass das schwer zu finden ist, weiß sie. „Ich habe ja auch keinen, der das übernimmt.“ Vier Kinder und zehn Enkel hat Lilly Balling. „Ich will's net, verkauf's und verleb' dein Geld“, sagen die.
„Sie sind kein bisschen älter geworden“, beteuern die Stammgäste. „Wann soll ich denn alt werden?“, fragt Lilly Balling dann, „am Tag arbeite ich, in der Nacht schlafe ich“. Irgendwie muss es dennoch passiert sein: „Das Arbeiten macht mir zwar nach wie vor Spaß“, sagt sie und sitzt zwischen einigen Wurzelseppen in ihrer rustikalen Speisegaststätte, aber: „Ich hab' die Kraft nimmer, den Gasthof weiter zu führen.“
110 Sitzplätze haben Gast- und Nebenraum. Kochen tut Lilly Balling selbst. Gutbürgerlich, Rhönforellen sind ihre Spezialitäten. Zur Hand gehen ihr ihre beiden Töchter. Der Koch, den sie einst beschäftigte, habe sich irgendwann nicht mehr gelohnt. Viele würden heute Urlaub im Ausland machen.
Alle haben dasselbe Problem
Das Haus sei zu durchschnittlich 60 Prozent belegt. Natürlich hauptsächlich am Wochenende und im Sommerhalbjahr. „Hier schlafen Sie ruhig“, wirbt Lilly Balling auf Holztafeln für das Schlummererlebnis. Neben dem Gasthaus unterhält sie 30 Gästebetten, alle mit Dusche und WC ausgestattet.
Beim Wirte-Stammtisch, erzählt sie, hätten kürzlich alle dasselbe Problem angesprochen: „Wir brauchen in der Gegend dringend junge Leute, die bereit und fähig sind zu kellnern.“ Junge Leute fehlten auch schon 1958 in der Hansen-Mühle. Damals hatte Lillys Vater sie gebeten, mit Ehemann Hans und den beiden Kindern von Heufurt nach Frankenheim zu kommen und Leben in die – nach dem Tode des Großvaters – leer stehende Mühle zu bringen. „Gut gehen wir hin, machen wir was draus“, hat das Ehepaar damals gesagt.
Erstmals urkundlich erwähnt worden war das Anwesen 1553 im Zusammenhang mit einem Hansen Braungart. Von 1701 bis 1956 wurde der Betrieb als Mühle, Bäckerei und Landwirtschaft geführt. Etwas, das für Lilly Balling und ihren Mann nicht in Frage kam. Zunächst richteten sie ein Lebensmittelgeschäft ein, 1970 rissen sie Stallungen, Bäckerei und Mühle ab und bauten an deren Stelle den jetzigen Gasthof im Stil eines fränkischen Fachwerkhauses.
90 Prozent der Gäste, die im ersten Jahr per Zufall in der Hansen-Mühle landeten – damals gab es die Umgehungsstraße noch nicht – seien so zufrieden gewesen, das sie regelmäßig wiederkamen, berichtet Lilly Balling über die Anfänge.
Schwer wurde es, als Hans Balling 1973 bei einem Unfall starb. „Von da an mussten alle zusammen helfen“, erzählt die Besitzerin. Die älteste Tochter Michaela sei gerade 16 Jahre alt gewesen, als sie voll im Betrieb eingesetzt wurde.
Es ging, irgendwie. Viele Freundschaften mit Stammgästen hätten sich über die Jahre entwickelt. Manch einer von ihnen hat die Rhön anfangs für einen Fluss gehalten. „Nach dem Urlaub sind sie alle begeistert gewesen“, sagt Lilly Balling. Nicht nur von der Landschaft, auch von Ballings Zwetschgenkuchen. „Für das Geld, das Sie hierlassen, sollen Sie ja auch was mitnehmen“, pflegte Lilly Balling dann zu sagen, „und wenn's ein paar Kilo mehr sind.“
Seit einem Jahr im Internet
Vor einem Jahr hat die rüstige Dame entschieden zu verkaufen und das Haus vom Immobilienmakler ins Internet stellen lassen. Der Preis, sagt sie, sei Verhandlungssache. „Ich brauche das Geld nicht sofort.“ Sie könne sich durchaus vorstellen, dass der Betrag auf Rentenbasis ausgezahlt werde.
Bis sich ein Käufer findet, will sie weitermachen wie bisher. „Fleh' nicht, dass Gott dein Glück im Schlaf dir sende, Fleh', dass zum Schaffen er die Kraft erhält!“, heißt es auf dem Schild im Eingang. „So lange ich die Kraft hab, mach ich das“, sagt Lilly Balling.