Kein Wunder, dass der Tänzer sauer ist. Trotzdem kritisiert er nicht den unvermeidlichen Personalabbau, der dieser Kooperation durch die Kosteneinsparung erst Sinn gibt. Vielmehr sind Schmädicke und die weiteren 14 Mitglieder des Meininger Balletts wütend über die Art und Weise, wie Intendant Res Bosshart ihnen allen den Stuhl vor die Tür gestellt hat. Den Tänzern geht es nicht mehr nur um ihren Job, es geht ihnen mittlerweile auch um ihre Reputation als Künstler.
Bosshart begründete das Auslaufen der Verträge mit fehlendem Können. Nach Darstellung der Tänzer warf er etwa Schmädicke vor, schlecht heben zu können. Bei dessen Kollegin Rosenberger kritisierte er zu geringe Ausstrahlung und mangelhafte Koordination. Einem Tänzer hielt er vor, er verliere den Ausdruck auf der Bühne; einem anderen, ihm fehle die Erfahrung. "Der Intendant hat uns unter der Gürtellinie angegriffen", schimpft nun Schmädicke. "Wir fühlen uns um unseren Job betrogen."
Denn die Kritik kam für die Tänzer einem Blitz aus heiterem Himmel gleich. Zuvor seien die Äußerungen des Intendanten über die Ballett-Inszenierungen immer positiv gewesen. Zudem habe die Verwaltung sie für die besten Zuschauerzahlen aller Sparten gelobt. Die Begründungen für ihren kollektiven Rausschmiss erscheinen ihnen daher auch nur vorgeschoben.
Fusion und Neuausrichtung?
Der Intendant will offenbar die Fusion der Tanz-Ensemble von Eisenach und Meiningen mit einer Neuausrichtung verbinden. Laut Swetlana Rosenberger bezeichnete er klassisches Ballett als altmodisch. "Er sagte, man muss das Publikum fördern, ob es will oder nicht." Das Zauberwort in allen Gesprächen sei "Contemporary Dance" gewesen. Das klingt verführerisch neu und modern, doch die Theater in Eisenach und Meiningen bedienen kein Publikum von Großstädten, wo sich für jede Spielart noch immer genügend Interessenten finden.
Das Unbehagen an der Neuausrichtung artikulierte Anfang Oktober bereits Eisenachs Oberbürgermeister Gerhard Schneider (CDU), der jetzt allerdings kein weiteres Öl ins Feuer gießen möchte. Deshalb sagt er diplomatisch, zunächst müsse das künstlerische Konzept von Bosshart für das Eisenacher Haus auf den Tisch. Kulturdezernentin Ute Lieske befürwortet durchaus den neuen Aspekt beim Tanz, mit dem auch andere Zuschauergruppen angesprochen werden könnten. Ganz auf klassisches Ballett will indes auch Lieske nicht verzichten.
Das gemeinsame Ensemble, in dem voraussichtlich 15 Tänzer beschäftigt werden, soll jedoch nicht nur eine neue Richtung bekommen, sondern auch neue Leute. Wie in Meiningen wollte Bosshart auch in Eisenach die Verträge der bisherigen Tänzer zum Ende der Spielzeit auslaufen lassen. Das hat der Aufsichtsrat des Eisenacher Theaters in der vergangenen Woche unterbunden. Er verschob den Personalabbau im Ballett zunächst um ein Jahr.
Truppe will Widerspruch einlegen
Der wütende Intendant ließ sich darauf angeblich mit den Worten vernehmen, dass jetzt alles offen ist. Die Kooperation, seine Arbeit als künftiger Eisenacher Intendant? Auch die Meininger Tänzer könnten Bosshart nun weiter in die Bredouille bringen. Schmädicke und Rosenberger kündigten an, dass sich einige Mitglieder der Truppe mit einem formalen Widerspruch gegen das Auslaufen ihrer Verträge wenden wollen. Die Tänzer verstehen nicht, warum sie nicht die Chance bekommen, an der Neuausrichtung teilzunehmen. Eingestellt wurden sie jeweils vom Ballettchef - sollten sie nicht auch vor diesem beweisen können, ob sie geeignet sind oder nicht?
Desinteresse am Können
Ein Tänzer beispielsweise hat Erfahrungen im neuen Stil, doch Bosshart habe sich desinteressiert gezeigt. Schmädicke wiederum sagte seinem Intendanten, er wolle genau in die neue Richtung, die stärker auf persönliche Interpretation setzt und mehr schauspielerische Fähigkeiten verlangt, doch Bosshart habe nur abgewunken: "Ich glaube nicht, dass Sie das können."
Swetlana Rosenberger meint allerdings, dass die Basis des Tanzens nun einmal die klassische Ausbildung sei, die alle vorweisen könnten. Sie hält es durchaus für möglich, mit ein oder zwei Monaten Training auch in der neuen Richtung zu tanzen. Gäbe es dann nicht eine soziale Verpflichtung des Intendanten, von den bisherigen Tänzern so viele wie möglich weiter zu beschäftigen?
Doch der Intendant lässt nur mitteilen, er beantworte derzeit öffentlich keine Fragen. Für den Meininger Stiftungsrat erklärt dessen Vorsitzender, der Thüringer Innenminister Andreas Trautvetter (CDU) lediglich: "Für Personalentscheidungen ist alleine der Intendant zuständig."