Schon der Begriff „Misshandlung Schutzbefohlener“ lässt auf einen wenig erfreulichen Inhalt eines Strafprozesses schließen. In diesem Fall, der jetzt am Amtsgericht Bad Neustadt verhandelt wurde, sorgten einige Faktoren auch aus juristischer Sicht für zusätzliche Belastungen.
Auf der Anklagebank saß eine heute 55-jährige vierfache Mutter aus dem Landkreis. Sie wurde beschuldigt, ihren damals zehn- bis zwölfjährigen Pflegesohn, der auch noch in die Familie aufgenommen wurde, in den Jahren 2005 bis 2007 dreimal mit einer Hundeleine aus Leder auf den Po geschlagen zu haben.
Zur Anzeige gebracht wurden diese Taten erst 2014 im Zuge des Scheidungsverfahrens. Denn nach der Trennung der Pflegeeltern öffnete sich der betroffene Junge seinem Pflegevater, bei dem er mittlerweile lebt und zu dem eine verwandtschaftliche Beziehung besteht. Problematisch über den lange zurückliegenden Zeitraum hinaus: die Tatsache, dass das Opfer zu 80 Prozent geistig behindert ist.
Genau diese Behinderung löste jeweils auch die Schläge aus. Die ohnehin schon überforderte Frau - ihr Mann war eigentlich nie daheim, sie musste sich alleine um die Kinder kümmern – versuchte, mit dem Pflegesohn zu lernen. Aber er begriff die Dinge nicht. Die Pflegemutter begann zu schreien, packte die Hundeleine und versetzte dem teilweise nackten, teilweise bedeckten Hinterteil des Buben derart heftige Schläge, dass er danach länger nicht sitzen konnte und der große Bruder Striemen wahrnahm.
Im Jahr 2005 war er einmal dazugekommen, als sich eine solche Szene abspielte. Die Pflegemutter hatte dem Kleinen etwas beibringen wollen, sich aber vergeblich bemüht. Dann schlug sie zu, der Junge weinte. Er beruhigte sich, als sich der große Bruder um ihn kümmerte und nun seinerseits versuchte, ihm sein Geburtsdatum zu erklären.
Ein Jahr später erteilte die Pflegemutter dem Buben den Auftrag, das Bad sauber zu machen. Weil er sich verweigerte, zog sie dem Kind die Hose runter und züchtigte ihn mit der Leine. Und im Jahr 2007 schließlich nahm die große Schwester innerhalb des Hauses Schreierei und das Weinen des Buben wahr. Als sie dazukam, hörte die Mutter auf zu schlagen.
Im Laufe der Zeugenvernehmung stellte sich heraus, dass es mindestens zwei weitere Fälle gegeben haben musste, vermutlich sogar noch mehr. Die Angeklagte selber behauptete, sie habe den Jungen ein einziges Mal geschlagen, als er ihr Geld gestohlen habe (was sich als nicht zutreffend erwies). Nach Einschätzung des Vorsitzenden Richters sei dies aber eine Schutzbehauptung, weil sie sich ihr Verhalten nicht eingestehen könne. Während der Verhandlung überkam die gesundheitlich angeschlagene Frau immer wieder heftiges Weinen.
Obwohl die leiblichen Kinder in ein Vater- und ein Mutter-Lager gespalten waren, konnte das Gericht bei den Zeugenaussagen keinen Belastungseifer gegen die Mutter erkennen. Eine mögliche Beeinflussung des Opfers schied aus, da der Junge intellektuell nicht in der Lage war, eine erfundene Geschichte durchzuhalten. Die Taten wurden also als geschehen gewertet, obwohl eine genaue zeitliche Einordnung nicht mehr möglich war, immerhin aber Eckpunkte eines Zeitrahmens ausgemacht werden konnten.
Der Staatsanwalt forderte eine zehnmonatige Haftstrafe, die für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt werden könne, da die Angeklagte jetzt in einer anderen Situation lebe. Aufgrund ihrer Überforderung habe sie die Misshandlung Schutzbefohlener und die gefährliche Körperverletzung in einer momentanen Gefühllosigkeit begangen. Als spürbare Strafe solle sie 1500 Euro zahlen.
Etwas milder fiel das Urteil des Vorsitzenden Richters aus, der aufgrund der Überforderung von einem minder schweren Fall ausging. Außerdem berücksichtigte er den langen Zeitraum, der seit den Taten vergangen war, und ahndete das Geschehen mit einer achtmonatigen Bewährungsstrafe (Bewährungszeit drei Jahre) und einer Geldauflage von 800 Euro zugunsten des Kinderschutzbundes.