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SALZ/BAD NEUSTADT: Spitzel gab es überall - auch in Bad Neustadt

SALZ/BAD NEUSTADT

Spitzel gab es überall - auch in Bad Neustadt

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    Interessiert: Professor Helmut Müller-Enbergs (rechts) im Gespräch mit der Leiterin des Rhön-Gymnasiums Edith Degenhardt und Initiator Hartmut Brunner.
    Interessiert: Professor Helmut Müller-Enbergs (rechts) im Gespräch mit der Leiterin des Rhön-Gymnasiums Edith Degenhardt und Initiator Hartmut Brunner. Foto: Foto: Vossenkaul

    Ein unvorstellbar großes Puzzle, bestehend aus 16 000 Säcken voller Schnipsel ist ein Teil der Hinterlassenschaft des Staatssicherheitsdienstes der DDR. 500 Säcke mit ehemaligen Stasi-Akten, die vor der Wiedervereinigung noch schnell vernichtet werden sollten, wurden schon von unermüdlichen Zirndorfer Beamten bearbeitet. „Die perfekte Arbeitsteilung: die kleben, wir lesen“, nannte Professor Dr. Helmut Müller-Enbergs den Vorgang, der schon viel Brisantes enthüllt hat, aber wohl noch unzählige Informationen birgt. Davon berichtete er im sehr gut besuchten Gemeindehaus Salz.

    Hartmut Brunner, Lehrer am Rhön-Gymnasium Bad Neustadt, hat den Referenten wieder zu einem Studientag mit der Jahrgangsstufe zehn eingeladen. Zusätzlich referierte Müller-Enbergs, Wissenschaftler bei der Bundesbehörde für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes (BStU), am Abend in Salz zum Thema „Stasi in Franken“. 111 Kilometer Akten bergen Überraschungen: Zum Beispiel tauchten eine eigenhändig verfasste Verpflichtungserklärung von Karl-Heinz Kurras auf, sein SED-Parteibuch und Beurteilungen durch den ihm zugeteilten Führungsoffizier. Kurras, ein Westberliner Polizist, erschoss 1967 den Studenten Benno Ohnesorg. Die Folge waren Studentenunruhen und die Radikalisierung einzelner Gruppen, aus denen dann die RAF und die „Bewegung 2. Juni“ hervorgingen.

    Franken war die „Rampe“ für Stasi-Mitarbeiter, die weitläufigen Grenzen hatten viele Tore, durch die man ungesehen in den Westen gelangen konnte, berichtete Müller-Enbergs. Auf der Westseite gab es Mitarbeiter, die Wohnungen für die Verwandlung vom DDR-Bürger zum Westbürger zur Verfügung stellten. Spioniert wurde von Menschen, die technisches Know-How liefern konnten. In Oberfranken waren 24 informelle Mitarbeiter (IM) tätig, in Mittelfranken 36 (davon in Nürnberg 19) und in Unterfranken neun (davon in Würzburg sechs, in Aschaffenburg zwei und in Bad Neustadt einer). 13 Prozent aller bisher bekannten Stasi-Mitarbeiter, das waren bis 1988 bis zu 3500 in Westdeutschland, waren bayerische Bürger. Sie handelten nicht unbedingt aus Geldgier, wie Müller-Enbergs berichtete, viele waren Überzeugungstäter oder kamen durch Freunde oder Liebschaften dazu. Sie wurden je nach Lieferung bezahlt. Manchmal arbeiteten sie förmlich „Bestelllisten“ der DDR-Firmen ab, die an Mustern, Produktlinien und den neuesten Entwicklungen westlicher Firmen – wie zum Beispiel von Siemens – interessiert waren. Manchmal hätten sie auch geglaubt, für einen anderen Geheimdienst tätig zu sein. So gelang es einem sächsischen Führungsoffizier, seinem IM vorzuspielen, er wäre ein Franzose. „Eine Meisterleistung für einen Sachsen“ nannte der Professor diese Schauspielkunst.

    Die sogenannten „Rosenholz-Dateien“ zeigen die vielfältigen Berufe der IM's auf. Sie waren technische Angestellte, Rentner, Hochschullehrer, Mathematiker, Kraftfahrer, Pharmazeutin, Hausfrau, Altenpflegerin, Handelskaufmann, Installateur, Kellnerin, Friseurin, Elektriker, Landtagsabgeordneter und Schuster. Ihre Decknamen konnten sich die IM's selbst aussuchen, außer „Judas“ war alles erlaubt.

    Wenig los auf der Karteikarte

    Wie Müller-Enbergs berichtete, war der Bad Neustädter IM ein selbstständiger Vertreter, den fast jeder kannte. Er war der Staatssicherheit in Suhl unterstellt. Auf seiner Karteikarte sind jedoch sehr wenige Vermerke.

    In zwei Jahren - falls er wieder eingeladen wird - könne er noch mehr interessante Geschichten erzählen, genug Stoff komme bis dahin sicher zusammen, sagte Müller - Enbergs am Ende seiner Ausführungen. Jede Akte sei spannend wie ein Abenteuerroman.

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