Der 19. Oktober 1952 war ein großer Festtag in Modlos. Bischof Julius Döpfner weihte die neu gebaute Kirche. Bei all der vielen Arbeit für den Kirchenbau und in der ganzen Aufregung für die Einweihung hätte man beinahe den Küsterdienst für den Festtag vergessen. So bereitete Alexander Klug, der ein bisschen Erfahrung als Küster vom Staatsbad mitbrachte, alles Nötige in der Sakristei vor. Für den darauf folgenden Sonntag bestellte er den damals 23- jährigen Ludwig Schneider in die Sakristei und zeigte ihm im Schnellverfahren, was alles für einen Gottesdienst vorzubereiten ist.
Alexander Klug hat sich von diesem Tag an nicht mehr in der Sakristei sehen lassen, und Ludwig Schneider hatte damit die Aufgaben eines Küster übernommen, ohne direkten amtlichen Auftrag – weder durch die Kirchenverwaltung noch durch den Pfarrer oder Kaplan und ohne die geringste Ausbildung.
Ludwig Schneider hatte keine Erfahrung als Küster und musste sich alles Nötige selbst beibringen. Dass dies gut gelungen ist, zeigt seine lange Dienstzeit. Im Herbst werden es 56 Jahre seit der Kircheneinweihung sein. Mehr als die Hälfte eines Lebensalters, mehr als die Hälfte seines Lebens.
Wollte er ein Buch über seine Erfahrungen schreiben, dann wäre der Titel „Ein Leben als Küster“. Das sah so aus: Seit dem 18. Lebensjahr versah Schneider den Läutedienst an der Glocke am Schulhof. Ab 1950 half er beim Kirchenbau mit. Er musste Sandsteine schleppen und abends Sand mahlen. Ab 1952 übernahm er den Küsterdienst mit allen Verpflichtungen.
Ludwig Schneider hat in seiner Dienstzeit als Küster die Pfarrer Goßmann, Kaiser, Haas, Hirtz und zuletzt Armin Haas erlebt. In dieser Zeit waren außerdem 15 Kapläne, die Pfarradministratoren Pater Gregor und Zarosa, unzählige Aushilfen aus Fulda, Münnerstadt, Würzburg, mehrere Pastoralreferenten und Gemeindeassistenten, Wortgottesdienstleiter und sicher mehrere hundert Ministranten in der Kirche aktiv. Auch alle amtierenden Bischöfe und Weihbischöfe seit 1952 waren während Schneiders Küsterzeit in Modlos zu Besuch. Bei allen Kirchenrenovierungen war er beteiligt. Besonders bei der großen Außen- und Innenrenovierung 1991 und 1992 war Schneider stets ein gefragter Helfer. Auch als Küster musste er in dieser Zeit umorganisieren und sich wöchentlich auf andere Situationen einstellen: Der Gottesdienst fand fast ein Jahr lang in der MSV-Sporthalle statt. Die Umkleidekabine der Fußballer wurde kurzerhand zur Sakristei umfunktioniert. Da Improvisation gefragt war.
Bei der feierlichen Weihe des neuen Altars am 15. November 1992 wurde Schneider von Weihbischof Bauer mit der höchsten Auszeichnung des Bistums Würzburg, der St.-Bruno-Medaille, für damals 40 Jahre Küsterdienst geehrt. Außerdem erhielt er die Messnernadel in Silber. Von 1977 bis 1988 arbeitete Schneider zudem in der Kirchenverwaltung mit. Eine große Erleichterung war der Einbau der elektrischen Heizung 1991. Jetzt musste er in der Sakristei nicht mehr mit Holz einschüren. Komfortabel war ab 1964 ein automatisches Läutwerk für das dreimalige Tagesgeläut. So brauchte Schneider nicht mehr drei- bis viermal am Tag den 600 Meter langen Weg zur Kirche zurücklegen. Zu den Gottesdiensten jedoch waren die Läutegänge weiterhin genau nach den festgelegten Läutezeiten notwendig. Das erübrigte sich erst mit Einbau einer digitalen, programmierbaren Läutwerksteuerung 1992.
Kleine und manchmal auch größere Probleme, Missverständnisse und Meinungsverschiedenheiten, technische Störungen, Glocken, die nicht oder falsch läuteten, zu spät oder gar nicht kommende Priester, fehlende Ministranten, schlechtes Wetter bei Außeneinsätzen wie Prozessionen oder Beerdigungen – Schneider hat in seiner Zeit als Küster vieles erlebt. Große Anpassungsfähigkeit war beim ständigen Wechsel der geistlichen Herren in besonderer Weise gefordert. „Jeder Neue hatte so seine individuellen Eigenheiten“, erinnert sich der Küster. Der eine sei mitteilsam, der andere einsilbig gewesen. Mal musste das Kreuz dahin, mal dorthin, der Betschemel hier stehen und der Blumenstock dort. Und so ging es in einem fort: Der eine wollte viel Wein, der andere lieber wenig. Dem einen war der Tabernakel zu feucht und der Altarraum zu kalt oder der Lautsprecher zu laut und die Beleuchtung zu grell.
Ähnlich verhielt es sich mit den Kirchgängern. Dem einen war die Kirche zu kalt, dem andern zu warm, selbst die Länge des Gottesdienstes schien für so manchen Kirchenbesucher Küstersache zu sein. Doch auch viele erfreuliche und humorvolle Vorkommnisse habe es gegeben.
So erinnert sich Schneider an einen Ministranten, der seinen Rock falsch herum angezogen habe. Ein anderer habe diesen fast an den Altarstufen verloren, weil der Hosenträger kaputt war. Einmal habe sich eine Schwalbe im Kirchenschiff verirrt und ein Kaplan sei nicht rechtzeitig zum Gottesdienst gekommen, weil er vom Motorrad gefallen war. Ein andermal hatte ein Kaplan verschlafen und einmal soll ein Geistlicher sogar im Beichtstuhl eingenickt sein.
Ludwig Schneider hat in seiner 56-jährigen Zeit als Küster viel erlebt und viel geleistet. Dafür dankte ihm bei der Verabschiedung durch Pfarrer Armin Haas die gesamte Kirchengemeinde, die ihm zu Ehren „Sing mit mir ein Halleluja“ anstimmte.