In diesen Tagen feiern wir Erntedank. Eine etwas ungewöhnliche Bilanz über das 2023er Erntejahr ziehen mit Geschäftsführer Michael Diestel, Kreisbäuerin Margit Ziegler und stellvertretende Kreisobmann Michael Derleth drei Vertreter des Bayerischen Bauernverbands Rhön-Grabfeld bei einem Pressegespräch. Und der Ort ist passend gewählt. Man trifft sich an der imposanten Heustreuer Erntekrone aus dem Jahr 2009 hoch über dem Streu- und Saaletal.
Von hier oben hat man eine tolle Sicht in die Region, kann den Blick über den Tellerrand hinaus schweifen lassen und dabei nicht nur das diesjährige Ernteergebnis im hiesigen Landkreis betrachten, sondern allgemein die aktuelle Situation in der Landwirtschaft, aber auch die Zukunftsperspektiven unserer Gesellschaft beleuchten.
Durchschnittlich ist die Ernte heuer ausgefallen. Auf das feuchte Frühjahr folgte ein trockener Frühsommer, Regen im August und nun ein sommerlicher September. Gut für Zuckerrüben, Mais und andere Feldfrüchte, schlecht für das Getreide – resümieren Margit Ziegler und Michael Derleth. Sorgenfalten ruft bei Michael Diestel jedoch der beträchtliche Rückgang der Schweine- und Milchviehhaltung hervor. Die Corona-Jahre, der Ukraine-Krieg und der Klimawandel hätten vor Augen geführt, wie labil unsere Systeme sind, wie sich die Bewirtschaftungsbedingungen verändert haben und noch verändern. Gab es vor 20 Jahren noch über 2000 Betriebe bei uns, so sind es heute gerade noch 1250, wobei etwa ein Drittel davon Vollerwerbsbetriebe sind.
Dabei ist eine Diversifikation zu beobachten. Während sich einige auf die Tierhaltung spezialisiert haben, wenden sich andere der ökologischen Landwirtschaft oder der Gemüseproduktion zu. Dass der Selbstversorgungsgrad bei Nahrungsmitteln in Deutschland nur bei 87 Prozent liegt und wir somit von Nahrungsmittelimporten abhängig sind, gibt zu denken.
Wir wollen Nahrungsmittel produzieren und nicht stundenlang vor dem Computer sitzen müssen.
Das Trio über den Strukturwandel in der Landwirtschaft
Der Strukturwandel in der Landwirtschaft verläuft weiterhin ungebremst. Enorm hoch ist die Belastung durch die Bürokratie. "Wir wollen Nahrungsmittel produzieren und nicht stundenlang vor dem Computer sitzen müssen!", so die deutliche Kritik der drei Vertreter des Bauernstandes. Der Beruf sei eigentlich sehr vielfältig, sagen Margit Ziegler und Michael Derleth. Erfreulich sei, dass auch Nebeneinsteiger sich der Landwirtschaft zuwenden und sich ausbilden lassen. Eindringlich appelliert das Trio: "Wir alle sind aufgefordert, umzudenken, achtsam und sparsam mit dem Boden, aber auch mit unseren Lebensmitteln umzugehen."
"Irgendwie skurril, dass wir auf der einen Seite Erntedank feiern und gleichzeitig jeder von uns durchschnittlich jährlich 75 Kilogramm an Nahrungsmitteln wegwirft."
Margit Ziegler, Kreisbäuerin
Eine Zahl, die aufschrecken muss: Tagtäglich verlieren wir allein in Bayern durch Ausweisung von Bauland, Straßenbau und Versiegelung elf Hektar landwirtschaftliche Fläche. "Wenn wir so weitermachen, zerstören wir unsere Lebensgrundlagen", so Michael Diestel. Hoffnung macht da der Zukunftsvertrag zwischen dem Freistaat und der Landwirtschaft mit einer vorgesehenen deutlichen Reduzierung dieses Flächenverbrauchs. Ein Zeichen dafür, dass Politik und Gesellschaft inzwischen für das Thema sensibilisiert sind.
"Irgendwie skurril, dass wir auf der einen Seite Erntedank feiern und gleichzeitig jeder von uns durchschnittlich jährlich 75 Kilogramm an Nahrungsmitteln wegwirft", sagt Margit Ziegler und mahnt, nur so viel zu kaufen wie man tatsächlich brauche. "Das Mindesthaltbarkeitsdatum ist kein Aufruf zur Entsorgung nach diesem Termin. Man kann Lebensmittel auch weiter verwenden", ergänzt sie noch.
Erntedank auf dem Marktplatz in Bad NeustadtZu einem Erntedank unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit lädt der BBV für den 8. Oktober ein. Von 11 - 13.30 Uhr wird auf dem Marktplatz Landwirtschaft mit allen Sinnen spürbar, erlebbar und schmeckbar gemacht. "Über Nase und Mund wollen wir das Interesse und das Verständnis der Bevölkerung für die Landwirtschaft wecken !", so BBV-Geschäftsführer Michael Diestel, Kreisbäuerin Margit Ziegler und stv. Kreisobmann Michael Derleth.Die Veranstaltung sieht das Trio auch als Plattform für einen Dialog zwischen Erzeuger und Verbraucher. Man freut sich auf viele interessante Gespräche und ist auch für kritische Stimmen offen. Dazu gibt es Verkostungen rund um das Thema Brot und regionale Landwirtschaft. Auf den Nachwuchs wartet ein Kinderprogramm.Zum Abschluss um 13.30 Uhr gibt es eine außergewöhnliche Dankandacht in der Stadtpfarrkirche, in deren Mittelpunkt das Thema Brot steht. In einer Meditation soll der Wert dieses Grundnahrungsmittels hervorgehoben werden. Brotsprüche aus dem Mittelalter sind dabei ebenso zu hören wie Brotrezepte des 19. Jahrhunderts.Ein weiterer Höhepunkt wird das Gespräch mit dem Künstler Paul Diestel darstellen. Musikalisch umrahmt wird die Dankandacht von Peter Diestel.Quelle: BBV
