Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Schweinfurt
Icon Pfeil nach unten
Gerolzhofen
Icon Pfeil nach unten

EBRACH: 34 Jahre im Knast waren nicht immer kuschelig

EBRACH

34 Jahre im Knast waren nicht immer kuschelig

    • |
    • |
    „Mein kleines Reich“: So nannte Herbert Kusche sein Büro als Leiter des Allgemeinen Justizvollzugsdienstes in der JVA Ebrach. Von hier lenkte er bis zu seinem Ruhestand die derzeit 126 Vollzugsbeamten.
    „Mein kleines Reich“: So nannte Herbert Kusche sein Büro als Leiter des Allgemeinen Justizvollzugsdienstes in der JVA Ebrach. Von hier lenkte er bis zu seinem Ruhestand die derzeit 126 Vollzugsbeamten. Foto: Foto: Norbert Vollmann

    Der Knast ist bestimmt kein gewöhnlicher Arbeitsplatz. 34 Jahre lang, im juristischen Sinne zweimal lebenslänglich, hat Herbert Kusche in der Justizvollzugsanstalt Ebrach in Bayerns größtem Jugendgefängnis als Justizvollzugsbeamter Dienst geschoben. Zuletzt war er ab 2007 Vorgesetzter der aktuell 126 im Vollzugsdienst eingesetzten „Uniformierten“. Ein Gespräch mit dem 60-Jährigen darüber, was sich in der langen Zeit seit 1980 hinter den Kloster- und Gefängnismauern in Ebrach verändert hat und an was er sich besonders erinnert.

    Frage: Herr Kusche, können Sie sich noch an den 29. November 2003 in der JVA Ebrach erinnern?

    Herbert Kusche: Dieses Datum wird bei allen Beteiligten wohl immer im Gedächtnis bleiben. Eine Gruppe von über 30 gewaltbereiten Gefangenen randalierte in einem Flügel des Zellenbaus. Sie ignorierte alle Anweisungen der vor Ort tätigen Bediensteten. Ich wurde an diesem Samstagnachmittag in die JVA gerufen und fand eine überaus chaotische Situation vor. Es gelang einem Kollegen und mir durch eine eingeschlagene Scheibe einer Gittertüre Kontakt zu den Meuterern aufzunehmen. Über mehrere Stunden wurden Gespräche und Verhandlungen mit den Gefangenen geführt.

    Die Anstaltsleitung befand sich zwischenzeitlich vor Ort. Die herbeigerufenen Einsatzkräfte der Polizei standen für einen Zugriff bereit. Viel Verhandlungsgeschick und unermüdliches Zureden bewog die Gefangenen schließlich in ihre Hafträume zurückzukehren und sich auch wieder einschließen zu lassen. Die damalige Überschrift in einer Tageszeitung „Taktik des Redens ging vor der Erstürmung auf!“ trifft auch aus heutiger Sicht absolut zu. Gewalt ist kein Allheilmittel. Geduld und Gesprächsbereitschaft können gerade im Jugendvollzug vorteilhaft sein.

    Wie hält man es überhaupt solange im Knast aus?

    Kusche: Es wäre vermessen zu glauben, die Defizite eines Gefangenen, die sich während seiner Kinder-, Schul- und Jugendzeit ausgeprägt haben, in der oft kurzen Haftzeit ausmerzen zu können. Hier kann man nur beratend, fördernd aber auch fordernd an der Seite stehen. Da es aber bei unserer Arbeit mit den jungen Gefangenen hin und wieder positive Erfolge gibt, fühlt man sich in seiner Arbeit bestätigt. Es gehört sicher eine gewisse Berufung dazu. Und ohne die Unterstützung meiner Familie wäre die Arbeit in dieser Form schwer vorstellbar gewesen.

    Was ärgert Sie vielleicht manchmal an der Darstellung von Justizvollzugsbeamten in der Öffentlichkeit?

    Kusche: Die Bezeichnung „Schließer“ oder „Wärter“ für einen Justizvollzugsbediensteten und seine anspruchsvolle Arbeit ruft bei mir keinerlei Begeisterung hervor. Selbst im Zoo werden die dort Tätigen als Pfleger bezeichnet. Die oberflächliche Betrachtung und Auseinandersetzung mit unserem Berufsbild und unserem Tätigkeitsfeld lassen hier immer wieder den Unmut der Bediensteten steigen. In der JVA Ebrach sind im Schnitt 280 Gefangene untergebracht, mit denen genauer betrachtet, die Gesellschaft nichts zu tun haben möchte. Unsere Gefangenen werden bei uns trotz ihrer Verfehlungen als junge Menschen betrachtet und auch so behandelt. Gerade hier wird der Spruch „jeder hat eine zweite Chance“ in die Tat umgesetzt.

    Was hat sich ihres Erachtens in ihrer langen Zeit im Vollzugsdienst im Umgang des Personals untereinander geändert?

    Kusche: Die streng, hierarchischen Strukturen und deren Vorgaben haben sich in der heutigen Zeit in Richtung kleinerer Einheiten in Verbindung mit der Dezentralisierung verändert. Regelmäßige Besprechungen und Konferenzen sind grundsätzlich Bestandteil der Zusammenarbeit aller Gruppierungen. Die Umsetzung vorher erstellter Konzepte sowie die dezentrale Dienstplanung sind heutzutage in vielen Bereichen Standard.

    … und was hat sich eventuell im Umgang mit den Gefangenen verändert?

