Elina Grötsch ist jung, zierlich – und steigt den Leuten aufs Dach. Das lassen sich die meisten aber gern gefallen, schließlich ist Elina unterwegs im Auftrag des Glücks. Die 17-Jährige macht eine Ausbildung zur Schornsteinfegerin und ist sich sicher: "Ich habe meinen Traumberuf gefunden."
Wie das Streutal von oben aussieht, weiß Elina genau, sie verbringt viel Zeit über den Dächern von Mellrichstadt. Und ist sich dabei durchaus der Gefahren bewusst, die ihre Arbeit mit sich bringt. Kaminkehren in mehreren Metern Höhe, das ist nicht für jeden etwas. "Ich habe Respekt vor der Höhe, aber keine Angst", sagt die Stockheimerin. Für sie ist dieser Teil der Arbeit der schönste im Ausbildungsalltag. Selbst wenn es frostig kalt ist.
Lernen vom Meister: Zu zweit aufs Dach
Verblüffte Blicke erntet die junge Frau öfter, wenn sie ihren Chef, Schornsteinfegermeister Benjamin Schultheis, oder seinen Gesellen Sebastian May begleitet und an Haustüren klingelt. Allein darf die 17-Jährige in ihrer Ausbildungszeit noch nicht zu den Kunden. Doch in der Gemeinschaft geht alles besser, wie man so schön sagt, derzeit ist eben noch Lernen angesagt.
"Ich habe Respekt vor der Höhe, aber keine Angst."
Schornsteinfeger-Azubi Elina Grötsch ist schwindelfrei
Wenn die Kunden die Tür öffnen und die 1,53 Meter große, 48 Kilogramm leichte junge Frau sehen, ist das Eis auch bei Leuten, die den Schornsteinfeger sonst nicht so gern hereinlassen, schnell gebrochen. Elina kennt Geschichten von Menschen, die mürrisch schimpfen, dass Kaminkehrer Schmutz ins Haus bringen, sie selbst hat diese Erfahrung noch nicht gemacht. "Im Gegenteil, bislang waren immer alle sehr freundlich zu mir." Auch ein Grund, warum ihr der Job so gut gefällt.
Elina wagt den Einstieg in die Männerdomäne
Bei einem Praktikum hatte die Stockheimerin in den Beruf des Kaminkehrers hineingeschnuppert – da hatte sie schon eine Reihe anderer Praktika im Kindergarten, im Friseursalon und als Lageristin hinter sich und wusste danach stets: "Das ist nichts für mich." Über den Dächern der Stadt reifte die Entscheidung dann recht schnell: Sie wollte den Einstieg in die Männerdomäne wagen und bewarb sich bei Benjamin Schultheis um eine Ausbildungsstelle.

Im Praktikum hatte sich der Mellrichstädter Schornsteinfegermeister, der seit April 2015 selbstständig ist und derzeit mit Sebastian May noch einen Meistergesellen beschäftigt, schon vom Engagement der jungen Frau überzeugen können. Im September 2018 begann Elina Grötsch ihre duale Ausbildung, die drei Jahre dauert. Neben der Lehrzeit im Betrieb lernt sie ihr Handwerk an der Berufsschule in Dietfurt an der Altmühl in der Oberpfalz.
Berufsschule in der Oberpfalz
In Blöcken von mehreren Wochen, zwölf pro Lehrjahr und weiteren zwei Wochen im zweiten und dritten Jahr, kommen die Auszubildenden aus Ober-, Mittel- und Unterfranken sowie der Oberpfalz hier zur überbetrieblichen Ausbildung zusammen. Der weite Weg ist schnell erklärt: In ganz Bayern gibt es nur zwei Berufsschulen für angehende Schornsteinfeger. Im zweiten Lehrjahr sind insgesamt 50 Auszubildende an der Schule, darunter noch eine junge Frau, erzählt Elina.
"Klar kann beim Kehren schon mal Asche aus dem Kamin stauben."
