60 Jahre sind seitdem vergangen, aber das Friseurgeschäft hat den Wandel der Zeiten, der Frisurenmode und die Generationen überlebt und allen Grund auf die lange Familientradition stolz zu sein.
Als Herrenfriseur machte sich Michael Hartl, den der Krieg aus Deggendorf an die Saale geführt hatte, ans Werk und widmete sich zunächst neben dem Haareschneiden der Bartpflege und Nassrasur. Bereits nach zwei Jahren zog er mit einem Damen- und Herrensalon nach schräg gegenüber. Weil es damals noch keine Drogeriemärkte gab, bot der Verkaufsraum des Salons Haarpflegemittel und das komplette Sortiment einer Parfümerie an.
1956 legte Michael Hartl seine Meisterprüfung ab, 1971 tat es ihm seine Tochter Maria gleich. Sie war damals die jüngste Friseurmeisterin Deutschlands, weil sie mit einer Ausnahmegenehmigung vorzeitig zur Prüfung zugelassen wurde. Aufgrund einer Kriegsverletzung hatte sich ihr Vater um den Erhalt des Geschäfts gesorgt, konnte dann aber noch bis 1984 seinem Handwerk nachgehen.
Nicht ganz leicht war der Start für den 'neig'schmeckten Hartl gewesen, da wirkte es sich doch sehr vorteilhaft aus, dass seine Frau Anna echte Neuschterin war und die Menschen hier kannte. Sie half an vielen Stellen, übernahm beispielsweise das Einseifen und die Buchführung.
Wenn Maria Blümm an den beruflichen Anfang ihrer Eltern denkt, gerät sie ins Schwärmen. "Was waren das für Preise in den 50er Jahren: 35 Pfennig für die Rasur, 75 Pfennig fürs Frisieren, 1 Mark Frisieren mit Haarspray. Damals kamen die Damen ja noch fast täglich, um sich ihre langen Haare zu aufwändigen Frisuren stecken zu lassen. Dauerwelle ließen sie nur zweimal im Jahr machen, zu Ostern und zu Weihnachten. Dann saßen sie in der Schlange, hatten aber ihr Strickzeug dabei."
Ebenfalls an der Tagesordnung war es, dass sich die Damen ihr eigenes Handtuch mitbrachten, manchmal auch die Dinge, mit denen sie ihr Haar behandelt haben wollten: ein Eidotter, damit die Haare schön glänzen, ein Fläschchen Essig oder auch Zitronensaft für einen bestimmten Farbton und mitunter Bier, das den Festiger ersetzte.
Mindestens 25 Lehrlinge hat Michael Hartl im Laufe der Jahre ausgebildet, darunter auch seinen Schwiegersohn Rainer Blümm, der 1966 der einzige Lehrbub war. An der weiblichen Übermacht hat sich nichts geändert, denn als Hartls Enkel Frank Blümm 1985 in den angestammten Beruf einstieg, war auch er weit und breit das einzige männliche Wesen. Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Brigitte Straus komplettiert er das Familienquartett, das seit 1993 in der Neustädter Spitalgasse wirkt.
Dort empfängt die Kunden immer noch dieselbe Kasse, in der schon Michael Hartls erste selbst verdienten Pfennige klimperten. 4000 Euro wurden Rainer Blümm schon für die Rarität am Tresen geboten. Aber sie bleibt, wo sie ist, denn sie könnte so viel erzählen . . .