Die Satiriker hatten es geahnt, in der hitzigen Zeit rund um das Revolutionsjahr 1848. Karikaturen warnten vor dem rußigen "Feuerteufel" namens Dampflok und der Eisenbahnkrankheit, angeblich verursacht durch bislang unbekannte Geschwindigkeiten – von 25 Kilometern pro Stunde oder mehr.
Dass die Angst vor der im rasenden Tempo heranschnaubenden Industrialisierung nicht völlig unbegründet war, zeigte sich am 26. September 1853. Um 9.30 Uhr dampfte die im Jahr zuvor eingeweihte Ludwigs-Westbahn durch Schonungen. Funken sprühten aus dem Schornstein in Richtung Scheune des Bauern Füglein, in Windeseile brannte neben der Strecke Bamberg-Schweinfurt das gesamte Dorf. Rathaus, Kirche, Schule und 120 Wohnhäuser gingen in Flammen auf.

Am Ende war das 730-Seelen-Dorf ein glühender Schutthaufen, nur wenige Gebäude blieben verschont. Der Großbrand sorgte für ähnliche Anteilnahme wie die Ahrtalkatastrophe 2021.
Einige Obdachlose kamen auf Schloss Mainberg unter
Farbenfabrikant Wilhelm Sattler brachte Obdachlose teilweise auf Schloss Mainberg unter – nicht ahnend, dass er seiner Gemeinde mit den Sattleraltlasten eine zukünftige Katastrophe bescherte. Seine Majestät der König spendete reichlich Gulden, eine englische Lady auf Durchreise steuerte 20 Pfund Sterling bei, aus Thüringen kam ebenso Unterstützung wie aus dem fernen New York.
Die meisten Bauern hatten auf den Feldern gearbeitet, der Verlust von Ernte und Vieh traf sie besonders hart. Ob Menschenleben zu beklagen waren, ist nicht ganz gesichert. Die Überlieferung spricht von einer älteren Frau aus der jüdischen Gemeinde und einem Kind als Opfern.

Nun, 170 Jahre später, läutete die Feuerglocke erneut, wie jedes Jahr am 26. September, um 9.30 Uhr, auf dem Dachreiter des Hauses Hofheimer Straße 5. Die Glocke wurde bereits 1624 gegossen. 1978 hat die örtliche CSU dafür gesorgt, dass sie vom Friedhof an ihren angestammten Platz zurückgekehrt ist, an der Wenkheimgasse.
Ehemaliger Feuerwehrmann läutet die Glocke
Seit über 40 Jahren zwängt sich an diesem 26. September 2023 der ehemalige Feuerwehrmann Manfred Büttel dort die enge Leiter hinauf und zieht am Glockenseil, in Erinnerung an das lichterloh brennende Schonungen. Unten hören die Kinder der Grundschule zu. Zum runden Gedenktag soll es eine Eimerkette von der Steinach bis zum neuen Rathaus geben, wie zuletzt vor 20 Jahren.

"Wir haben gerade bayerische Brandschutzwoche", sagt Simon Scheuring, als Pressesprecher der Floriansjünger und Organisator des Events. "Machen, was wirklich zählt", lautet das Motto der Aktionen. Die Feuerwehr könne jede helfende Hand gebrauchen, wirbt Scheuring. Gegründet wurde sie in Schonungen erst 1868, vorher hieß es wirklich Eimer schleppen. Die Jungs und Mädels sollen Seite an Seite merken, wie wichtig gute Organisation, Zusammenhalt und moderne Ausrüstung ist. Natürlich werden die Eimer nicht randvoll befüllt, die es anschließend als Präsent gibt, nebst Turnbeutel und Verpflegung.
283 potentielle Nachwuchsfeuerwehrleute sind mit Feuereifer auf dem Rathausplatz dabei, um die historische Handdruckspritze der FFW Waldsachsen zu befüllen. Geschöpft wird das Steinachwasser von den großen Brandschützern. Kreisbrandmeister Thomas Eberl sorgt an der Spritze dafür, dass das Löschmittel wieder in den Bach zurückfließt. Bürgermeister Stefan Rottmann hilft persönlich beim Pumpen, auch Kreisbrandrat Holger Strunk gibt sich die Ehre.
In der alten Kirche präsentiert Thomas Westerhausen eine Ausstellung, als Schwiegersohn von Peter Schmitt, der sich viele Jahre als "Archivar" der Katastrophe betätigt hat. Gezeigt werden auch Vorher-Nachher-Dorfansichten, als Modellbauten des 2022 verstorbenen Helmut Gleichmann. Besonders berührt hat Westerhausen die zeitlose Botschaft, die in der Kugel des wiederaufgebauten Kirchturms gefunden wurde. "Helft euch gegenseitig und nehmt selbst Hilfe an" – so lautete nach der Feuersbrunst der Ratschlag an künftige Generationen.