    Kusche: Die Arbeit und der Umgang mit jungen Gefangenen werden zunehmend schwieriger. Wegen der meist fehlenden schulischen- und beruflichen Ausbildung war bisher in der Freiheit für unsere Jungs ein Einstieg in die Arbeitswelt nicht möglich. Der hohe Alkoholkonsum sowie der Genuss von Drogen jeglicher Art lassen vielfach körperliche und zunehmend psychische Störungen erkennen. Zunehmende Respektlosigkeit und erhöhte, verbale und körperliche Gewaltbereitschaft gegenüber den Bediensteten sind vermehrt erkennbar und machen einen vernünftigen Umgang miteinander immer schwerer. Hier spiegelt sich das Bild von angreifenden und schlägernden Demonstranten oder anderen Gruppierungen gegen die Polizei im Gefängnis wider.

    Wie haben Sie aus Ihrer persönlichen Sicht die Entwicklung im allgemeinen Vollzugsdienst erlebt, was die Personalauswahl, die Aus- und Fortbildung der Mitarbeiter oder auch die Förderung von Führungskräften anbelangt?

    Kusche: Sowohl die Aus- als auch die Fortbildungen für die Bediensteten finden seit 1980 überwiegend an der Vollzugschule in Straubing statt. Hier wird bayernweit eine fundierte und qualitativ hochwertige Ausbildung gewährleistet. Auch in Ebrach als Ausbildungsanstalt sind motivierte und fachkundige Ausbildungsleiter immer als Lehrkräfte und Ansprechpartner vor Ort. Ein guter Einstieg in ein breitgefächertes und schwieriges Berufsfeld ist dadurch gewährleistet.

    Sie haben praktisch bis zum letzten Arbeitstag in verschiedenen bayernweiten Arbeitsgruppen mitgearbeitet? Worin lag für Sie der Reiz?

    Kusche: Die Mitarbeit in einer bayernweiten Arbeitsgruppe ist eine besondere Herausforderung an die eigene Person. Persönliche Erfahrungen in Verbindung mit einem Blick für soziale, administrative und instrumentelle Sicherheit sind hier hilfreiche Voraussetzungen. Ein Blick über den Tellerrand hinaus ist für die eigene Justizvollzugsanstalt immer hilfreich. Im Umkehrschluss können eigene Erfahrungen in die Gruppen eingebracht werden. Dass die Mitarbeit in solch einer Arbeitsgruppe eine bestimmte Wertschätzung von Seiten der Anstaltsleitung und des bayerischen Justizministeriums an alle Arbeitsgruppenmitglieder ist, versteht sich von selbst.

    Welche Wünsche hätten Sie noch an die Gefängnisleitung in Ebrach oder vielleicht ganz allgemein an den bayerischen Justizvollzug?

    Kusche: Hier richte ich den Wunsch an die Bayerische Staatsregierung. Sie sollte dafür Sorge tragen, dass die offenen Planstellen in allen Gruppierungen baldmöglichst besetzt werden. Trotz rückläufiger Gefangenenzahlen in der Vergangenheit wird die Belastung nicht nur für den uniformierten Dienst immer größer. Die technische Aufrüstung für die Gewinnung von Sicherheit in den JVAen bedarf auch immer Personal, welches die Technik beobachtet, überwacht und pflegt. Die hohe Zahl an Überstunden, die die Bediensteten vor sich herschieben und nicht abbauen können, deutet bei aller Sparsamkeit der Dienstplanung auf fehlendes Personal hin.

    Die jetzigen Anwärterbezüge werden zudem nicht dazu beitragen, gut ausgebildete, junge Männer und Frauen für eine anspruchsvolle Arbeit im Gefängnis zu gewinnen. Der im Rahmen der Einsparung gestrichene Anwärtersonderzuschlag sollte umgehend wieder eingeführt werden.

    Und wie sehen Sie die Zukunft der JVA Ebrach?

    Kusche: Die JVA Ebrach hat sich in den zurückliegenden Jahrzehnten bayernweit einen überaus positiven Ruf verschaffen können. Als Außenstelle der Justizvollzugsschule Straubing ist sie ein gern besuchter Fortbildungsort. Seit kurzem findet hier auch die Aus- und Fortbildung für die passiven Rauschgiftspürhunde der Justiz statt.

    Unter den Bediensteten herrscht ein angenehmer Umgangston, Zusammenarbeit und Wertschätzung werden von der Anstaltsleitung vorgelebt aber auch eingefordert. Dies ist aus meiner Sicht der richtige Schritt in die Zukunft.

    Herbert Kusche

    34 Jahre lang schob Herbert Kusche Dienst in Bayerns größtem Jugendgefängnis, der Justizvollzugsanstalt Ebrach, zuletzt seit März 2007 als Chef der 126 „Uniformierten“, wie die Vollzugsbeamten genannt werden. Mit Ablauf des Monats Oktober ist der gebürtige Oberpfälzer in den beruflichen Ruhestand getreten. Neben dem Hauptberuf war Kusche unter anderem in zahlreichen Prüfungs- und Bewerberauswahlkommissionen sowie in der bayernweiten ständigen Arbeitsgruppe Sicherheit tätig. Wenige Tage vor seinem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst weilte der 60-Jährige nochmals an der Vollzugsschule in Straubing, um den Nachwuchs für den allgemeinen Vollzugdienst auszuwählen. novo

    „Es gehört sicher eine gewisse Berufung dazu.“

    Herbert Kusche, Justizvollzugsbeamter

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden