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BAD KÖNIGSHOFEN: Zwischen Schulbank und Zirkustrapez

BAD KÖNIGSHOFEN

Zwischen Schulbank und Zirkustrapez

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    Manege frei: Celina unter der Zirkuskuppel.
    Manege frei: Celina unter der Zirkuskuppel. Foto: Foto: Dümpert

    Hanna ist neun Jahre und geht in die 3. Klasse der Grabfeld-Grundschule. Nach der Schule macht sie Hausaufgaben, besucht dann eine Freundin oder wird von ihr besucht. Sie spielen in ihrem Zimmer oder draußen im Garten. Wenn sie Geburtstag hat, lädt sie viele Kinder ein. Sie spielt Klavier, Tennis und Fußball. In ihrer Klasse war letzte Woche auch Celina, ebenfalls neun, aber nur für vier Tage. Nach den Ferien geht sie irgendwo in eine andere Schule. Wo, weiß sie noch nicht. Sie besucht im Jahr mit ihrer Familie rund 80 Städte und geht in 50 verschiedene Schulen. Celina ist ein Zirkuskind.

    Am Freitag war Kindervorstellung draußen am Brügel, vom Familien-Zirkus Florida. Rund 150 Kinder und Erwachsene waren da. Dabei sah Hanna Celina in einer ganz anderen Rolle. Celina zeigte Akrobatik und zusammen mit ihrem Bruder Mike junior atemberaubende Artistik am Trapez, hoch oben in der Zirkuskuppel. Ohne Netz und doppelten Boden. Unten stand ihr Vater – sicherheitshalber.

    In der Pause hilft sie an der Popcorn-Maschine und bei der Tierschau. Auf die Frage ihrer Klassenkameraden, wo ihr Zuhause ist, antwortet Celina erst verunsichert „äh, im Zirkus“ und ruft dann ihre Mutter. „Mama, wo sind wir zuhause?“ Da schaltet sich Stella Constanze Kramer, Künstlername „Adriana“, ein, die Chefin des Unternehmens. Bei der Vorstellung hat sie die Todesspirale hoch oben in der Zirkuskuppel gezeigt. „Unser Winterlager, die Dauer kommt auf den Winter an, ist in Kirchheim bei Erfurt, aber gemeldet sind wir in Mannheim, wo auch die Stammschule ist.“

    Als Celina am Wochenanfang in Bad Königshofen ankam, wurde sie sofort zusammen mit ihrem Bruder in der Schule angemeldet. Sie führt eine Art Fahrtenbuch mit, in dem der Schulleiter den Schulbesuch bestätigt und die Lehrerin aufschreibt, was während Celinas Aufenthalt durchgenommen wurde. „Es ist nicht so, dass Zirkuskinder nichts können. Celina ist eine durchschnittliche Schülerin und wäre wahrscheinlich Klassenbeste, wenn sie wie alle anderen auch beschult würde“, sagt Celinas Mutter. „Mike“, fügt sie voller Stolz an, „besucht im nächsten Jahr sogar die Realschule“, natürlich auch überall als Gastschüler.

    Betreut werden Zirkuskinder und Schaustellerkinder von so genannten Bereichslehrern, deren Netzwerk in Nordrhein-Westfalen am dichtesten ist. „Da funktioniert das am besten.“ Die „Florida“-Kinder müssen ein Mal im Jahr für ein paar Wochen in ihre Stammschule nach Mannheim und werden dort überprüft, wie weit sie mit dem Lernstoff sind. Besuche von Bereichslehrern gibt es hier in Bayern sehr wenige. Für Celina bleibt wenig Zeit, Kinder aus ihrer jeweiligen Klasse näher kennen zu lernen.

    Celinas Wohn-, Kinder- und Arbeitszimmer ist der Wohnwagen. Auftritte im Zirkus macht sie „seit ich sechs war, am Trapez aber erst seit letztem Jahr.“ Geübt wird praktisch jeden Tag mit Mama oder Papa. Ob sie auch Freundinnen habe? „Ja schon, in der Stammschule. Die sehe ich aber nur zwei oder drei Mal im Jahr.“ Geboren wurde sie am 27. April. Mit wem sie da Geburtstag feiert? „Halt mit meiner Familie. Wir haben doch da immer Vorstellung.“ Reisetage sind immer Dienstag und Mittwoch, Vorstellungen Freitag, Samstag, Sonntag.

    „Das kommt aber immer darauf an, wie wir Plätze bekommen“, wirft die Mutter ein. „Wir hätten es leichter, wenn die Städte nicht alle Zirkusse über einen Kamm scheren würden. Man gibt sich Mühe und will einen guten Eindruck hinterlassen und andere machen den Ruf kaputt. Viele Städte wollen keinen Zirkus mehr, obwohl sie schon lange keinen mehr hatten.“ In Bad Königshofen habe es aber keine Probleme gegeben. „Hier wurden wir fair behandelt.“

    Was ihre Zukunftspläne betrifft, hat Celina eine klare Vorstellung. „Modedesignerin“ kommt wie aus der Pistole geschossen. Celinas Mutter steht hinter ihrer Tochter. „Für uns ist es auch wichtig, dass die Kinder ihre eigenen Ideen entwickeln und ausleben, sonst sind sie ja nicht glücklich. Sie müssen den Zirkus nicht weiterführen, es wäre aber schön. Meine Mutter hatte zehn Kinder, ich habe vier. Wenn von denen einer den Zirkus weiterführt oder sogar keiner, bin ich nicht traurig.“ Stellas Mutter führte den Zirkus Constanze Busch. „Wir haben uns sozusagen abgesplittet, selbstständig gemacht. Es ist gewiss ein hartes Brot, aber schön, weil die Familie immer zusammen ist.“

    Nach der letzten Vorstellung am Pfingstmontag in Bad Königshofen zog der Zirkus Florida weiter nach Wollbach „und danach voraussichtlich 200 Kilometer weiter weg, weil wir hier keine Plätze mehr bekommen. Das ist schade, zieht ins Geld.“ Stella Constanze Kramer wird aber auch das in Griff bekommen, während sich Hanna und Celina wie zwei Fremde mit einem flüchtigen „Tschüss“ verabschieden. Freundinnen waren sie nicht, „geht ja nicht.“

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