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Bad Neustadt: Nach dem Tod von Mahsa Amini protestieren die Menschen im Iran: Sahar H. aus Rhön-Grabfeld bangt um Bekannte im Iran

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Nach dem Tod von Mahsa Amini protestieren die Menschen im Iran: Sahar H. aus Rhön-Grabfeld bangt um Bekannte im Iran

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    In der Innenstadt von Teheran brennen ein Polizeimotorrad und ein Mülleimer während eines Protests gegen den Tod von Mahsa Amini, die von der Sittenpolizei verhaftet worden war.
    In der Innenstadt von Teheran brennen ein Polizeimotorrad und ein Mülleimer während eines Protests gegen den Tod von Mahsa Amini, die von der Sittenpolizei verhaftet worden war. Foto: dpa

    Ein kurzes Kleid, zu lange Fingernägel oder ein schlecht sitzendes Kopftuch können für Frauen im Iran eine Strafe oder sogar den Tod bedeuten. Denn in der islamischen Republik müssen Frauen seit der iranischen Revolution 1979 in der Öffentlichkeit ihre Haare bedecken und ihren Körper mit langer, locker sitzender Kleidung verhüllen.

    Jüngstes Beispiel: Die 22-jährige Mahsa Amini, die wegen eines "unislamischen" Outfits verhaftet wurde und kurz danach aus bisher ungeklärten Gründen starb. Seit dem Tod von Mahsa Amini demonstrieren im Iran und in anderen Ländern viele Menschen für ein Ende des diktatorischen Regimes. Sahar H. stammt aus dem Iran und lebt jetzt in Rhön-Grabfeld. Sie hat selbst erlebt, wie schwierig es dort vor allem für Frauen ist, ihr Leben nach ihren eigenen Vorstellungen zu gestalten.

    Beim Gespräch in der Redaktion ist Sahar H. modisch gekleidet. Sie trägt Lippenstift, dunkelblonde offene Haare – und kein Kopftuch. In ihrem Heimatland Iran wäre es sehr gefährlich, sich so in der Öffentlichkeit zu bewegen. "Egal ob blonde Haare, Nagellack oder ein zu kurzer Mantel: für alles gibt es im Iran Strafen. Warum schreibt mir die Regierung vor, wie ich meinen Körper kleiden, meine Haare tragen soll? Sogar siebenjährige Mädchen müssen ein Kopftuch tragen. Das ist doch verrückt!", sagt die 44-Jährige und schüttelt ungläubig den Kopf.

    Sahar H. (44) stammt aus dem Iran und wurde in ihrer Heimat wegen eines verrutschten Kopftuchs fast verhaftet. Heute lebt sie in Rhön-Grabfeld und ist besorgt über die Lage im Iran.
    Sahar H. (44) stammt aus dem Iran und wurde in ihrer Heimat wegen eines verrutschten Kopftuchs fast verhaftet. Heute lebt sie in Rhön-Grabfeld und ist besorgt über die Lage im Iran. Foto: Gerhard Fischer

    Mahsa Aminis Fall war der Auslöser für die aktuellen Proteste

    Als sie auf die aktuelle Situation im Iran zu sprechen kommt, hört man die Besorgnis in ihrer Stimme, dennoch wirkt sie –zumindest äußerlich – gefasst. Sie verfolge über die Medien die Ereignisse und sei jede Minute traurig über das, was in ihrem Land passiert. "Die Polizei geht sogar in Schulen und tötet Kinder. Jetzt demonstrieren alle in meinem Land für Freiheit und Frieden", sagt H.

    Sie habe große Angst um Bekannte, die noch im Iran leben. Viele von ihnen würden jeden Tag zum Demonstrieren auf die Straße gehen. "Obwohl ich sie bitte, es nicht zu tun, denn es ist lebensgefährlich. Doch sie fragen mich: 'Warum sollen wir zu Hause bleiben, wir wollen doch leben und dafür müssen wir kämpfen'", sagt sie. Eine Chance, in die Europäische Union zu flüchten, hätten ihre Bekannten derzeit nicht, denn Visa seien schwer zu bekommen.

    Sahar H. ist froh, dass ihre Kinder in Deutschland sicher aufwachsen

    Noch vor etwas mehr als vier Jahren war das Leben von Sahar H. und ihrem Mann ein ganz anderes. Das Ehepaar wohnte mit seinen zwei kleinen Kindern in einer wohlhabenden Gegend im Norden von Teheran. Sahar H. und ihr Mann hatten studiert, waren im Job sehr erfolgreich und verdienten gutes Geld. Die Sommerurlaube verbrachte die Familie oft in Deutschland, kannte das Land daher bereits gut. Obwohl die Familie ein privilegiertes Leben führte: Die strengen Regeln belasteten Sahar H., ihren Mann und die beiden Kinder zunehmend. 

    H. erinnert sich, wie sie im Iran einst selbst ins Visier der Sittenpolizei geraten war. "Einen Tag vor unserer Hochzeitsfeier wurden wir im Auto von der Polizei angehalten, weil mein Kopftuch verrutscht war. Mein Mann entschuldigte sich mehrmals und versprach, dass so etwas nie mehr vorkommen wird. Nur weil wir am nächsten Tag heiraten wollten, bekamen wir eine zweite Chance und durften ohne Strafe weiterfahren", erzählt Sahar H. und schüttelt noch heute den Kopf darüber.

    Trotz Schwierigkeiten bereut Sahar H. die Flucht nach Deutschland nicht

    Aufgrund dieser Vorschriften und der anderen Schwierigkeiten mit dem Regime gaben H. und ihr Mann 2018 schweren Herzens ihr altes Leben auf und zogen endgültig nach Deutschland. Obwohl es wegen der schwierigen Jobsuche und anfänglichen Sprachproblemen für sie alles andere als leicht gewesen sei, sich in Deutschland einzuleben, bereut H. die Flucht aus dem Iran nicht. "Jeden Abend sage ich meiner Tochter: 'Danke Gott, dass wir in Deutschland leben. Hier bist du frei und kannst anziehen und tun, was du willst'".

    Die aktuellen Proteste im Iran seien die größten und längsten seit Beginn des strengen Mullah-Regimes vor 43 Jahren. Warum erst jetzt? "Die Menschen wollen keine Diktatur mehr. Die jungen Leute, die Generation nach mir, haben durch das Internet viele Informationen darüber, was in ihrem Land passiert. Sie sind sich darüber bewusst, wie gefährlich die Lage ist. Aber sie sind mutig, wollen Frieden und kämpfen dafür", sagt Sahar H.

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