Acht Jahre ist das Durchschnittsalter der Fahrzeuge, die derzeit in Deutschland zugelassen sind. Fahrzeuge, die 30 Jahre und älter sind, einen originalen und guten Erhaltungszustand vorweisen, gelten als „Oldtimer“, die nach der Fahrzeug-Zulassungsverordnung auf Antrag ein „H-Kennzeichen“ erhalten. Wobei das H für Historisch steht. Historische Fahrzeuge sind technisches Kulturgut, das der Nachwelt erhalten bleiben soll.
Eine ganze Reihe historischer Fahrzeuge werden am 15. und 16. Juli bei den mittlerweile 16. Stockheimer Oldtimertagen auf dem TSV-Platz präsentiert. Darunter ein Automobil, das alle Voraussetzungen für ein technisches Kulturgut erfüllt: der 1929 produzierte Chevrolet International des Meiningers Hans Barche. Der inzwischen perfekt restaurierte rechtsgelenkte offene Viersitzer mit vier Türen – diese Karosserieform wird als „Phaeton“ (gesprochen fa-eton) bezeichnet – wurde in Uruguay eingesetzt.
Auto eines Rinderbarons?
Möglicherweise war der Chevrolet im Besitz eines Rinderbarons. Und dieser hat sich chauffieren lassen. Auf ein Chauffeur-Auto deuten die großzügigen Platzverhältnisse im Fond hin. Während es auf der Vordersitzbank sehr eng zugeht. Allzu groß durfte der Chauffeur nicht sein; aber sehr kräftig, denn Servounterstützung beim Lenken gab es nicht. Woher wohl die Bezeichnung „Kraftfahrer“ kommt?
Der enorme Verschleiß aller mechanischen Komponenten deutet auf viele und lange Fahrten in unwegsamem Gelände hin. Beim Kauf war das Fahrzeug nur Schrott. Jeder vernünftig denkende Mensch hätte wegen des Aufwandes und der hohen Restaurierungskosten vom Kauf abgesehen.
Nicht so Hans Barche. Was keinesfalls heißen soll, dass er unvernünftig ist. Denn Oldtimerspezialist Barche hat schon mehrfach bewiesen, dass er aus ähnlich hoffnungslosen Schrotthaufen faszinierende Motorrad- und Auto-Schmuckstücke zaubern kann.
Schwierige Ersatzteilbeschaffung
Die Schäden waren immens. Der gerissene Block des 3,4 Liter Sechszylinder-Reihenmotors wurde bei der Firma PML-Lasertechnik geschweißt. Zylinderlaufbuchsen hat Barche auf der eigenen Drehbank gefertigt und passende Kolben wurden tatsächlich im Ersatzteilprogramm von Peugeot gefunden. Die Zahnräder im Getriebe waren so verschlissen, dass Nachfertigungen erforderlich waren. Nicht mehr zu retten war das Differenzial. Hier fehlten am Teller- und Kegelrad eine Reihe der Zähne. Es gibt keine Firma, die diese Teile in der erforderlichen Qualität nachfertigen kann. Selbst ein Chevrolet-Spezialist in den Niederlanden konnte nicht helfen. Schließlich wurden Teile von einem Opel-Kapitän, Baujahr 1939, modifiziert und eingebaut.
Das Holzlenkrad und viele Teile aus dem Bereich der Vorder- und Hinterachse sind ebenfalls nachgebaut worden. Der marode Tank ist durch einen Nachbau aus Edelstahl ersetzt worden. Passende Felgen wurden in Neuseeland gefunden und die dazugehörigen Holzspeichenräder sind in Polen angefertigt worden. Für die Sitze wurde Büffelleder aus Namibia verwendet, die Türgriffe wurden in England eingekauft. Vorteilhaft war, dass das Fahrzeug 1929 als Teilesatz in die Schweiz geliefert wurde. Dort wurden Elektrik, Lampen und Instrumente eingebaut. Bei der Restaurierung war es deshalb möglich, viele Elektrikteile aus der Schweiz zu beschaffen.
Zwei Jahre lang restauriert
Oldtimerfreunde aus Meiningen haben Barche bei der mehr als zwei Jahre andauernden Wiederbelebung des Chevrolet unterstützt: Bernd Mell, Motorinstandsetzung, Heinz Wirsing, Elektroaggregate, Hartmut Heß, Elektroverkabelung, Thomas Winter, Karosserie und Zusammenbau sowie Klaus Seemann, der organisatorische Aufgaben wahrgenommen hat. Erfolgreiche Probefahrten haben bereits stattgefunden. Eine Fahrt von Meiningen zu den 16. Oldtimertagen nach Stockheim dürfte kein Problem darstellen. Hans Barche will dort sein neuestes Werk präsentieren.