Liebe Leserin, lieber Leser,
von Heinrich Spaemann, einem deutschen Theologen (1903 bis 2001) stammt das Wort: „Was wir im Auge haben, das prägt uns. Wir kommen, wohin wir schauen.“
Dass wir zu Beginn eines neuen Jahres Ausschau halten, ist normal. Denn wer fasst keine Vorsätze, wer schmiedet keine Pläne, wer denkt nicht darüber nach, was in diesem Jahr alles ansteht? Dass es sich lohnt, das neue Jahr in den Blick zu nehmen, kann man auch an der Weihnachtsgeschichte des Evangelisten Lukas erkennen.
Da sind zum einen die Hirten, die sich auf den Weg zur Krippe gemacht haben. Und dort kommen sie ja nicht einfach so zufällig vorbei, sondern sie lassen das Bild, das der Engel ihnen erzählt hat, vor ihren Augen entstehen. Sie bekommen eine Idee, eine Vision von dem, wo und wie sie den Messias antreffen. Und von dieser Vision lassen sie sich leiten. Und deswegen gelingt es ihnen auch, das Kind in der Krippe zu finden.
Neben den Hirten, ist auch bei Maria und Josef davon auszugehen, dass sie ein Bild vor Augen haben, von dem sie sich prägen und leiten lassen. Denn beide wissen nicht wirklich, worauf sie sich einlassen.
Bilder, Visionen und Gedanken haben also eine unglaubliche Kraft und befähigen uns zu Taten, die wir vorher nicht im Traum für möglich gehalten hätten. Und die Menschen in der Bibel zeigen uns, dass das durchaus auch utopische Bilder, Visionen und Gedanken sein dürfen. Und wir brauchen sogar noch nicht einmal ganz exakt und genau wissen, wie wir sie erreichen können. Wichtig ist nur, zu wissen, wohin man überhaupt kommen möchte. Denn nur so hat man überhaupt eine Chance, es dorthin auch zu schaffen.
Vielleicht könnte es für uns an einem dieser ersten Tage des Jahres eine schöne Übung sein, uns ein bisschen Zeit zu nehmen und die eigene Vision für dieses kommende Jahr vor dem inneren Auge entstehen zu lassen. Und je konkreter es wird, desto besser. Nur vage Vorsätze zu fassen oder nur so eine zaghafte Idee davon zu haben, was in diesem Jahr vielleicht passieren könnte, ist nicht hilfreich. Ich sollte schon ganz genau wissen, was für mich attraktiv ist, was genau mich weiterbringt.
Und ich denke, es ist in diesem Jahr besonders wichtig, eine positive Vision vor Augen zu haben. Denn nach den schwierigen Jahren mit Corona, in Anbetracht des Kriegs in der Ukraine, der Inflation, der Energiekrise, der Klimakrise und all den Unsicherheiten – auch in der Kirche, die sich in einem Epochenwandel befindet – ist es umso wichtiger, ein Bild davon zu haben, wie für mich persönlich das Leben gut gelingen kann.
Der Autor: Thomas Menzel, Pfarrer im Pastoralen Raum Mellrichstadt.