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BAD NEUSTADT: Leben an und mit der Grenze

BAD NEUSTADT

Leben an und mit der Grenze

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    Überbleibsel einer unmenschlichen Grenze: Der Rammbock steht noch im Grenzmuseum am ehemaligen Übergang zwischen Eußenhausen und Henneberg.
    Überbleibsel einer unmenschlichen Grenze: Der Rammbock steht noch im Grenzmuseum am ehemaligen Übergang zwischen Eußenhausen und Henneberg. Foto: Foto: Stefan Kritzer

    Aufgewachsen ist Reinhold Albert nur wenige hundert Meter entfernt von den ehemaligen Grenzanlagen. Gearbeitet hat er jahrelang als Grenzpolizist und konte schließlich beinahe ungläubig im Herbst 1989 mit anschauen, wie die Grenze fiel.

    Später als Kreisheimat- und Archivpfleger hat Albert seine Erlebnisse dokumentiert, hat Fotos gesammelt und Bücher geschrieben. Keiner weiß heute mehr über die Geschichte der innerdeutschen Grenze im Bereich von Rhön und Grabfeld auf der einen, und der thüringischen um Hildburghausen und Meiningen auf der anderen Seite. Im Bildhäuser Hof hat Reinhold Albert 25 Jahre nach der Grenzöffnung einen beeindruckenden Vortrag gehalten und dabei Fakten der Geschichte mit persönlichen Erlebnissen vermengt.

    Es dürfte nur wenige Menschen im weiten Umkreis geben, die zum Thema innerdeutsche Grenze mehr Erfahrung gewonnen und mehr Forschung betrieben haben, als Reinhold Albert. Der Kreisheimatpfleger aus Sternberg im Grabfeld hat mehrere Bücher über die Grenze geschrieben und sammelt bis heute Archivmaterial und Fotos einer unmenschlichen Grenzanlage, von der heute nur noch Reste zu sehen sind.

    Wie er selbst bedauert: „So 400 oder 500 Meter hätte man einfach stehen lassen müssen“, beklagt er sich. Schließlich sind mehr als 1300 Kilometer innerdeutsche Grenze heute zumeist kaum noch in der Landschaft zu entdecken. Das Gras wächst über die einstige innerdeutsche Grenze, und damit es das nicht auch in den Köpfen der Deutschen tut, erinnert Reinhold Albert immer wieder daran, was für Jahrzehnte Realität im geteilten Deutschland war und was vor 25 Jahren überraschend schnell endete.

    Ein Blick in die Geschichtsbücher lehrt, dass die Siegermächte schon während des Zweiten Weltkrieges die Aufteilung Deutschlands beschlossen hatten. Was nach Kriegsende auch flott umgesetzt wurde. In den ersten Jahren wussten zwar nur wenige Menschen, wo genau die innerdeutsche und damals neue Grenze verlief, spätestens ab 1952 schuf die DDR mit der Errichtung des ersten Zaunes Stacheldraht-Tatsachen.

    Ob dieser mitten durch Dörfer und Weiler führte, war egal. Zur Not wurde zwangsumgesiedelt, ein Unrecht, das Reinhold Albert besonders hervorhebt. „Allein im Bezirk Suhl wurden 44 Weiler und Dörfer evakuiert“, so Albert. Vom einstigen Ort Billmuthausen mit seinen 80 Einwohnern existiert heute nur noch der Friedhof. Doch was die DDR verhindern wollte, nämlich die massenhafte Abwanderung ihrer Bürger, das trat in den Folgejahren erst recht in Erscheinung. Also musste die Grenze noch sicherer und damit unmenschlicher gemacht werden.

    Selbstschussautomaten und Plastikminen sind ein Teil der immer dichter werdenden Grenze. Als Kind hörte Reinhold Albert hin und wieder nachts die Explosion einer Mine, wenn ein wildes Tier versehentlich damit in Berührung kam.

    Albert nennt beim Zeigen der Fotos von der Grenzanlage auch immer wieder die dafür entstandenen Kosten. „Von diesem Zaun hat ein Kilometer mehr als eine Million Mark gekostet“, weiß er heute aus seiner Archivarbeit. „Wenn man das hochrechnet, was die Grenze gekostet hat, dann ist es kein Wunder, dass die DDR pleite gegangen ist“, sagt er. Auch Botengänge von Spionen hat Albert dokumentiert, weiß genau, dass in Mellrichstadt, Königshofen und in Bad Neustadt Spione alles aufgeschrieben und fotografiert und in die DDR geliefert haben. „Die haben alles gewusst“, ist er überzeugt. „Von den Gleichbergen aus wurden Telefonate bis ins Rhein-Main-Gebiet abgehört“, so Albert.

    Reinhold Albert ist mit der Grenze aufgewachsen, hat später als Polizist von seiner Dienststelle in Maroldsweisach an der Grenze gearbeitet. Für ihn war die Teilung Deutschlands Fakt, und, wie er heute bekennt, war es bis 1989 undenkbar, dass sich daran mal etwas ändert. „Ich dachte immer, dass noch meine Enkel die Grenze erleben werden“, sagte er aus seiner persönlichen Erinnerung heraus.

    Die eigentliche Grenzöffnung hat Reinhold Albert schließlich nur durch Zufall mitbekommen. Beim vormittäglichen Einkaufen am 10. November 1989 bemerkte er gemeinsam mit seiner Frau Marianne zahlreiche DDR-Bürger im Bad Neustädter Supermarkt. Von ihnen erfuhr er, was er heute nach der Geburt seiner drei Kinder als den schönsten Tag in seinem Leben bezeichnet: „Die Grenze ist offen!“

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