Der Wilde Westen lag in dieser Woche ausnahmsweise mitten in der Rhön – in Oberleichtersbach. Die Kleinen vom Kindergarten St. Peter und Paul hatten Indianer-Projektwoche. Dabei spielten sie nicht nur Indianer, sondern tauchten geradewegs in deren Kultur ein.
„Ich werd' hier nie fertig.“ Nachwuchs-Rothaut Dominik ist etwas genervt. Schließlich ist es ganz schön anstrengend, die vielen bunten Perlen auf die weißen Schnüre zu schieben. Kindergarten-Squaw Antonia war geduldiger. Ihr schickes Armband ist fertig. Stolz hält sie es in die Höhe.
Armbänder und anderer Schmuck hängt reichlich in dem Tipi, das während der Projektwoche auf der Wiese neben dem Kindergarten aufgebaut ist. Mitten im Zelt raucht ein Feuer; drum herum sind Matratzen platziert. Eine – nicht ganz indianergerechte – Mini-Stereoanlage steht in der Ecke.
Das Zelt ist Betätigungsfeld für die Kinder – und Wohnstatt eines echten Häuptlings. Denn Kindergartenleiterin Claudia Straub hat sich für ihre kleinen Rothäute Tatanka Skapa – der wissende Bison – und seine Squaw Mahaguch Wancipi Wingang – die Frau, die im Regen tanzt – nach Oberleichtersbach geholt.
In der Sprache der Weißen heißen die beiden Franz-Josef Beumer und Heike Regenhof. Sie lesen nicht nur über Indianer und ziehen sich wie sie an – sie leben wie sie. 40 bis 45 Wochen im Jahr – das ist die Zeit, in der die Beiden in Kindergärten, Schulen und Behinderteneinrichtungen unterwegs sind, wohnen sie im Tipi. Im Altenkirchen im Westerwald, ihrem Stammeslager, sind sie nur selten.
Beumer, der lieber Tatanka Skapa genannt wird, zählt sein Alter nicht nach Jahren. Er hat 737 Monde erlebt, ist also 60 Jahre alt. Seine Frau läuft sommers wie winters barfuß.
Tatanka Skapa will den Kindern nicht nur die indianische Kultur näher bringen, falsche Vorstellungen berichtigen. Er will, dass sie ihre Umwelt anders wahrnehmen und Tiere respektvoll behandeln. Ameisen tot zu treten sei zum Beispiel tabu: „Die Erde gehört nicht dir, sondern du gehörst zur Erde“, ist sein Motto.
Seine empfundene Berufung zum Indianer hat Tatanka vor 18 Jahren zum Beruf gemacht. Seitdem zieht er umher, besucht in Oberleichtersbach den 624. Kindergarten.
Während der Projektwoche bastelte er mit den Kindern nicht nur Schmuck. Er erzählte ihnen im Tipi auch Geschichten, buk mit den Kleinen Maisbrot über dem offenen Feuer, trommelte mit ihnen. seine Frau studierte mit ihnen Tänze und Lieder ein, die sie am Freitagnachmittag aufführten.
Auch wenn einige, vor allem die Unter-Dreijährigen – anfangs gehörig Respekt vor dem großen, bärtigen Mann hatten, sind sie im Laufe der Tage doch mit ihm warmgeworden: „Mir hat am besten gefallen, als wir in dem Tipi saßen“, sagt zum Beispiel Antonia. Der fünfjährige Thomas fand die Indianergeschichten am besten, Max (6) die Trommeln.
Erfolg also für Claudia Straub und Astrid Umkehr. Letztere hatte von einer Aktion mit Tatanka in einem hessischen Kindergarten gehört. Den Häuptling zu engagieren wäre toll, dachte sich Straub. Schließlich seien die Kinder gerade von der Indianer-Zeichentrickserie „Yakari“ begeistert.
„In dieser Woche konnten sie erleben, dass Menschen auch anders leben können als wir es tun. Und sie lernen Toleranz gegenüber anderen“, sagt die Leiterin. Das Thema Indianer wird in den nächsten Wochen weiter Thema sein im Kindergarten. Die Armbänder werden die Kinder lange an ihr Camp erinnern.