(zir) „Der Krieg ist nicht vorbei, wenn das Schießen aufhört“, war einer von vielen markanten Sätzen von Reinhard Erös, einem gefragten Afghanistan-Experten, der über den Alltag in dem seit 30 Jahren durch Krieg und Zwangsherrschaft gebeutelten Land, sprach. Im Kardinal-Döpfner-Haus lauschten viele Zuhörer seinen Ausführungen über das Leben des afghanischen Volkes. Gabi und Martin Wünsch, Freunde und Förderer der Familie Erös, hatten dazu eingeladen.
Erös, ehemals Arzt bei der Bundeswehr, hat an vielen internationalen Einsätzen teilgenommen. Seine Frau Annette ist Lehrerin. Sie haben die Kinderhilfe Afghanistan gegründet und betreiben das Projekt seit mehr als 25 Jahren. Deshalb spannt Reinhard Erös in mitreißender Art den Bogen seiner Ausführungen auch zurück in die 80er Jahre, als sowjetische Truppen das Land am Hindukusch im Handstreich nehmen wollten – Ein Trugschluss, wie sich herausstellen sollte.
Schon während der Sowjet-Besatzung ist die Familie Erös mit ihren vier Kindern in das Grenzgebiet Pakistans zu Afghanistan gezogen, um sich dort als Lehrerin und Arzt für afghanische Kinder und Frauen zu engagieren. Unter Lebensgefahr gingen sie bei Nacht und Nebel über die Grenze nach Afghanistan. Versteckt in Höhlen versorgten sie Menschen in Bergdörfern ärztlich. Da entstand die Idee für die „Kinderhilfe Afghanistan“.
Krieg ohne Ende
Zehn Jahre dauerte die Sowjet-Besetzung des Landes, sie kostete 1,5 Millionen Menschen das Leben, 1,8 Millionen wurden verstümmelt, viele Millionen Menschen flüchteten über die Grenzen. Die Afghanen boten in unbeschreiblicher Hartnäckigkeit der Sowjetunion die Stirn und siegten schließlich. In den Jahren danach, so Erös, habe sich niemand um das Land gekümmert. Das Vakuum füllten die Taliban. Ihr Ziel – eine fundamentalistisch geprägte islamische Gesellschaft. Frauen und Mädchen wurden von Bildung und Berufsleben ferngehalten, Kulturschätze wurden zerstört, Koranschulen waren die einzigen Bildungseinrichtungen für die Buben jüngeren Alters.
Der 11. September 2001 brachte für die Afghanen die Fortsetzung des Krieges unter anderen Vorzeichen. Ein Krieg, der schon wieder zehn Jahren dauert. Heute stehen 150 000 Soldaten im Land, bisher wurden 80 000 zivile Opfer gezählt, eine friedliche Lösung ist nicht in Sicht. Den im Verhältnis wenigen Bildungseinrichtungen stehen immer noch im pakistanischen Grenzgebiet tausende Koranschulen entgegen, aus der die Taliban ihren Nachwuchs rekrutieren.
„Wir sind zum Aufbau nach Afghanistan gegangen“, umschreibt Reinhard Erös die Motivation seiner Familie für die 1998 gegründete Kinderhilfe. Zusammen mit afghanischen Mitarbeitern betreiben sie inzwischen 29 Schulen für rund 55 000 Kinder und zwölf Computerschulen, in denen Buben und Mädchen ausgebildet werden. Es werden Berufsschulen angeboten, Schneiderinnen-Lehrgänge abgehalten, Waisenhäuser und Krankenstationen stehen zur Verfügung. Im Oktober wurde eine Oberschule in Jalalabad fertig und im Frühjahr wurde ein Waisenhaus für 600 Kinder eröffnet. Eine große neue Mädchenschule ist in Planung.
Auch Aktionen für die Landbevölkerung stehen auf der Liste. Unter dem Motto „Licht in die Dörfer“ wurden 1000 Solaranlagen installiert, den Bauern bei der Aktion „Obst statt Opium“ 25 000 Obstbäume zur Verfügung gestellt.
Eine Verwaltung sucht man bei der Hilfsorganisation vergebens. Alles ist aus Spendengeldern entstanden. In Afghanistan werden die Projekte von Einheimischen, in Deutschland durch die ehrenamtliche Tätigkeit der Familie und von Freunden bewerkstelligt.
Das Spendenkonto: „Kinderhilfe Afghanistan“, Liga Bank Regensburg, BLZ: 750 903 00, Konto-Nr: 1 325 000. Infos www.kinderhilfe.afghanistan.de