Während nach der Wende viele Bürgerinnen und Bürger Ostdeutschland den Rücken kehrten und in die alten Bundesländer übersiedelten, war es bei Familie Bauer genau umgekehrt: Im Herbst 1990 siedelte sie aus dem oberpfälzischen Waldsassen in das 160 Kilometer entfernte südthüringische Streufdorf über. „Wir sehen uns nicht als Auswanderer, sondern als Heimkehrer!“, erzählt Senior Martin Bauer.
Er wurde 1939 in Streufdorf geboren. Seine Eltern bewirtschafteten dort einen landwirtschaftlichen Betrieb. 1952 wurde die Familie durch die Machthaber im DDR-Regime von ihrem Hof vertrieben. Denn Grundbesitz und Landwirtschaft in Privatregie passten nicht in den sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaat. Nach mehreren Zwischenstationen fand die Familie 1956 in der Nähe von Kulmbach ein neues Zuhause. Doch schon bald wurde der Wunsch wach, wieder selbst Landwirtschaft betreiben zu können.
Allerdings war die Realisierung nicht einfach. 1959 pachteten die Bauers schließlich einen landwirtschaftlichen Betrieb bei Kulmbach. Auf dem 24 Hektar großen Hof starteten die Bauers mit Landwirtschaft in Eigenregie.
Gelegenheit beim Schopf gepackt
Sie arbeiteten sich ständig nach oben. 1962 ergab sich die Möglichkeit, einen 70-Hektar-Hof zu pachten. Diese Gelegenheit packten sie beim Schopfe.
Nach weiteren zehn Jahren übernahm die Familie einen Kloster-Gutsbetrieb mit 130 Hektar Fläche in Waldsassen unweit der deutsch-tschechischen Grenze. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs war es Martin Bauer im Spätherbst 1989 erstmalig wieder möglich, in seinen Geburtsort Streufdorf südlich der Kreisstadt Hildburghausen zurückzukehren. Dort konnte er Ackerflächen anpachten. „Im Herbst 1990 haben wir zum ersten Mal wieder in Streufdorf 70 Hektar bearbeitet und Wintergetreide ausgesät“, erinnert sich Seniorchef Martin Bauer. 1991 errichtete er eine Maschinenhalle. Es folgten zwei weitere Hallen und der Bau eines Wohnhauses.
Diese Arbeiten wurden fast alle in Eigenleistung erbracht. Nach und nach entstand eine große moderne Vierseit-Hofstelle. In dem 1600 Einwohner zählenden Streufdorf war die Familie Bauer schnell wieder integriert. „Wir haben uns nie als Außenseiter oder Fremde gefühlt“, erzählt Martin Bauer. Ältere im Ort kannten ihn noch aus seiner Schulzeit. Sohn Matthias Bauer bringt es so auf den Punkt: „Wir haben uns von Anfang an engagiert, aber nicht eingeschleimt.“
Schnell zwei Ehrenämter
Und so kommt es sicher auch nicht von ungefähr, dass Matthias Bauer mittlerweile zwei Ehrenämter inne hat. Seit 2001 bringt er sich im Kirchenrat mit ein. 2003 wurde er in den Gemeinderat von Streufdorf gewählt. Den landwirtschaftlichen Betrieb haben die Bauers mittlerweile auf 270 Hektar Ackerfläche aufgestockt. Martin Bauer räumt ein, dass es in dieser Hinsicht auch Spannungen gab. Schließlich sei man auf dem Markt für Ackerland als Konkurrent zur örtlichen Agrargenossenschaft aufgetreten. Trotzdem herrsche ein ordentliches Miteinander. Matthias Bauer: „Wir respektieren uns gegenseitig!“
Bis vor drei Jahren haben die Bauers noch ihren Pachtbetrieb im oberpfälzischen Waldsassen von Streufdorf aus mit bewirtschaftet. In dieser Zeit hatten sie sich um 400 Hektar Ackerfläche kümmern müssen. Auf Dauer erschien dies nicht machbar. Schließlich liegen 160 Kilometer zwischen den beiden Höfen. Sie konzentrierten sich in Streufdorf auf das Eigene. Im Laufe der Jahre erwarben sie 127 Hektar Ackerland, bei den restlichen knapp 150 Hektar handelt es sich um Pachtflächen. Auf Tierhaltung verzichten sie fast vollständig. Nur um Ausputzgetreide sinnvoll zu verwerten, werden nebenbei 40 Mastschweine gehalten. Den Betrieb führt Matthias Bauer. Unterstützt wird er dabei von Bruder Andreas und Vater Martin. Eine kleine Portion Stolz merkt man Martin Bauer an, wenn er Fremde durch den Hof führt.
Schließlich hat mit viel harter Arbeit, Mut zum Risiko und vorausschauenden Denken in der Heimat etwas Eigenes geschaffen.