Es war auf der "Grünen Woche" in Berlin im Januar dieses Jahres, als der Dermbacher "Bioland"-Bauer Ludwig Wagner auf die alten Kartoffelsorten aufmerksam wurde. Zufällig kam er an einem Stand des brandenburgischen "Vereins zur Erhaltung und Rekultivierung von Nutzpflanzen" vorbei, der sich mit alten Kulturpflanzen wie Kräutern, Körnern und Kartoffeln beschäftigt.
Von den rosa-marmorierten, blauen und lila-gefärbten Kartoffeln, teilweise noch in der Urform und nicht der hochgezüchteten eierrunden Kartoffelform, war der Öko-Bauer sofort begeistert und beschloss, selbst die alten Sorten anzubauen.
Vor wenigen Wochen traf das bestellte Sortiment bei Ludwig Wagner ein: jeweils zehn Knollen von 15 verschiedenen Sorten hatte Wagner geordert. Im Frühbeet ließ er die Kartoffeln keimen, und vor einigen Tagen brachte er sie unter die Rhöner Erde.
"Mal sehen, was es wird. Im Herbst möchte ich davon auf jeden Fall einen bunten Kartoffelsalat machen", sagt Ludwig Wagner. Er hofft auf eine gute Ernte, zumindest bei einigen Sorten. "Das Rhöner Klima ist für die Kartoffeln gar nicht so schlecht", meint er. Denn die alten Sorten sind sehr krankheitsanfällig, und durch das raue Klima werden Krankheiten von vornherein eingedämmt.
Die teilweise aus dem 19. Jahrhundert stammenden Sorten wurden früher nicht ausschließlich nur zum Verzehr angebaut, weiß Ludwig Wagner. Vielmehr dienten sie aufgrund ihrer Blütenvielfalt - von weiß über gelb und rot bis hin zu blau - als Bereicherung für Lustgärten und Parkanlagen.
Die Kartoffeln, die Ludwig Wagner jetzt unter die Erde brachte, stammen aus dem Schaugarten Greiffenberg im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin in der Nähe der polnischen Grenze und aus dem Naturlehrgarten Lenzen im Naturpark Elbtalaue.
"Mir war es auch wichtig, dass die Knollen aus einem Biosphärenreservat kommen, denn schließlich haben wir in der Rhön ja auch eines", erklärt der Bauer. Für ihn ist das Anbauen dieser alten Sorten auch ein Stück Erhaltung traditionellen Kulturguts. Heute werden in der Landwirtschaft nämlich nur noch wenige Sorten kultiviert - eine "Sortenbereinigung" hat durch die Züchtung stattgefunden.
"Der Verbraucher will hauptsächlich große, schön geformte Knollen, und immer geht es dabei um den maximalen Ertrag, auch wenn der Geschmack darunter leidet", kritisiert der Öko-Bauer.
Früher, davon gehen Schätzungen aus, gab es mehrere Tausend Sorten Kartoffeln weltweit - heute ist diese Zahl auf 150 zusammengeschrumpft. Laut Wagner gibt es Regionen auf der Welt, in denen nur noch zwölf verschiedene Sorten angebaut werden - die Sortenverarmung schreitet also massiv voran.
Die erste in Europa überhaupt gezüchtete Kartoffelsorte, "Patersons Victoria", stammt aus dem Jahre 1863 und wurde in England angebaut. Sie befindet sich jetzt ebenfalls im Acker von Ludwig Wagner. Weitere Sorten sind die "Early Rose", ebenfalls aus England, eine rosa-marmorierte Kartoffel, die "Odenwälder Blaue" aus Deutschland, die blauschalig ist, oder der "Kerkauer Kipfler" aus der Tschechoslowakei.
Wenn der Anbau in diesem Jahr erfolgreich ist, will Ludwig Wagner auch in den kommenden Jahren die alten Sorten wieder in den Boden bringen. "Ich denke, dass dies auch gut zum Gedanken unseres Biosphärenreservates passt, denn schließlich sollen die biologische Vielfalt und die traditionellen Landnutzungsformen erhalten bleiben", meint er.
Vor allem aber hat der Öko-Bauer, der dem Verein "Bioland" angehört, einfach Spaß daran, diese alten Sorten wieder zu kultivieren. Und das beschränkt sich bei ihm längst nicht nur auf die Kartoffel: Jüngst erreichte ihn ein Päckchen, in dem vier Gläser mit Linsen-Saatgut enthalten waren. "Auch dabei handelt es sich um Sorten, die in der normalen Landwirtschaft heute nicht mehr angebaut werden. Ich will es einfach mal probieren", sagt er.
Diese Linsen haben ebenfalls verschiedene Farben, die von rot bis lila reichen und somit die Suppe nicht versalzen, sondern einfach verschönern.