Ralf Keidel, er zückt zum Jubiläum den Hammer und schlägt zu, mit voller Wucht auf die Glasplatte. Es knallt und scheppert, aber splittert nicht – nur eine kleine Delle ist an der Scheibe zu sehen. „Glück und Glas, wie leicht bricht das“, hieß es noch vor 100 Jahren. Dann wurde vom Darmstädter Erfinder und Chemiker Otto Röhm 1933 ein geheimnisvoller Stoff patentiert. Durchsichtig wie Glas, metallisch hart, elastisch wie Plastik: das „Plexiglas“. Für Keidel ist der Werkstoff Grundlage des Erfolgs seiner Firma Keidel Glas, die am 10.Mai 100 Geburtstag feiert, mit geladenen Gästen.
Los ging es mit Stammvater Ludwig Keidel aus Brendlorenzen, heute Ortsteil von Bad Neustadt in der Rhön. Der kam im Kaiserreich nach Schweinfurt, gründete 1913 eine Hinterhofwerkstatt in der Schweinfurter Ludwigstraße, nahe dem heutigen Augustinum. Nach dem Krieg übernahm Sohn Anton für kurze Zeit das Geschäft. Die Grundlage für das heutige Unternehmen legte ab Ende der 50er Jahre Heinrich Keidel. Mitte der 60er ging es in die Niederwerrner Breslaustraße, am heutigen Mini-Kreisel. Das große Burgmodell im Vorgarten, für manche Niederwerrner wurde es zu einer Art Markenzeichen.
„Groß und stark hat uns unser Vater gemacht“, lobt Sohn Ralf, der heute mit Ehefrau Christine den Betrieb organisiert. Zukunftsweisend sei vor allem die Entscheidung gewesen, auf das zunächst exotische, fast etwas verrufene Plexiglas zu setzen, als „Alleinstellungsmerkmal“. Ab den 80er Jahren eroberte der Kunststoff die Industrie: „Wir waren damals der Plexiglas Keidel.“ Fensterbau und Reparaturen spielen heute nur eine Nebenrolle im Familienbetrieb mit fünf Mitarbeitern. „Wir haben uns fast zum Industriezulieferer gemausert“, sagt Glasermeister Keidel, Industriekunden machen heute 80 Prozent des (internationalen) Geschäfts aus. Ansonsten liefert(e) man Glasüberdachungen, Windfänge, Wintergärten und Fassaden, nicht zuletzt viel Einbauglas wie Raumteiler, Schiebetüren oder die beliebten Spiegelrückwände in Küchenzeilen. Neben Plexi- wird auch mit Acrylglas und Metall gearbeitet.
Der 1993 gestorbene Vater Heinrich Keidel, er war wohl eine zupackende Unternehmer-Persönlichkeit: Bei der ersten Unterfrankenschau in Schweinfurt versprach er demjenigen ein Fässchen Bier, der es schaffen würde, sein Plexiglas zu zertrümmern, mit dem Hammer. Das erwies sich als „unkaputtbar“, dafür zerbrach irgendwann der Hammerstiel. Außerdem habe es so laut geknallt, dass die Messeleitung eingeschritten sei, schmunzelt Ralf Keidel. Immer wieder gab es Spezial- Aufträge, etwa den Einbau einer Bar in ein Kreuzfahrtschiff. Oder die Anfertigung eines gläsernen Schneewittchen-Sargs, für einen Freizeitpark.
Im 21. Jahrhundert deutet vieles auf Expansion. Ralf Keidel, er schließt einen künftigen Umzug nicht aus, vom Wohngebiet auf eine reine Gewerbefläche. Mit Sohn Luis (19) steht dann bereits die fünfte Generation in den Startlöchern.