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SULZDORF: Über 110 Jahre Möbelbau in Sulzdorf

SULZDORF

Über 110 Jahre Möbelbau in Sulzdorf

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    Mit der Schließung der Sulzdorfer Möbelwerke geht in der Gemeinde Sulzdorf ein weiteres Kapitel in der langen Tradition des Möbelbaus zu Ende, die 1901 ihren Anfang nahm. Damals begann Schreinermeister Friedrich Schmidt an der Lederhecke in seinem Betrieb mit der Fertigung von Serienmöbeln.

    Kreisheimatpfleger Reinhold Albert, selbst Sulzdorfer und im Ortsteil Sternberg zuhause, liegen zahlreiche Unterlagen vor, aus denen hervorgeht, wie es in der Folgezeit weiterging. Im Zweiten Weltkrieg stellte der Betrieb auf Munitionskisten um. 1949 gründeten Friedrich Schmidts Söhne, die Brüder Richard (1910-1987) und Max (1913-1990), die Firma Schmidt Gebrüder Sulzdorf (SGS), welche Tische herstellte. Richard hatte den technischen Bereich inne, Max kümmerte sich um kaufmännische Fragen. Die Firma begann mit zehn Mitarbeitern.

    Im Juni 1952 trennten sich die Brüder: Max gründete auf der gegenüberliegenden Straßenseite die „Möbelfabrik Max Schmidt“, 1960 folgte die für Werbung zuständige Werbefirma „interform“. Die Firma Richard Schmidt („Grabfeld-Möbel“) gründete die Tochterbetriebe KiBu (für Kirchenburg) im nahen Serr-feld, Joba in Schweinfurt sowie die Sälzer Handelsgesellschaft (SHG) in Salz bei Bad Neustadt an der Saale.

    Grabfeld-Möbel und Interschmidt begannen mit der Herstellung von Kleinmöbeln und konzentrierten sich später ausschließlich auf die Tischproduktion. Die Arbeiter beider Firmen entwickelten in den 1950er und 1960er Jahren, übrigens auch in ihrer Freizeit, begeistert Möbelmodelle. Experimentiert wurde dabei mit Ausziehmechanismen für Tische und neuen Materialverbindungen oder Materialien wie Bernstein. In späteren Jahren beschäftigte man professionelle Designer.

    In den 1950er Jahren entstanden bei Interschmidt und Grabfeld-Möbel Dreieckstische, Nierentische und Kleinmöbel, wie Zeitungsständer, Blumenständer, Servierwägen und Schalen mit Kunststoffeinsätzen.

    Für die Firma Interschmidt sind seit den 1950er Jahren zahlreiche Betriebserweiterungen belegt. Es kamen Produktionshallen und Bürogebäude dazu, unter anderem eine Endmontage und eine Maschinenhalle. Die Oberflächenabteilung (Kachelverlegung), Furnierlager und Furnierbearbeitung wurden umgebaut, die Endmontage auf Montagebänder umgestellt. Zusätzlich wurde ein zweites Kesselhaus errichtet, eine Pressen- und Maschinenstraße in der Produktion, eine Abteilung für Vorrichtungs- und Modellbau, eine Werkstatt für Schlosser und Elektriker und eine KFZ-Werkstatt. Man richtete eine kaufmännische Abteilung und eine Werbeabteilung ein und baute den Holzlagerplatz aus. Es kamen eine Lager- und Versandhalle für Kartonagen, Kacheln und Marmor dazu sowie eine Halle für die automatisierte Massivholzbearbeitung und Holztrockenkammern. 1972 wurden 6000 Quadratmeter Fläche für die Kapazitätsausweitung zur Verfügung gestellt.

    Von Grabfeld-Möbel ist bekannt, dass 1973 fünf Gebäude standen, darunter ein neues Verwaltungsgebäude. Es wurden neu errichtet Spänebunker, Heizungsraum sowie eine Autoschlosserei und eine neue Werkhalle wurde geplant. 1986 stieg man auf CNC-gesteuerte Holzbearbeitungsmaschinen um, 1987 kam eine neue Datenverarbeitungsanlage dazu.

    Über das Möbelprogramm der 1970er Jahre geben die Kataloge der Kölner Möbelmesse Auskunft, in denen beide Firmen vertreten sind. Im Jahr 1973 war Interschmidt mit „Couch- und Sesseltischen in moderner und in Stil- Ausführung“ vertreten, mit höhenverstellbaren Tischen und Ess- und Ausziehtischen in „Stil“ und „modern“. Ähnlich war das Angebot 1975, es kamen noch Küchentische dazu. Im Jahr 1977 fehlen Ess- und Ausziehtische, die 1979 jedoch wieder gelistet sind. Dafür bietet Grabfeld-Möbel 1977 auch Eckbänke an.

