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KREUZBERG „: Poesie einer zauberhaften Nacht

KREUZBERG „

Poesie einer zauberhaften Nacht

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    Die Nacht der Poesie auf dem Kreuzberg zog wieder viele Menschen an. Die Atmosphäre auf der Wiese hinter den Kreuzen fasziniert.
    Die Nacht der Poesie auf dem Kreuzberg zog wieder viele Menschen an. Die Atmosphäre auf der Wiese hinter den Kreuzen fasziniert. Foto: Foto: Eckert

    Ginkgo Biloba“, mit diesem Gedicht, das Goethe 1815 in Weimar schrieb, eröffnete der Hamburger Schauspieler Rudolf Herget die Nacht der Poesie auf dem Kreuzberg. Es ist ein neues Gedicht in seiner Sammlung, mit dem ihn eine besondere Geschichte verbindet. „Eigentlich habe ich das Gedicht nie richtig verstanden. Obwohl es nur wenige Zeilen hat.“

    Und obwohl das Gedicht ihn nicht ansprach, hat es ihn doch über 25 Jahre hinweg quasi verfolgt. „Ich habe auch nie gewusst, wo ich es einbauen sollte.“ Es passte nicht recht zur Liebeslyrik und auch nicht zu Naturbetrachtungen. Richtig erschloss sich Herget das Gedicht erst, als ihm jemand das Blatt eines japanischen Ginkgo Baumes schenkte. „Da verstand ich endlich, was Goethe sagen wollte.“ Das Gedicht hat der Dichter für seine späte Liebe Marianne von Willemer geschrieben. Das Ginkgoblatt wird darin als Sinnbild für Liebe und Freundschaft beschrieben. Und wie Herget nun, noch vor Beginn der Nacht der Poesie, so über seine Begegnungen mit Ginkgo-Blättern berichtete, kommt einer der Teilnehmer und schenkt ihm ein Ginkgo-Blatt aus Aluminium. Das habe er selbst gemacht und an seinem Rucksack und als er Herget so erzählen hörte, wollte er es ihm schenken. Eine nette Geste, die Herget sehr freute und eine weitere Anekdote zum Thema Rudolf Herget und Goethes „Ginkgo Biloba“.

    Ansonsten unterschied sich sein Programm kaum von denen des Vorjahres. Aber es braucht auch nicht immer neues, Klassiker sind zeitlos schön und das Publikum kommt auch wegen des Vertrauten zur Nacht der Poesie auf den Kreuzberg.

    Lange vor Beginn strömten die Menschen auf den Kreuzberg, bepackt mit Isomatten, Schlafsäcken, Decken und Proviant. Die Tiefsttemperaturen in der Nacht lagen bei 9 Grad, da war eine gute Ausrüstung schon von Vorteil. Da das Wetter sich stabil zeigte waren gut 300 Besucher auf das Plateau des Kreuzbergs gekommen. Die Nacht der Poesie ist eben eine Veranstaltung, die voll und ganz von der Witterung abhängt.

    Der Abend begann mit einem wunderschönen Sonnenuntergang über dem Panorama der Rhönberge. Was hätte beim Anblick der Rhön besser gepasst als „Ich weiß basaltene Bergeshöh'n, im Herzen der deutschen Gau'n, nicht riesenhoch, doch bezaubernd schön, möchte immer und immer sie schau'n!“ Herget sprach den Gästen mit dem „Rhönlied“ aus der Seele. Die Sonne ging um 21:46 Uhr unter, wenig später zeigte sich der Mond als schmale Sichel, verschwand aber wieder gegen 23 Uhr. Während Herget mit dem „Kleinen Prinzen“ von Antoine de Saint-Exupérys begann, lagerten die Menschen auf der Wiese hinter den drei Kreuzen. Nach und nach kehrte Ruhe ein. So hingen die Menschen ihren Gedanken nach, lauschten den Worten Rudolf Hergets und begannen zu träumen.

    Ganz unterschiedlich erlebten die Besucher die Nacht der Poesie. Die einen lagerten im hohen Gras auf Isomatten oder Luftmatratzen, kuschelten sich tief in ihre Schlafsäcke, andere saßen in Campingstühlen und blickten ins Tal. Während Herget Gedichte und lyrische Texte vortrug konnten die Menschen ihren Gedanken freien Lauf lassen. Herget begann zu sprechen und die Zuhörer erlagen der Faszination seiner Stimme, die eindringlich, ruhig und gefühlvoll die Atmosphäre der Texte der Weltliteratur einfing.

    Prometheus erwachte ebenso zum Leben wie der Erlkönig. Die Möwe Jonathan kreiste über dem Kreuzberg, einerseits war es Mitleid andererseits das nachempfinden ihres Freiheitsdrangs, das die Geschichte so anrührend macht.

    Weiter ging es mit Texten von Rilke, Goethe, Schiller, Heine, Eichendorff, Lord Byron und Claudius. Und rundherum nichts als stille, dunkle Nacht. Um 21 Uhr begann Herget mit seinem poetischen Erzähltheater und führte es mit kurzen Pausen bis um 6 Uhr am nächsten Morgen fort. Alles trägt er frei vor, ein Manuskript gibt es bei ihm nicht. „Es ist für mich wie ein Theaterstück, das ich einstudiert habe“, berichtet er. Seine Konzentration auf den Auftritt beginne schon am Nachmittag. „Ich konzentriere mich nicht auf ein spezielles Gedicht sondern das Gesamtwerk. Denn wichtig ist die Gesamtkomposition, der Zwischenton der Gedichte und Geschichten, der durch meine Person übermittelt wird.“ Das unterscheide die Nacht der Poesie von einer CD-Aufnahme. Die Natur, die Berge, die Sterne und die Nacht, die ganzen Umstände spielen eine Rolle und machen die Nacht der Poesie zu dem was sie ist. „So eine Nacht würde ich in keinem Saal machen wollen.“

    Rudolf Herget ermunterte die auf dem Boden lagernden Menschen sich auf die Worte einzulassen, zu schlafen und die Atmosphäre in ihr Unterbewusstsein eindringen zu lassen. Er selbst hielt sich derweil mit Kaffee, Bananen und Brot wach. Um seinen toten Punkt, der gegen vier Uhr einsetze, zu überwinden, konzentriert er sich voll und ganz auf das mitreißende Schauspiel „Das Leben des Galilei“. Wenn man nicht wusste, dass Rudolf Herget wirklich ganz alleine das Mikrofon in Händen hält, hätte man meinen können eine ganze Theaterbühne sei auf dem Kreuzberg präsent.

    Weiter ging es mit Gedanken eines Astronauten, wie er die Erde sieht, den Texten von Ureinwohnern und zum Sonnenaufgang mit der Schöpfungsgeschichte. Die Sonne ging schon um 5:07 auf, mit „Morning has broken“ wurde der Morgen musikalisch begrüßt. Neun nächtliche Stunden lagen am Ende hinter denen die durchgehalten hatten.

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