Azubi Elina Grötsch über ihre Arbeit
Einen Sonderstatus genießen die beiden Mädels nicht in ihrem Jahrgang, sagt die 17-Jährige. Schließlich müssen auch sie später ihr Handwerk beherrschen. Doch die Schulkameraden zeigen sich gern einmal als Gentlemen, wenn es um das Tragen schwerer Gegenstände, wie etwa Leitern, geht. "Die leichten Utensilien übernehmen dann wir", sagt Elina augenzwinkernd.
Ein bisschen Asche macht Elina nichts aus
Und stimmt es, wovor ihre Schulkameraden an der Mittelschule Elina vor der Ausbildung gewarnt hatten? "Da wird man so schmutzig, meinten die Mädels", erinnert sie sich schmunzelnd. "Klar kann beim Kehren schon mal Asche aus dem Kamin stauben", sagt die 17-jährige, das macht ihr aber nichts aus. Dass sie viel an der frischen Luft ist, bei Wind und Wetter aufs Dach muss, gehört für sie zum Job dazu. "Wenn es kalt ist, ziehe ich mich eben wärmer an." Ganz wetterfest ist die 17-Jährige aber noch nicht: "Meine Finger frieren leicht, aber das gibt sich bestimmt mit der Zeit."
Was andere an ihrer Jobwahl cool fanden, ist auch für sie das Highlight: Rauf aufs Dach, den Kamin kehren und auch mal über Dörfer und Felder schauen, das gefällt ihr an ihrer Arbeit am besten. Auch wenn es dann zumeist Winter ist, denn im Sommer wird weniger gekehrt, vielmehr werden Heizungen gemessen.
In Mellrichstadt und den Stadtteilen, in Ober- und Mittelstreu, aber auch im Besengau ist sie mit den Kollegen unterwegs. Immer im Auftrag des Glücks. Das soll auch so bleiben. Nach der Ausbildung will die Stockheimerin zunächst als Gesellin weiterarbeiten, später vielleicht ihren Meister machen. Und dabei zeigen, dass auch Frauen in diesem Beruf ihren Mann stehen können. Hoch oben, über den Dächern im Streutal.
Kaminkehrer suchen NachwuchsIm Frühjahr 2019 hat die Kaminkehrer-Innung Unterfranken einen Aufruf gestartet, um mehr Auszubildende für den Beruf des Schornsteinfegers zu begeistern. Denn den Glücksbringern im Bezirk fehlt es an Nachwuchs. In Mellrichstadt ist die Lage nicht ganz so brisant. Schornsteinfegermeister Benjamin Schultheis freut sich über reges Interesse von Praktikanten, die bei ihm in den Beruf hineinschnuppern möchten. "Viele wissen gar nicht, was ein Schornsteinfeger alles macht", sagt er. Und staunen dann: Denn die Arbeit ist vielschichtiger als gedacht. Neben dem Reinigen der Schornsteine mit dem Kaminbesen werden diese auch kontrolliert, ebenso wie Abgasleitungen, Kaminöfen, Heizungs- und Lüftungsanlagen. Zudem wird geprüft, ob etwa der Kohlenmonoxid-Wert im Abgas zu hoch ist. Und natürlich können die Schornsteinfeger zu Verbraucherthemen wie Energie sparen und Umweltschutz beraten.Wenn Elina Grötsch 2021 ihre Ausbildung im Betrieb von Benjamin Schultheis abgeschlossen hat, steht im besten Fall schon ein Nachfolger in den Startlöchern. Ein qualifizierender Hauptschulabschluss ist für Schultheis eine Voraussetzung für die Lehrstelle, die zweite lautet: schwindelfrei sein. Wer Interesse an einer Ausbildung zum Schornsteinfeger hat, kann sich bei der Kaminkehrer-Innung Unterfranken in Rottendorf informieren und natürlich über Praktika ausprobieren, ob der Job der richtige ist.