    Die Kataloge der beiden Firmen zeigen eine große Auswahl unterschiedlichster Programme und auch Materialien. Zugleich wird eine Kulturgeschichte des Möbelwandels deutlich von den Nierentischen und filigranen Fernsehschränkchen der 1950er bis hin zu den massiven, großformatigen Möbeln der 1970er Jahre, die Wohlstand symbolisieren. Interschmidt verkaufte zeitweise zusätzlich Vasen aus Murano und Kunstgegenstände.

    Für Grabfeld-Möbel entwarf Manfred Schmidt, der gelernter Schreiner ist, neue Modelle. Bei der Produktion griff man bald auf Zulieferfirmen zurück: Grabfeld-Möbel bezog zum Beispiel ab Mitte der 1950er Jahre Tischbeine von den in Nachbarlandkreisen liegenden Firmen Pidun aus Burgpreppach und später Saal an der Saale.

    Das rasche Wachstum beider Betriebe in den 1950er und 1960er Jahren führte zu Personalknappheit: Interschmidt warb mit Prospekten und Veranstaltungen in den Gasthöfen der umliegenden Dörfer. Die Arbeiter wurden, mangels eigener Fahrzeuge, mit Bussen zur Arbeit und zurück nach Hause gebracht.

    1973 waren bei Grabfeld-Möbel durchschnittlich zwanzig Prozent der Beschäftigten Ortsansässige, die übrigen Einpendler aus Orten im Umkreis von etwa zwanzig Kilometern. Bei Interschmidt sind Anfang der 1970er Jahre außerdem fünf Beschäftigte aus dem Schweinfurter Raum belegt, die mit dem eigenen PKW pendelten sowie leitende Angestellte aus Nürnberg und München mit Zweitwohnsitz in Königshofen.

    Grabfeld-Möbel und Interschmidt erlebten bis zur Mitte der 1980er Jahren einen rasanten Aufstieg, beschäftigten zahlreiche Mitarbeiter aus der Region, expandierten auf den Firmengeländen und hatten sowohl ihre Rohstofflieferanten als auch ihren Kundenkreis sowohl in der Region als auch in der ganzen Welt. Sulzdorf an der Lederhecke hatte im Jahr 1967 neben Königshofen die höchste Wirtschaftskraft im Landkreis Königshofen inne. 1970 bildete der Ort neben Königshofen und Saal an der Saale einen der „industriellen Schwerpunkte des Kreises“, insbesondere wegen der holzverarbeitenden Industrie, bei der In-terschmidt und Grabfeld-Möbel eine zentrale Rolle spielten.

    Max Schmidts Sohn Horst, gelernter Holztechniker, arbeitete seit den späten 1960er Jahren zunächst zeitweise im Betrieb mit und übernahm ihn schließlich. Die Blütezeit der Firma war von den späten 1960er bis Mitte der 1980er Jahre. Doch im Oktober 1990 meldete Interschmidt Konkurs an, etwa hundert Mitarbeiter verloren ihren Arbeitsplatz. Ein Jahr später übernahm die Firma Hund GmbH & Co. KG aus Wolfach im Schwarzwald den Betrieb. 50 Arbeiter nah-men die Produktion von Büromöbeln auf. Der Betrieb existiert bis heute.

    Die Firma Grabfeld-Möbel Richard Schmidt florierte im selben Zeitraum wie Interschmidt, meldete aber 2007, damals unter dem Namen Grabfeldmöbel GmbH & Co. KG und Wohnmöbel GmbH & Co. KG unter der Geschäftsführung von Barbara Peuker mit rund 140 Mitarbeitern, Insolvenz an. Sulzdorf verlor damit seinen Hauptsteuerzahler. 2008 wurde der Betrieb umgewandelt in die Sulzdorfer Möbelwerke, die mit 95 Mitarbeitern den Betrieb aufnahmen und nunmehr Insolvenz anmeldeten.

    Quellen: Dr. Birgit Speckle: Interschmidt und Grabfeld-Möbel: Ein Stück Wirtschaftsgeschichte im Grabfeld. In: Umbruchzeit - Die 1960er und 1970er Jahre auf dem Land - Der letzte Gaul - der erste Porsche, Fladungen 2011; Reinhold Albert: Chronik der Gemeinde Sulzdorf 1994.

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