Es gibt Hindernisse, die lassen sich beim besten Willen nicht so einfach aus dem Weg räumen. Im Falle der neuen Orgel für die Pfarrkirche in Maldon in der Grafschaft Essex müssen sich die Beteiligten aber gleich mit zwei großen Problemen herumschlagen. Die Corona-Pandemie und der Brexit. Eigentlich war der Plan von Kirchenmusikdirektor Colin Baldy, die Orgelbaufirma Hey mit dem Bau eines neuen Instruments zu beauftragen.
Weil aber schon voriges Jahr völlig unklar war, wie sich die Beziehungen zwischen dem Königreich und dem Festland-Europa nach dem Austritt aus der EU entwickeln werden, erschien die Zeit dafür zu knapp. Deshalb fiel die Entscheidung für eine gebrauchte Orgel. Sie wurde von dem in Urspringen beheimateten Unternehmen für die Bedürfnisse in der Kirche des Küstenstädtchens umgebaut. Aufgestellt werden sollte das gute Stück zwischen Ostern und Pfingsten. Doch das verhinderte die Corona-Pandemie.
In England durften auch die Handwerker nicht arbeiten
Weil in England auch die Handwerker nicht arbeiten durften, wurde die Empore in der altehrwürdigen Kirche, auf der die Orgel ihren Platz finden soll, nicht rechtzeitig fertig. Deshalb wird Thomas Hey jetzt im September mit der in Einzelteilen zerlegten Orgel nach Maldon fahren, um das Instrument dort aufzubauen. Den Weg in die gut 14 000 Einwohner zählende Kleinstadt östlich von London kennt der Orgelbauer und Intonator, wie man jene Fachleute nennt, die das Instrument zum Klingen bringen, bereits aus früheren Besuchen. Die Beziehungen zwischen Baldy und dem Haus Hey existieren bereits seit 2008.

Auf dem Weg nach Italien, wo er in Umbrien einen Zweitwohnsitz besitzt, war Colin Baldy, der unter anderem auch den Chor von St. Marys in Maldon leitet, auf einen Abstecher bei den Heys in Urspringen vorbeigekommen. Dort steht in einer großen Halle die um zwei Meter auf jetzt sieben Meter Höhe gekürzte Orgel. In das Instrument bauten die Heys den ursprünglich frei stehenden Tisch ein. Die Orgel stammt von der Bonner Firma Klais und war 1989 für eine katholische Kirche in Pirmasens gebaut worden. Nachdem das Gotteshaus an eine ukrainische Glaubensgemeinschaft veräußert worden war, die keine Verwendung für das Instrument hatte, wurde das gute Stück auf einer Internetseite für gebrauchte Orgel angeboten. Dort hatte sie Colin Baldy entdeckt.
Colin Baldy ist auch ausgebildeter Bariton und Buchautor
Der Musikdirektor, Autor von Fachbüchern und ausgebildeter Bariton, suchte für den Chorgesang ein Instrument mit breiterem Klangspektrum, als sie gemeinhin die oft aus dem 19. Jahrhundert stammenden englischen Orgeln bieten. Deren romantisch-weicher Klang erfreut sich wiederum seit gut zehn Jahren hierzulande einer zunehmenden Beliebtheit, wie Orgelbaumeister Herbert Hey im Gespräch mit dieser Redaktion erklärt.

Deswegen werden immer mehr Orgeln aus dieser Zeit aus stillgelegten Kirchen auf den Kontinent gebracht und aufgemöbelt. Die Orgel aus Pirmasens geht den umgekehrten Weg, weil sich die deutschen Orgeln mehr an dem Klangideal des Barock orientieren. Oder, wie es Thomas Hey ausdrückt: "Sie klingen mehr nach Bach als nach Reger." Um aber auch weiterhin ruhige englische Chormusik im richtigen Sound begleiten zu können, wurde auch in diese Orgel ein Register mit romantischer Prägung eingebaut. Es ist eines von insgesamt 24. Zudem verfügt das Instrument über rund 1600 Pfeifen, zwei Manuale und Pedal.
Um die Zeit bis zur Lieferung der neuen Orgel zu überbrücken, lieferte die Firma Hey ein deutlich kleineres Instrument als Leihgabe für die Chorarbeit und nahm dafür die alte, reperaturbedürftige Orgel der Kirche in Zahlung, die nach ihrer Reparatur seit 2018 in Kilianshof steht. Voriges Jahr wurde dann die geliehene Orgel nach Flamstead in die St. Leonard’s Church unweit von Luton in die Grafschaft Hertfordshire verkauft. Die Hey-Orgel war zunächst von Baldy und seinem Chor während der letzten Auftrittsreise, die auch in die Region führte, vor Ort in Urspringen getestet worden. Gut 300 Orgeln allein in Deutschland betreut die Firma Hey, in England kommt jetzt noch eine dazu.
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