Jetzt hat er also neben dem Kabarettkaktus, der Krefelder Krähe, dem Stuttgarter Besen, dem Publikumspreis des Rostocker Koggenziehers und ein paar anderen Pokalen auch noch den Thüringer Kleinkunstpreis 2014 – einen Georg II.-Charakterkopf mit Knollennase und die für einen deutschen Kabarettpreis nicht geringe Summe von 5555,55 Euro: der jonglierende Kabarettist Timo Wopp.
Die Ehrung wurde dem 35-Jährigen im Rahmen der 23. Meininger Kleinkunsttage vergangenen Samstag in den Kammerspielen zuteil. Die Laudatio seines Berliner Kabarettkollegen Sebastian Nitsch war dabei eher ein „Warn Of“ vor der radikalen Rhetorik des Preisträgers als ein „Warm Up“. Wopp bastle, so Nitsch, aus dem Holz der Schubladen, in die das Gewerbe gemeinhin gesteckt werde, Knüppel, mit denen er sein Publikum malträtiere. Das sei durchaus sinnvoll, denn: „Mit einem blauen Auge fokussiert man besser.“ Man brauche sich also nicht zu wundern, wenn man sich am Ende von Timo Wopp manipuliert fühle und – zurück in der Realität – nur noch kundtun wolle: „Das ist ja ein Arsch!“
In der Tat ist Timo Wopp – der einst BWL studierte und zeitgleich seine Leidenschaft fürs Jonglieren und fürs Kabarett entdeckte – ein großartiger Manipulator. Er mimt in seinem Programm „Passion“ (mit dem er seit vier Jahren unterwegs ist) einen neoliberalen Coach, dessen Klientel normalerweise die Creme de la Creme der deutschen Führungskräfte ist und der sich – wie er betont – nur ausnahmsweise aufs Niveau von „Sachbearbeitern“ herablasse. Und dem Meininger Sachbearbeiterpublikum heizt er kräftig mit einer rhetorischen und haptischen Turbo-Powerpoint-Präsentation ein, mit Zuckerbrot, Peitsche, Kugeln, Keulen und Streichhölzern. Sein Ziel, neudeutsch ausgedrückt: mit asozialer Kompetenz zum Success, soll heißen: zur Work-Life-Balance mit optimaler Nutzung des Humankapitals.
Timo Wopp zieht dabei in atemberaubendem Tempo alle Register des Aberwitzes und offenbart in jedem zweiten Satz den blanken Zynismus, die Überheblichkeit, Selbstverliebtheit und Kaltschnäuzigkeit, die in diesem Milieu herrschen. Wenn da nicht seine faszinierende Jonglierkunst wäre, mit der er seine Thesen verstärkt und gleichzeitig konterkariert – man wäre als Zuschauer nach 90 Minuten tatsächlich völlig geplättet. So aber kann man immerhin erwägen, am Montag eine Dose Seifenblasenschaum mit ins Büro zu nehmen, um den Arbeitsalltag spannender zu gestalten. Ob man allerdings den Mumm hat, dazu zu tanzen und Chefs und Kollegen Grimassen zu schneiden, darf bezweifelt werden. Dieser Akt bleibt den wahrhaftigen Clowns vorbehalten. Timo Wopp ist einer davon. Zumindest auf der Bühne.
Das weitere Programm der Meininger Kleinkunsttage im September: Christine Prayon (13.), Qeenz of Piano (14.), Christoph Sieber (16.), Roman Weltzien (19.), Gernot Hassknecht (20.), Uli Masuth (21.) und als Nachspiel, am 16. November, Hagen Rether. Weitere Infos dazu im Internet: www.meininger-kleinkunsttage.de, Tel. (0 36 93) 45 46 51.