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BAD NEUSTADT: Startkapital aus der Zigarrenkiste

BAD NEUSTADT

Startkapital aus der Zigarrenkiste

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    Die nächste Generation: Bernhard Wolf, Inhaber in der dritten Generation, und Sohn Benedikt.
    Die nächste Generation: Bernhard Wolf, Inhaber in der dritten Generation, und Sohn Benedikt. Foto: Foto: Stefan Kritzer

    Vor 100 Jahren kam der Großvater von Bernhard Wolf nach Neustadt, um dort in der Roßmarktstraße eine Schlosserei mit einer Fahrradwerkstatt zu gründen. Heute ist „Der Wolf“, wie er sich seit diesem Jubiläumsjahr nennt, nicht mehr aus dem Fahrrad- wie Spielzeughandel der Stadt wegzudenken. Nur die Schlosserei, die hat der Familienbetrieb aufgegeben und stattdessen den Fokus ganz auf das Fahrrad gelegt. Und das mit viel Leidenschaft.

    Eine Geschichte, sagt Bernhard Wolf, müsse er unbedingt erzählen. Am Stehtisch im Bereich der Mountain-Bikes bei einem Kaffee startet der Inhaber des Fahrrad- und Spielwarengeschäfts „Der Wolf“ gleich voll durch. „Mein Großvater“, so der 55-Jährige, „kam 1914 mit dem Fahrrad aus Nüdlingen nach Neustadt“. Der Großvater von Bernhard, Adolf Wolf, wollte in der Roßmarktstraße ein Haus kaufen und einen Handwerksbetrieb aufmachen. Das Startkapital in Höhe von 60 000 Reichsmark hatte Adolf Wolf dabei. In einer Zigarrenkiste, die am Lenker seines Fahrrades festgemacht war. Angekommen in Neustadt ging der hungrige Wolf erst mal in einer Gastwirtschaft essen, das Fahrrad mit der Zigarrenkiste blieb natürlich draußen.

    Passiert ist nichts, damals im Jahre 1914. Das Geld war auch nach dem Essen noch da und Adolf Wolf konnte das Haus in der Roßmarktstraße kaufen. Mit zwei Pferdefuhrwerken schafften Emma und Adolf Wolf auch den anschließenden Umzug in das neue Domizil. Adolf Wolf stammte aus dem Schwarzwald und war auf Wanderschaft gen Dresden. In Nüdlingen jedoch lernte er seine Frau Emma kennen und blieb dort. Eine erste Schlosserei gründete er bereits dort.

    In Neustadt angekommen baute Adolf Wolf seine Schlosserei schnell zu einem florierenden Betrieb auf. Dazu gehörte auch das Privileg, kommunale Wasserleitungen verlegen zu dürfen, was damals nicht jeder Schlosser durfte. Das sicherte dem Unternehmen stets Aufträge und damit Lohn und Brot. Fahrräder waren jedoch von Anfang an ein zweites Standbein des Unternehmens. Schlossereien waren die ersten Fahrradwerkstätten. Mit den Stahlrössern und ihren Rohrrahmen kannten sich – wenn überhaupt – höchstens Schlosser aus. Erst als das Fahrrad als Verkehrsmittel immer populärer wurde, entwickelten sich eigene Zweiradläden. Zu Zeiten von Adolf Wolf aber noch lange nicht, schon gar nicht in einer Kleinstadt.

    Ab 1950 übernahm Sohn Paul mit seiner Frau Cilli den Betrieb und weitete ihn schon bald aus. Am Marktplatz entstand der Spielwarenladen Wolf, der sich rasch zu einem weiteren Standbein entwickeln sollte. In der Bauschlosserei arbeiteten in besten Zeiten bis zu 17 Mitarbeiter, Fahrräder und Spielsachen gingen nebenbei.

    Erst als 1983 Bernhard Wolf in dritter Generation die Firma übernahm, erfolgte recht bald die Spezialisierung auf Fahrräder. Zunächst hatte Bernhard aber wie sein Vater und sein Großvater den Beruf des Schlossers gelernt. Das genügte Bernhard aber nicht, er hängte eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann dran, wurde Handelsfachwirt und Zweiradmechanikermeister. „Für mich waren Fahrräder immer wichtig“, sagt er heute. In den frühen achtziger Jahren hatte Bernhard Wolf den richtigen Riecher, als die ersten Mountain-Bikes aus den USA nach Deutschland kamen. Wolf erkannte, dass die eine Revolution in Sachen Fahrrad auslösen würden. Und so kam es auch. „Wir kauften damals regelmäßig 30 Mountain-Bikes der Firma Wheeler“, erinnert sich Wolf. Und diese ersten MTBs gingen seinerzeit weg wie warme Semmeln. Jeder Radfahrer wollte mit dem Fahrrad ins Gelände und mit dem Mountain-Bike war das auch endlich möglich.

    Mountain-Bikes und Rennräder bilden bis heute den Kern des sportlastigen Fahrradangebots. Im Jahre 2001 erfüllte sich Bernhard Wolf den Traum von einem neuen Fahrrad- und Spielwarengeschäft in der Saalestraße. Fahrräder im Erdgeschoss und Spielsachen im Obergeschoss, das war das Motto des neuen Geschäftes in dem lichtdurchfluteten Gebäude. „Bike & Play“ nannte Bernhard Wolf den neuen Standort, ein Titel, der sich jedoch im Bewusstsein der Kunden nie so wirklich festgesetzt hat. „Unsere Kunden haben ihr Fahrrad immer beim Wolf gekauft“, sagt Bernhard Wolf, „nicht bei Bike & Play“. Den englischen Firmennamen hat Wolf deshalb auf Anraten einer ideenreichen Werbeagentur zum 100. Geburtstag seines Geschäfts fallen lassen und sich in Sachen Namensgebung auf das konzentriert, was ihn seit 100 Jahren ausmacht: Der Wolf.

    „Der Wolf“ prangt heute auf T-Shirts und Trikots, auf Trinkflaschen und natürlich auch auf Fahrrädern. Bis heute sind Mountain-Bikes in Hülle und Fülle beim Wolf zu finden. Außerdem noch Rennräder, Kinderräder und – heute schon fast selbstverständlich – eine große Auswahl an Pedelecs. „Einmal pro Woche treffen sich hier richtig viele Elektrofahrradfahrer zu einer Ausfahrt“, sagt er stolz und weiß doch längst, dass diese Art der Fahrräder mit Elektrozusatzantrieb die nächste Revolution in Sachen Zweirad bedeutet.

    Ob „Der Wolf“ mal in der vierten Generation von der Familie geleitet wird, darüber wollte sich Bernhard Wolf (noch) nicht äußern. Ist auch noch nicht so eilig, im Wolf steckt ja schließlich noch jede Menge Energie und Hunger auf Neues. „Fahrräder sind nun mal unsere Leidenschaft!“

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