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BAD BRÜCKENAU: „Man kann auch feiern, ohne zu saufen“

BAD BRÜCKENAU

„Man kann auch feiern, ohne zu saufen“

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    „Feiern ohne zu saufen“: Ein Workshop der „My way Betty Ford Klinik“ soll Jugendliche über die Gefahren des Alkohols informieren.
    „Feiern ohne zu saufen“: Ein Workshop der „My way Betty Ford Klinik“ soll Jugendliche über die Gefahren des Alkohols informieren. Foto: FOTO Freeway 366

    „Es gibt einen deutlichen Trend bei Jugendlichen, möglichst schnell zum Rausch zu kommen“, sagt Klaus-Dirk Kampz. Er warnt Jugendliche vor den Gefahren des Alkohol- und Drogenmissbrauchs. In den vergangenen Jahren habe gezieltes exzessives Trinken zugenommen, eine neue besorgniserregende Dimension sei erkennbar.

    Für das „Warum“ sieht der Experte mehrere Gründe. In erster Linie, sagt Kampz, handle es sich um ein gesellschaftliches Problem, denn heutzutage müsse alles „besonders schnell“ gehen. Egal ob in der Schule, im Beruf, in der Freizeit oder auch im Beziehungsleben. Die neuen Medien hätten maßgeblich zu dieser Schnelllebigkeit beigetragen. „Es entsteht schon bei Jugendlichen ein Leistungsdruck, dem viele nicht standhalten können.“ Früher, nennt er ein Beispiel, habe man sich das Flirten noch erarbeiten müssen, „heute hat man mit einem Mausklick eine Verabredung.“ Stabile Familienverbündnisse werden weniger, und ein stabiles Wertesystem fehlt: „Das fördert Unsicherheit und ein vermindertes Selbstwertgefühl.“

    Genau auf diese Problematik wollen Sozialpädagogen der Suchtklinik die Jugendlichen bei einem Workshop in der Georgi-Halle am 3. Oktober aufmerksam machen. Und zwar nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern mit praktischen Beispielen und Diskussionsrunden. So werden die Jugendlichen sicherlich erfahren, dass es sechs Kriterien für Abhängigkeit gibt, „wenn drei davon erfüllt sind, liegt eine Sucht vor“, erklärt Kampz. Etwa 70 Schüler im Alter zwischen zwölf und 13 Jahren haben sich angekündigt. „Das ist genau das Alter, in welchem die Gefährdung durch Alkohol verstärkt beginnt“, so der Klinikgründer. „Man kann auch feiern, ohne zu saufen“, ist seine deutliche Aussage.

    Bei der Stadt Bad Brückenau ist man erfreut, dass die Suchtklinik, die sich sonst in der Öffentlichkeit bewusst im Hintergrund hält, bei „Meine Gesundheitsstadt“ mitwirkt. Mitorganisatorin Karin Bauer von der Touristikinformation betont, wie wichtig dieses Engagement für Jugendliche ist.

    Falscher Umgang mit Alkohol

    Die heutige Zeit verkürze Prozesse auf jeder Ebene, so auch beim Trinken, erklärt Kampz weiter. Psychosomatische Krankheiten und Suchterkrankungen seien auf dem Vormarsch. Dies zeigten auch die alarmierenden Zahlen der Weltgesundheitsorganisation (WHO).

    Beim Alkoholkonsum besonders gefährdet seien Jugendliche, deren Eltern Alkoholiker sind, erklärt der 54-Jährige. Das Risiko liege hier sogar um das Sechs- bis Zehnfache höher. „Sie bekommen den falschen Umgang mit dem Alkohol zuhause vorgelebt“, so Kampz. Viele Kinder lebten mit Schuldgefühlen und müssten – beispielsweise bei der Betreuung von kleinen Geschwistern – Rollen übernehmen, die nicht altersgemäß seien.

    Um dagegen anzugehen hat Kampz im vergangenen Februar im westfälischen Soest einen Ableger der „My Way Betty Ford Klinik“, eine Wohngruppe für Alkoholiker-Kinder, mit dem Namen „Freeway 366“ eröffnet. „Dort sind Jugendliche untergebracht, die unter der Alkoholkrankheit ihrer Eltern leiden.“ Der Name stehe für Freiheit ohne Drogen an den 366 Tagen eines Schaltjahres.

    Selbstbewusst ohne Drogen

    Innerhalb von sechs bis 24 Monaten sollen die Kinder dort ein normales Leben kennen lernen und selbstbewusster werden. „Wer selbstbewusst ist, kann sich selbst für ein Leben ohne Drogen entscheiden.” Die Kosten richten sich nach dem üblichen Tagesatz, den Jugendämter übernehmen. Voraussetzung ist, dass die Eltern suchtbedingt nicht in der Lage sind, ihren Erziehungsauftrag zu erfüllen, sagt der Klinikgründer.

    Da das Projekt gut angelaufen ist, ist Kampz momentan auf der Suche nach weiterem Raum für Jugendliche: „Da ist natürlich der ländliche Raum gefragter als der städtische.“ Ausschließen möchte er nicht, dass in der Umgegend von Bad Brückenau eine solche Wohngruppe entstehen könnte. Aber: „Es gibt bisher nichts Konkretes.“

    Daten & Fakten

    „My way Betty Ford Klinik“

    Die Suchtklinik ist nach der Frau eines früheren US-Präsidenten benannt. Ihren Namen trägt auch eine Klinik in Kalifornien, die Suchtkranken aus ihrer Alkohol-, Medikamenten- oder Rauschgiftabhängigkeit hilft. Ziel: die dauerhafte Abstinenz. Der Träger der Klinik in Bad Brückenau ist eine eigens gegründete Gesellschaft mit neun Gesellschaftern. In der Klinik arbeiten derzeit sieben Ärzte, sieben Psychologen und sieben Krankenschwestern/Pfleger. 1300 Menschen mit Suchtverhalten wurden seit der Gründung Anfang 2006 behandelt. Darunter auch viele Prominente. Die Klinik bietet auch Präventiv-Seminare für Schüler, Lehrer und Eltern an. Kontakt: Klaus-Dirk Kampz, Tel. (01 80) 5 57 47 55. Mehr Infos unter www.mywaybettyford.de und www.freeway366.de

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