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MEININGEN: Leise Worte abseits der Kampfplätze

MEININGEN

Leise Worte abseits der Kampfplätze

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    Das sähe nämlich heutzutage fast so aus als befänden wir uns in der Abschlussphase eines gruppendynamischen Seminars der Inneren Mission. Würde es denn so sein, dann müsste sich Regisseur Thomas Lange fragen lassen: Kennen Sie denn nicht Salome und Elektra? Wollen Sie nicht davon erzählen, wie unversöhnlich und unversöhnt auch 250 Jahre nach Lessing und 800 Jahre nach den Kreuzzügen in Palästina und anderswo gestorben wird?

    Vernagelte Tempelherren aller Art allerorten. Geistesfreiheit und Toleranz (die mehr ist als nur Duldung) weit entfernt. Wollen Sie Lessings meisterhafte und vor allem zeitlose Parabel von der Versöhnung der großen Weltreligionen wirklich so enden lassen: „allseitige Umarmungen, fallender Vorhang“

    600 kleine Friedensbotschafter

    Vielleicht in der Hoffnung, es strömten danach 600 kleine Friedensbotschafter hinaus in die Meininger Nacht, um am nächsten Morgen jedem Glaubensfanatiker und Stammtischstrategen freundlichst, aber unmissverständlich mitzuteilen: „So nicht, mein Bruder!‘“ – Keine Sorge. So endet die Geschichte nicht. Sie endet auch nicht mit dem Bekenntnis des von der Kunst bereits mehrfach erhobenen Volkes: „Wir wissen Bescheid. Warum zeigt ihr das Stück nicht im Gazastreifen oder im Westjordanland oder unseretwegen auch in Vatikanstadt?“

    Nein, Thomas Lange inszeniert die Geschichte leise, fast zurückhaltend und keineswegs missionseifrig. Er lässt etwas geschehen, abseits der Kampfplätze, abseits des Medienrummels. Die Geschichte entsteht vor einer symbolischen Jerusalem-Kulisse von Helge Ullmann, die die Menschen nicht erdrückt. Eine Palme rechts, eine veränderbare, provisorisch weiß übertünchte hohe Mauer quer über die Szene. Eine Bruchstelle, die sich öffnen oder schließen lässt, je nach der Offenheit des Ortes und des Augenblicks.

    Davor zeigt der Regisseur Menschen und nicht Träger hehrer Ideen. Und seine Schauspieler halten sich an diese Vorgaben. Beeindruckend sanftmütig Hans-Joachim Rodewald als weiser Nathan – unaufgeregt, bescheiden und empfindsam. Ja, auch ängstlich, verunsichert, ob denn die berühmte Ringparabel Verstand und Gemüt des Sultans Saladin gleichermaßen erreicht. Saladin Michael Jeske gibt sich weit friedfertiger und nachdenklicher als seine Ehrfurcht erheischende Kara-Ben-Nemsi-Gestalt erwarten lässt. Benjamin Krüger als junger Tempelherr: ungestüm, aufbrausend, manchmal ein bisschen zu theatralisch, hin- und hergerissen zwischen Eifer und Einsicht. Auch sein Charakter ist am überzeugendsten in den leisen Zweifeln und nicht in der lautstarken Empörung.

    Ungekünstelt

    Felicitas Breest als Recha, Nathans angenommene Tochter: allerliebst, ganz „Zögling“ des weisen Juden. Und Marianne Thielmann als Christin Daja: zugleich ernst und komisch im Gebaren, ihren Glauben zu leben ohne anzuecken. Die anderen Darsteller, Eva Kammigan (Sittah), Roman Weltzien (Derwisch), Matthias Herold (Klosterbruder) und Max Reimann (Patriarch) erfreulich ungekünstelt in ihren Charakteren.

    Der erschütterndste Moment der Geschichte und der Inszenierung ist und bleibt der Auftritt des jungen Tempelherrn vor dem Patriarchen. Der Machthaber oben, der Fragende, einem Häuflein Elend gleich, unter ihm, und des Patriarchen unbeugsame Worte wie in Stein gemeißelt: „TUT NICHTS. DER JUDE WIRD VERBRANNT.“

    Die Worte hallen im Stakkato durch die Zeiten, fliegen in die Köpfe der Menschen. Lassen die Seelen zu Eis erstarren. Töten jede Hoffnung auf Verständigung oder gar auf Versöhnung. Der Jude wird verbrannt. Der Christ. Der Muslim. Wie oft geschehen in diesem Weltenrund?

    Welche Anmaßung! Welche Perversion eines Gottesbegriffes, in dem sich universale Güte und Gleichheit der Menschen aufgehoben wähnen. Wir wissen nach Thomas Langes Interpretation der Geschichte, dass diese Menschlichkeit immer existierte, selbst in größter Not und aus größter Verzweiflung. Wir wissen, dass Nathan keine abstrakte Figur ist, sondern sich in ungezählten Menschen wiederfindet, die in den Krisengebieten dieser Welt leben und leiden und arbeiten. Wir wissen aber auch, dass ihr Werk immer wieder bedroht, wenn nicht sogar zunichte gemacht wird. Dann, wenn die Tempelherren jeglicher Couleur am Horizont erscheinen. Das ist der letzte Satz. Großer Beifall. Der Vorhang fällt.

    Nächste Vorstellungen: 21. Februar, 19.30 Uhr; 24. Februar, 19 Uhr; 2. März, 15 Uhr, und 28. März, 19.30 Uhr. Kartentelefon: Tel. (3 69 3) 45 12 22 oder 45 11 37 www.das-meininger-theater.de

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