Alleine das Wort „wandern“ wirkt bei vielen Jugendlichen regelrecht allergieauslösend. Wandern ist eine langweilige Freizeitbeschäftigung für die Älteren – so die Ansicht vieler. Bei der deutschen Wanderjugend (DWJ) mit ihren 100 000 Mitgliedern sieht man das aber völlig anders. Allerdings ist klar, Wanderungen für Jugendliche müssen originell sein, den jungen Leuten muss etwas geboten werden, damit sie auf ihre Kosten kommen. Um zu demonstrieren, wie das konkret aussehen kann, startet die DWJ regelmäßig den Wettbewerb „Jugend wandert“, in dessen Rahmen vorbildliche Ideen ausgezeichnet werden.
Im vergangenen Jahr haben die Wanderratten, die Jugendgruppe des Vereins Naturpark und Biosphärenreservat Bayerische Rhön, an dem bundesweit ausgeschriebenen Wettbewerb teilgenommen. Unter dem Titel „Und wie wanderst Du?” waren Teilnehmer aufgefordert, zu dokumentieren, wie sich Jugendliche eine ansprechende Wanderung vorstellen. Die Wanderratten, die regelmäßig bei verschiedenen Aktionen in der Rhön unterwegs sind, haben eine ihrer besonders kreativen Touren für den Wettbewerb, an dem sich 48 Gruppen mit insgesamt 1500 Teilnehmern beteiligen, eingereicht.
Wildkatzen-Wanderung
Die jungen Rhöner Naturschützer hatten im vergangenen Oktober unter dem Motto „Auf dem Catwalk durch die Rhön“ eine Wochenendwanderung zum Thema Wildkatze gestartet. Mit Lebensweise und Möglichkeiten zum Schutz des in der Rhön wieder nachgewiesenen Tieres beschäftigten sich die Wanderratten immer wieder. Nun waren sie ein Wochenende lang auf den Spuren der Wildkatze unterwegs, mit dem Anspruch, während dieser Wanderung – wie die Wildkatze – keine Spuren zu hinterlassen, und nicht von Menschen gesehen zu werden.
Für den Wettbewerb produzierten sie einen fünfzehnminütigen Film, der den Hintergrund und Erlebnisse dieses Wochenendes dokumentiert. Die Mühen haben sich für die Wanderratten gelohnt. Bei der Siegerehrung im Landschulheim Hoppach bei Miltenberg wurden sie dafür von der DWJ mit dem zweiten Preis des bundesweiten Wettbewerbs belohnt.
Dr. Alexander Bittner von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) erklärt die Entscheidung der Jury so: „Die Wanderratten überzeugen die Jury vor allem durch die Originalität ihrer Idee und sie bekamen auch die höchste Punktzahl aller Wettbewerbsteilnehmenden im Bereich Umweltbildung.“ Die Rhöner, so Bittner weiter, seien schon seit Jahren darum bemüht, sich für die Wiederansiedlung der Wildkatze in der Region einzusetzen. Um sich noch vertrauter mit ihrem Naturschutz- und Beobachtungsobjekten auseinandersetzen zu können, folgten sie bei ihrer Wanderung den Wegen der Wildkatze.
Auf der rund 25 Kilometer langen Tour blieben die Wanderratten äußerst authentisch. Lediglich mit einem Geocachinggerät und der Habitat-Eignungskarte Wildkatze Rhön versuchten sie, von Menschen unentdeckt zu bleiben und auch offene Flächen zu meiden. So führte der Weg oft auf großen Umwegen um Dörfer herum und auch natürliche Hindernisse wie Straßen mussten bewältigt werden. Mit einiger Mühe gelang es zum Beispiel auch, einen Bach über einen umgestürzten Baum zu überqueren. Diese Tour, so der Juror, „ist ein perfektes Beispiel für die Verbindung von Umweltverständnis und Wanderung.“
Fantasievoll und herausfordernd
Für die DWJ zeigen solche Beispiele, wie „ungewöhnlich, fantasievoll und herausfordernd Wandern sein kann.“ Bei solchen Wanderprojekten handelten Kinder und Jugendliche selbstbestimmt und aktiv, hätten Neues erlebt und eigene Grenzen getestet und erweitert. „Bei allen Aktivitäten wurde deutlich, dass Wandern und Gemeinsam-unterwegs-sein Spaß macht und voller Erlebnisse steckt.“
Für ihr Preisgeld haben die Jugendlichen sich schon Konkretes überlegt – ein Teil des Geldes soll in die Ausgestaltung ihres zum mobilen Werkraum umgebauten Bauwagens gehen, mit dem anderen Teil wollen sie eine Kanutour im Naturpark Frankenhöhe unternehmen.
Wanderratten suchen Stellplatz
Die Wanderratten sind die Jugendgruppe des Vereins Naturpark und Biosphärenreservat Bayerische Rhön. Es ist eine gemischte Gruppe von 14- bis 18-jährigen naturbegeisterten Jugendlichen. Die Gruppenstärke auf den Veranstaltungen liegt bei acht bis zwölf Jugendlichen. Mitmachen können Jungen und Mädchen, die gewillt sind, friedlich und offen miteinander umzugehen, die auf den Komfort des täglichen Lebens verzichten können und dafür Abenteuer, Gemeinschaft und die Natur erleben wollen. Weitere Informationen gibt es im Infozentrum Haus der Langen Rhön, Tel. (0 97 74) 91 02 60.
Die Wanderratten sind zur Zeit dringend auf der Suche nach einem Stellplatz für ihren mobilen Werkraum. Dort wollen sie sich künftig im zweiwöchentlichen Turnus treffen und von dort aus ihre Naturerkundungs- und Umweltschutzaktionen starten. Der Platz muss an der Bahnlinie zwischen Bad Neustadt und Mellrichstadt liegen, in fußläufiger Entfernung zum entsprechenden Bahnhof, damit die Teilnehmer den Treffpunkt aus eigener Kraft erreichen können, und nicht immer Taxi Mama fahren muss. Hinweise auch hier an das Infozentrum Haus der Langen Rhön, Tel. (0 97 74) 91 02 60.