Interessante Geschichten haben Menschen zu erzählen, die von einer Stadt mitten in die ländliche Idylle gezogen sind. Oft wird über die Landflucht gesprochen und den Zwang, dem Arbeitsplatz hinterherzuziehen, aber es gibt auch die gegenteilige Bewegung. In einer Serie wollen wir Leute vorstellen, die auf dem Land ihre neue Wahlheimat gefunden haben. Wurden ihre Erwartungen erfüllt? Welche Vor- und Nachteile sehen sie aus heutiger Sicht? Wir befragten Dr. Christian Anselm, der von Würzburg nach Bad Königshofen zog.
Frage: Wann sind Sie in den Landkreis Rhön-Grabfeld gezogen, und wie kam es dazu?
Dr. Anselm: Ich bin in Würzburg geboren und aufgewachsen, mein Medizinstudium absolvierte ich in Rostock. Eigentlich wollte ich mich auf Intensivmedizin spezialisieren, aber bei genauerer Betrachtung war das mit acht Jahren Zusatzausbildung und wenig Aussichten, im Umkreis von rund 100 Kilometer um Würzburg einen Arbeitsplatz zu finden, verbunden. Ich entschied mich deshalb für die Allgemeinmedizin und lernte während meiner Tätigkeit im St. Josefs-Krankenhaus in Schweinfurt meine spätere Frau Julia kennen, die den gleichen Berufsweg eingeschlagen hatte wie ich. Sie stammt aus Großbardorf aus der Familie Behr und hatte ihr Abitur im Gymnasium Bad Königshofen abgelegt, wo Dr. Fabian Köth einer ihrer Schulkameraden war.
Ich hatte schon lange den Gedanken mich selbständig zu machen, denn der Klinikdienst mit 50 bis 60 Wochenstunden war sehr aufreibend und wenig familientauglich. Eine Alternative wäre die Mitarbeit in einem MVZ oder einer Gemeinschaftspraxis. Durch meine Frau lernte ich Dr. Fabian Köth kennen und erfuhr, dass sich sein Vater Dr. Roland Köth und dessen langjähriger Praxispartner Dr. Klaus Wehe in absehbarer Zeit zur Ruhe setzen wollen und Nachfolger suchen. Da wir uns gleich gut verstanden, schaute ich mir die Praxis an und arbeite dort mit seit Februar 2017. Dass wir inzwischen einen Sohn haben, die Schwiegereltern in der Nähe sind und wir eine schöne Wohnung fanden, war zusätzliches Glück.
Haben Sie sich schnell eingelebt und Kontakte knüpfen können?
Dr. Anselm: Ich hatte das Glück, vom Team der Praxis sowie durch die Familie meiner Frau sehr gut aufgenommen zu werden, was mir die Eingewöhnung leicht gemacht hat. Weitere Kontakte konnte ich dann nach und nach knüpfen, und ich habe mich schnell wohl gefühlt.
Was sind für Sie persönlich die Vorteile vom Leben auf dem Lande?
Dr. Anselm: Großer Vorteil des Landlebens ist die Ruhe, die netten Menschen sowie kurze Fahrzeiten trotz langer Wege, anders als in der Stadt, in der man für kurze Wege unter Umständen ewig braucht. Hier kann ich mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren. Die Patienten sind hier anders als in der Stadt – man unterhält sich kurz und es wird akzeptiert, was der Arzt sagt, der Umgang miteinander ist angenehm. Was mir außerdem besonders gefällt: Ich kann meinem Hobby, dem Joggen, ungestört nachgehen. Meine Strecke ist superschön und beginnt fast vor dem Haus. Ich laufe morgens Richtung Eyershausen und dann an der Wallfahrtskirche Ipthausen vorbei wieder zurück nach Hause – das hat was von Meditation und gibt Kraft für den Tag.
…. und die Nachteile?
Dr. Anselm: Große Nachteile habe ich bis jetzt noch nicht gefunden, weil ich mich hier sehr wohl fühle.
Gibt es etwas, das Sie hier besonders vermissen?
Dr. Anselm: Ab und zu vermisse ich meine Familie und Freunde in Würzburg. Was ich bei meinen Hausbesuchen vermisse, ist eine bessere Netzabdeckung. Wenn ich unterwegs bin, ist die Kommunikation zwischen mir und der Praxis oft schwierig, und ich muss manchmal ein Netz suchen.
Wenn Sie einen Wunsch frei hätten an ihre Gemeinde oder an den Landkreis, was würden Sie sich wünschen?
Dr. Anselm: Vor allem wünsche ich mir junge, motivierte Kollegen zur Unterstützung der Gemeinschaftspraxis. Wenn in der näheren Umgebung weitere Kollegen in Rente gehen und sich die Patienten auf die vorhandenen Praxen verteilen, stoßen wir an unsere Grenzen. Wichtig wäre außerdem ein effektiver Personennahverkehr, und ich wünsche mir ein schönes, hochwertiges Café am Marktplatz.