Im Rahmen der Reihe "LiteraTour... plus" des Kunstvereins Bad Neustadt bescherte Peter Picciani dem Publikum einen spannenden Abend im ausverkauften "Proviantkorb" am Marktplatz von Bad Neustadt. Folgende Informationen sind einer Pressemitteilung des Kunstvereins Bad Neustadt entnommen.
Es ist das Jahr 1983 als Peter Kähler in das Visier der Stasi gerät. Freche politische Songs aus eigener Feder und somit verbotenes Liedgut hatten ihn in den Augen der DDR zum Gesetzesbrecher werden lassen.
"Mitkommen!"...hieß es dann auch an einem Sonntagmorgen, ..."denn sie kamen immer morgens um 6". Auf diese Weise sollte verhindert werden, dass allzu viele Nachbarn etwas davon merkten, erzählt Kähler seinen Zuhörerinnen und Zuhörern. Anders bei ihm – mit aufkeimender Empörung leistete er Widerstand, indem er sich am Treppengeländer festklammerte, schrie und zeterte, damit Nachbarn und Freunde von diesem Unrecht erfuhren. "Ich bin stark – ich werde es ihnen zeigen", brannte es in ihm. Es half nichts, er wurde in einen fensterlosen Kastenwagen gezerrt, welcher nach schier endloser Fahrt im Irgendwo ankam.
Es begann eine Strategie der Desorientierung und Zermürbung eines Delinquenten, erzählt Kähler weiter. Wohldurchdachte, ausgefeilte Haftbedingungen, eine Kombination aus Dunkel-Stille-Kälte, in einer Zelle bei einer Bewegungsfreiheit sechs Schritte vorwärts – sechs Schritte seitwärts, die ihn Ordnung und Rechtsstaatlichkeit lehren sollte. Bei Wassersuppe und trockenem Brot wurde aus einem jungen "Aufrührer", der in Kneipen und Jugendhäusern falsche Lieder gesungen hatte, ein willenloser Automat, der nur noch gehorchte, um zu überleben.
Doch einen inneren Vorsatz konnte Peter Kähler bis zum Ende seiner Inhaftierung durchhalten: Niemals, nein niemals, würde er Namen seiner Freunde preisgeben. "Ausreiseantrag in den Westen unterschreiben!", hieß es, "oder zehn Jahre Bautzen". Hatte er denn eine Wahl?
Peter Kähler lebt heute als Peter Picciani in Bad Königshofen. Es ist ihm gelungen, seinen Geist offen und kreativ zu halten, sein Atelier in Ipthausen zeigt eindrucksvolle Werke seiner Kunst, der Holzbildhauerei. Als Bühnenbildner am Theater Maßbach sind seine künstlerischen, handwerklichen und methodischen Kenntnisse gefragt. Peter Picciani ist ein langjähriges Mitglied des Kunstvereins Bad Neustadt und hat an diesem Abend als Autor seiner eigenen beeindruckenden Lebensgeschichte die Vielfalt der Kunst unter Beweis gestellt.
Zu diesem Artikel erreichte die Redaktion eine Stellungnahme von Peter Picciani mit folgendem Wortlaut:
"Sicher haben die Autoren es gut gemeint, die Geschichte, die ich im 'Proviantkorb' vorgelesen hatte, etwas aufzupeppen und ihr mit einigen Übertreibungen einen gewissen Nachdruck zu verleihen. Leider verlieren sowohl die Geschichte als auch ich als Autor dadurch ihre Glaubwürdigkeit. Deswegen möchte ich inhaltlich einiges korrigieren, das ich so nicht gesagt habe oder eben falsch interpretiert wurde. Schon der Titel des Artikels ist unzutreffend, denn ein 'Delinquent' ist jemand, der eines Verbrechens angeklagt ist. Ich habe aber nie ein Verbrechen begangen und eine Anklage gab es auch nicht. Ich war auch nicht 'in den Klauen der Stasi', denn es waren ja keine Schafe, sondern eine hochorganisierte Geheimpolizei. Solche Zitate wie 'Ich bin stark, ich werde es ihnen zeigen', sind deshalb unzulässig, weil ich das gar nicht gesagt habe. Zu einem Satz möchte ich eine besondere Stellungnahme abgegeben: 'Bei Wassersuppe und trocken Brot wurde aus einem jungen Aufrührer, der in Kneipen und Jugendhäusern falsche Lieder gesungen hatte, ein willenloser Automat, der nur noch gehorchte, um zu überleben.' Ich habe nicht von 'Wassersuppe und trocken Brot' geredet, sondern von 'Suppe und Brot'. Das ist unspektakulärer, entspricht aber eher der Wahrheit. Ich war auch kein 'Aufrüher', sondern einfach nur Liedermacher. Und ich sang keine 'falschen Lieder', sondern meine Lieder waren genau richtig, auch wenn sie der Stasi nicht gefallen haben mögen. Ich wurde auch nicht zu einem 'willenlosen Automaten', der nur noch gehorchte, um zu überleben. Das ist eine sehr verkürzte und übertriebene Darstellung des gelesenen Textes. Ich möchte mich bei den Autoren des Artikels entschuldigen, aber ich kann diese falsche Darstellung einfach nicht so stehen lassen. Ich verlöre damit meine Glaubwürdigkeit als Autor über die DDR-Geschichte."