Wer auf der Hochfläche der Weisbacher Jungviehweide spazieren geht, der darf schon im zweiten Sommer eine stattliche Herde an Kühen mit ihren Kälbern bewundern. Kühe auf der Weisbacher Jungviehweide, das gab es seit vielen Jahren nicht mehr. Es sind die Tiere von Claudia und Horst Hartmann, die das Landschaftsbild nun bereichern.
Doch es handelt sich hier nicht um einen Streichelzoo oder ein rein touristisches Projekt – im Gegenteil. Es ist ein Deckbulle mit dabei, und die Kühe haben Kälber. Und es geht um ein Beweidungskonzept, die sogenannte Kurzrasenweide, um einer zunehmenden Verbrachung der Landschaft und damit einhergehender Verbuschung auf den Hochflächen der Rhön entgegenzuwirken.
40 Mutterkühe
Horst und Claudia Hartmann haben derzeit 40 Mutterkühe, noch einmal so viele Kälber und gut 30 ein- und zweijährige Tiere auf der Weisbacher Jungviehweide. Schon als junger Mann hat Horst Hartmann in der elterlichen Landwirtschaft, die im Nebenerwerb betrieben wurde, aktiv mitgearbeitet. Der klassische Milchviehbetrieb wurde noch vor der Betriebsübergabe Mitte der 1990er Jahre auf Mutterkuh-Haltung umgestellt. Die Betriebsübergabe erfolgte 2005, die Umstellung auf Bio im Jahr 2008. Schon in den 1990er Jahren trieben Hartmanns ihre Kühe auf die Weide.
Zur damaligen Zeit völlig unüblich in der bayerischen Rhön, Kühe wurden im Stall gehalten und gefüttert, das Grünfutter wurde gemäht, das war die klassische Form. Doch Hartmanns wollten zurück zur ursprünglichen Landwirtschaft. „In früherer Zeit war es üblich, die Kühe auf die Jungviehweide zu treiben. Auch die Milchkühe wurden früher Tag für Tag nach draußen gebracht.“ Für Hartmanns bedeute die Weidehaltung zudem eine Arbeitserleichterung. „Die Kühe suchen ihr Futter selbst, es muss nichts gemäht werden.“
Neuer Stall
Doch da ihre Grünflächen rund um Weisbach verteilt liegen, mussten sie alle paar Tage neu zäunen und die Tiere umtreiben. „Es war ein enormer Aufwand. Wir waren quasi nur mit Zaunstellen beschäftigt. So konnte das nicht weiter gehen“, sagte Horst Hartmann. Und auch im Winter wurde es im Stall sehr eng. Jeden zweiten Tag musste Mist gefahren werden, was außerhalb von Frostperioden kein Vergnügen war.
Bauliche Veränderungen waren unumgänglich, es wurde im Jahr 2011 ein großer Stall zwischen Weisbach und Sondernau gebaut. „Eine weitere Entwicklung am Hof in Weisbach war nicht mehr möglich, und wir wollten expandieren“, so Hartmanns im Rückblick. Eine größere zusammenhängende Weidefläche zu bekommen, war ein weiteres Ziel von Familie Hartmann. Als im Jahr 2014 die Pachtverträge für die Weideflächen auf der Rhön ausliefen, bewarben sie sich.
Gras bislang nicht ausreichend genutzt
Sie hatten sich mit ihrem ältesten Sohn, der in Triesdorf Landwirtschaft studiert, schon eingehend, mit dem Thema Weidehaltung auf Hochflächen auseinandergesetzt. Denn im Gegensatz zu den regelmäßig genutzten Flächen in Ortsnähe, seien die Flächen auf der Weisbacher Jungviehweide in der Vergangenheit durch Schafe zwar beweidet, aber keineswegs abgeweidet worden. Die immer größer werdenden Horste der Rasenschmiele verwandelten die Flächen in den vergangenen Jahrzehnten in buckelige unebene Wiesen.
Siegfried Steinberger von der Landesanstalt für Landwirtschaft aus München-Grub kam in die Rhön, um sich die Problematik der Mittelhut anzuschauen. „Es ist genug Futter für alle da, das Gras ist nicht ausreichend genutzt worden, vieles wurde umgetreten. So entstand eine Brache mit unebenen Flächen“, erklärte Claudia Hartmann das Problem.
Umstellung auf Gelbvieh
„90 Prozent des Aufwuchs wurden nicht abgefressen.“ Steinberger schlug vor, die Fläche von Kühen beweiden zu lassen und zwar so, dass sie, den immer neuen Aufwuchs fressen. Die Hartmanns folgten dem Rat des Experten. In diesem Jahr standen die Tiere schon am 25. April auf der Hochrhön. Natürlich wurden die Hartmanns gefragt, was die Tiere denn fressen sollen, die Weiden sahen grau und kahl aus. Sie betonen: „Hunger leiden unsere Tiere keinen. Unser Konzept funktioniert.“ Ob auch die Umstellung auf das traditionelle Gelbvieh funktioniert, das müssen die Zuchtergebnisse der nächsten Jahre zeigen.
Die Vermarktung ihrer Tiere erfolgt derzeit über eine Biomarkt-Kette im Allgäu, über den Naturland-Verband. Gerne würden Hartmanns ihre Tiere in der Rhön vermarkten, doch es habe dazu bisher keine Möglichkeit gegeben. „Wir benötigen einen EU-Bio-Zertifizierten Verarbeitungsbetrieb.“ Hartmanns hoffen, dass über die Ökomodellregion und die Dachmarke Rhön Entwicklungen möglich sein werden.
Gutes Gewissen beim Fleischkauf
Von der Philosophie ihres Modells sind sie überzeugt: „Wer Fleisch kauft, das so erzeugt wurde, braucht keine Sorge zu haben, dass die Tiere unter schlechten Bedingungen gelebt haben, und dass sich in den Lebensmitteln Rückstände von Glyphosat und Co. befinden.“
Die artgerechte Weidehaltung auf der Hochrhön lässt Rindfleisch bester Qualität entstehen, von der Artenvielfalt profitieren auch die Bienen.
Öko-Erlebnistag am 11. September Wer sich über das Konzept und Tier der Familie informieren möchte, hat dazu bei einem Hoffest unter dem Motto „Bio-Rind trifft Biene“ die Möglichkeit dazu. Im Rahmen der Bayerischen Öko-Erlebnistage laden Claudia und Horst Hartmann am Sonntag, 11. September, von 10.30 bis 18 Uhr dazu auf das Gelände des Stalles im Neumühlenweg in Weisbach ein. Dabei stellen sie ihren ökologisch bewirtschafteten Hof und die Bedeutung des Öko-Landbaus für die Bienen vor. Kai Schmidt, der Projektmanager der Öko-Modellregion, wird als Mitveranstalter Fragen zu den Vorteilen des ökologischen Landbaus und zur Öko-Modellregion beantworten. Der Verband Naturland, die Kreisgruppe des BUND Naturschutz und die Vorsitzende des Kreisverbandes Imker Seehaus-Arnold stellen umfangreiches Informationsmaterial zum Öko-Landbau, zur Förderung der Biodiversität und zur Bienenhaltung zur Verfügung. Das kulinarische Highlight beim Festbetrieb wird der Ochs am Spieß sein. Weide- und Stallführungen, eine Geräteschau, musikalische Unterhaltung mit den Weisbacher Musikanten und den GrabfeldBieraten und ein buntes Kinderprogramm ergänzen das Programm.