Norman Foster gilt als Meister der Superlative: Ob die Kuppel des Reichstags, der Hearst Tower in New York oder die Millenium-Brücke in London, in fast jeder Metropole steht ein Bauwerk des Architekturbüros Foster + Partners. Der Bad Neustädter Architekturstudent Alexander Gass durfte ein Jahr als Praktikant im Büro des Stararchitekten in London arbeiten.
„Die Erfahrungen sind Gold wert“
„Die Erfahrungen, die ich da gemacht habe, sind Gold wert“, erzählt der 24-Jährige im Rückblick am Telefon aus Montpellier. Schon wieder ist Gass im Ausland, derzeit studiert er über das Erasmus-Programm in Südfrankreich. „Ich will eine weitere Sprache lernen.“ Im Vergleich zu seinem Jahr im Foster-Büro ist das ein Spaziergang.
Junge Leute reihenweise „verheizt“
Als Praktikant in einem „Riesenbüro“ dieses Renommees zu arbeiten sei „ein Geben und ein Nehmen“. Das Foster-Büro nennt Gass den Ort der ganz großen Chancen und Möglichkeiten. Zugleich würden aber auch reihenweise junge Leute regelrecht „verheizt“. „Man muss sich das vorstellen wie eine Galeere. Das Schiff kommt voran, weil alle alles geben.“ Damit umgehen zu lernen sei eine der wichtigen Erfahrungen seines Jahres in London gewesen.
Die Entscheidung für die Architektur
Gass stammt aus einer Architektenfamilie. Sein Vater Otto Gass arbeitete als Architekt am Bauamt in Schweinfurt. Schon während des Abiturs am Bad Neustädter Rhön-Gymnasium wurde Sohn Alexander klar, dass Architektur auch etwas für ihn sein könnte. Mathe, Physik, die Naturwissenschaften fielen ihm schon immer leicht. Von der Architektur erhoffte er sich die Möglichkeit, „die Rationalität mit dem Kreativen zu verbinden.“
Sein anschließendes Architekturstudium in Stuttgart sollte ihn nicht enttäuschen. „Das ist genau mein Ding.“ Gass hat aber auch gesehen, dass das nicht bei allen Kommilitonen der Fall war: „Architektur ist sehr zeitaufwändig. Man muss mit Herzblut dabei sein, sich hingeben und es mögen.“ Die ein oder andere durchgearbeitete Nacht in der Uni sei nichts ungewöhnliches. Dafür sei die Formensprache der Architektur am Ende international, man könne später überall auf der Welt arbeiten.
„Da hatte ich Riesenglück“
Den Praktikumsplatz in Norman Fosters Büro vermittelte ihm einer seiner Stuttgarter Professoren, der selbst als Senior Executive Partner dort arbeitet. Einer von Gass' Entwürfen hatte den Professor überzeugt. „Da hatte ich Riesen-Glück“, erzählt der 24-Jährige. Viele Praktikanten bei Foster + Partners stammen laut Gass von den besten Universitäten oder sind über Kontakte an einen der begehrten Plätze gekommen.
100-Stunden-Wochen
1400 Menschen arbeiten in dem Architekturbüro in London. Gass spricht von einer „gigantischen“ Dimension und einer klaren Struktur für die Neulinge. In der Einführungswoche werde man zunächst „motiviert und eingestimmt“. „Wenn ihr hier seid, gehört ihr zu den Besten“, heize einer der Partner die Stimmung an. „Dabei wird auch dort nur mit Wasser gekocht“, sagt Gass. Die so aufgepeitschten jungen Menschen seien anschließend durchaus bereit, mehrere 100-Stunden-Wochen am Stück zu arbeiten. „Als Praktikant bist du der Unterste in der Kette und oft der Letzte, der geht.“
„Nein, ich gehe jetzt nach Hause“
Drei, vier Monate lang hat auch Gass alles gegeben, mitunter bis in die Nacht hinein. Dann wurde ihm bewusst, dass er quasi noch nichts von London gesehen hat. Und er sagte erstmals: „Nein, ich gehe jetzt nach Hause!“ „Anfangs war meine Chefin sauer“, erinnert sich Alexander Gass. Ab dem nächsten Tag sei ihre Beziehung aber eine andere gewesen, geprägt von Anerkennung und Respekt.
Gass, der sich gut vorstellen kann, einmal ein eigenes Architekturbüro zu führen, sagt für dessen Aufstellung habe er viel gelernt. „Wer um 17 Uhr nach Hause geht, arbeitet einfach effektiver“ und „Arbeit ist nicht alles.“ Nur mit entsprechenden Pausen und Ruhezeiten bleibe Motivation dauerhaft vorhanden.
Apple-Gebäude geplant
Gearbeitet hat Alexander Gass im Studio vier, wo die Apple-Gebäude geplant werden, in unterschiedlichsten Teams an anspruchslosen, aber auch sehr verantwortungsvollen Aufgaben. „Du bist da, wo gerade Hilfe gebraucht wird. Mitunter sitzt du plötzlich mitten in der Konferenz mit den Apple-Bossen.
“ Konkret war er an der Planung von fünf Apple Stores beteiligt. Er hat Modelle gebaut, Details geplant, aber auch Entwürfe erstellt, währenddessen vielversprechende Kontakte geknüpft und interessante Vorträge gehört. Das alles für ein, wie Gass es sagt, „faires“ Praktikantengehalt, von dem man sich ein WG-Zimmer leisten und selbst in London halbwegs ordentlich leben kann.
Begegnung mit Norman Foster
Norman Foster selbst ist er nur ein paar Mal begegnet. „Wir hatten Augenkontakt, gesprochen haben wir nicht.“ Ein, zwei Mal im Monat besuche der mittlerweile über 80-Jährige das Büro. „Dann stehen alle Kopf“, erzählt Gass. Einen Tag zuvor treffe eine Mail ein. „Lord Foster kommt morgen.“ Dann wird aufgeräumt und geordnet. Ist er da, wird die mitunter durchaus laute, manchmal chaotisch-wirbelnde Truppe, relativ still. Anschließend bricht wieder das Tohuwabohu vor der nächsten Deadline los.
Kostenlose Massagen
Klar, die Arbeit in einem Büro wie „Foster + Parnters“ werde immer schnelllebig und stressig sein. Daran ändern auch die kostenlosen Massagen und das vom Büro subventionierte Fitnessstudio nichts. Alexander Gass kann sich aber durchaus vorstellen, dort nach seinem Studium eine Zeitlang zu arbeiten. Natürlich gebe es dort die Stellen, die mit rund um die Uhr willigen Mitarbeitern besetzt sind. Die, das hat er gelernt, will er nicht. Es gebe aber auch die anderen. „Die, die richtig Spaß machen. Wer fähig ist, findet das passende Team.“
Früher oder später soll es aber ein eigenes Architektenbüro für den Bad Neustädter sein, „um eigene Dinge zu entwickeln“, allerdings wohl nicht in Bad Neustadt. Auch wenn er gerne in der Saalestadt lebt, er kann sich nur schwer vorstellen mit seinen progressiven Ideen in der Region Fuß zu fassen. Kulturbauten, das ist Alexander Gass Vision, möchte er eines Tages entwerfen.