120 Tagessätze zu 50 Euro sind kein Pappenstiel: "Wir werden uns gut überlegen, ob wir vorm Landgericht in Berufung gehen", sagt denn auch der geschickt, aber bislang erfolglos agierende Verteidiger des 47jährigen Angeklagten gegenüber der MAIN-POST. Denn bei einer solchen Höhe würde der Bauingenieur als vorbestraft gelten, sobald das Urteil rechtskräftig wird.
Wußte er's, oder wußte er's nicht? So lautet die Gretchenfrage des Verfahrens vor dem Amtsgericht Mellrichstadt. Der Angeklagte, immerhin seit 20 Jahren im Bau beschäftigt, behauptet nämlich: "Dass Bahnschwellen Sondermüll sind, war mir nicht klar".
Bei Landschaftspflege-Arbeiten in einem Thermalbad musste eine fast 100 Meter lange Palisadenwand eingerissen und entsorgt werden. Der verwendete Baustoff: Alte Bahnschwellen, wie sie die Bundesbahn bundesweit benutzt und bis in die jüngste Vergangenheit zum Verkauf anbot. Die mit Teeröl haltbar gemachten Pfähle enthalten krebserregende Stoffe und bergen erhebliche Risiken für das Grundwasser.
Laut Vertrag hatte sich die mit den Arbeiten beauftragte Baufirma, Arbeitgeberin des Ingenieurs, auch zur Entsorgung dieses Materials verpflichtet. Die 13 Tonnen belastetes Material landeten jedoch auf der Deponie des Unternehmens bei Mittelstreu. Bei der Entnahme von Proben stellte die Wasserschutzpolizei Schadstoffwerte fest, die den zulässigen Grenzwert um das Elffache überstiegen.
"Und das, obwohl Sie wussten, dass es sich dabei um Sondermüll handelt, der als solcher entsorgt werden muss!", so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft.
Der Rechtsanwalt des Angeklagten wuchert souverän mit den wenigen Pfunden, die ihm zur Verteidigung bleiben: Der berufserfahrene Bauleiter habe nicht gewusst, worum es sich handelt: "Er hatte nie mit Bahnschwellen zu tun".
Zudem hätte die Firma nur "lächerlich geringe" Entsorgungskosten von etwa 2000 Euro vermieden. "Bei einem Auftragsvolumen von einer halben Million Mark riskiert dafür niemand eine Straftat", führt der Anwalt aus. Noch vor dem Plädoyer beantragt er eine Verfahrenseinstellung gegen Geldauflage.
Erfolg hat er bei Richter Hein damit jedoch nicht. Das Gericht glaubt, der Angeklagte habe sogar noch nach Entdeckung der Schwellen durch die Polizei versucht, diese über den wahren Umfang des Materials zu täuschen. "Den Beamten der Wasserschutzpolizei haben Sie die vier Tonnen auf dem Hof der Firma gezeigt und behauptet, das sei alles", wirft Hein dem Bauleiter vor. Erst längere Recherchen der Ermittler hätten ergeben, dass noch neun Tonnen in der Deponie lagen.
Auch das Erscheinungsbild der Bauausschreibung wertet Hein mit: "Auf einer neuen Seite steht unmittelbar neben dem Einheitspreis der Begriff Sondermüll: Wer Ihre Berufserfahrung hat, bei dem müssen bei diesem Wort die Alarmglocken läuten", so Hein. Überhaupt gehöre die Gefährlichkeit solcher Bahnschwellen mittlerweile zum Allgemeinwissen. "Das geisterte durch sämtliche Medien".
Heins Eindruck deckt sich auch mit dem des ermittelnden Beamten: "Ich würde sagen, der Angeklagte hat's halt mal probiert", beurteilt er die Tatsache, dass der Ingenieur zunächst nur die vier Tonnen verseuchtes Material auf dem Hof des Betriebes zugegeben hatte.
Und da der Angeklagte eben dies bis zuletzt nicht einräumt, geht Richter Hein mit seinem Urteil deutlich über die 90 Tagessätze des Strafbefehls hinaus, gegen den der Ingenieur Einspruch eingelegt hatte.