Vieles ist außergewöhnlich an dieser Apotheke. Das Alter etwa, der Standort, das Interieur. Viele Bürger und Gäste dieser Stadt laufen täglich an der Stadt-Apotheke vorbei. Aber wem ist schon gewahr, dass sie 1412 gegründet wurde, heuer also 600 Jahre existiert. Sie trägt mit dem östlichen Turm Teile des Rathauses, ist zudem Teil dieses herrlichen Renaissancebauwerks, wenngleich das „Eck“ zwischen Markt und Brückenstraße nicht der Stadt, sondern den jeweiligen Apothekern gehört. Seit 1933 ist das die Unternehmerfamilie Faustmann.
Elisabeth Faustmann führt die Traditions-Apotheke in der dritten Generation. Das Jubiläum wollte sie nicht großartig zelebrieren, aber rechtzeitig vor dem Jahreswechsel dann doch über diesen wie gesagt außergewöhnlichen Geburtstag informieren.
1412 – in Frankreich kam Jeanne d'Arc zur Welt – traf der um die Gesundheit seiner gerade mal 2000 Einwohner besorgte Rat die Entscheidung, eine Apotheke im Rathaus einzurichten. Mit 5000 Gulden wurde sie ausgestattet, eine damals gewaltige Summe. 1554, das Jahr des Stadtverderbens, wurden alle Urkunden vernichtet und beschlossen, das städtische Monopol auf den Alleinhandel von Arzneien aufzuheben. 1569 erfolgte der Rathausneubau, 1572 der Einzug ins heutige Apothekengebäude, das Versorgungsmonopol wurde wieder eingeführt.
1739 wurde das Apothekerwohnhaus in der Brückenstraße zugekauft. Zur Apotheke gehörte damals auch ein eigener Heilkräutergarten. Er lag beim so genannten Gerbertstieglein nahe dem alten Brückentor. Seit 1805 befand sich die Apotheke dann nicht mehr in städtischem Besitz, erster privater Apotheker war J. A. Sixt, der Name lautete jetzt „Stadtapotheke zum Löwen“.
Unter den nächsten Besitzern waren zwei bekannte Persönlichkeiten: Wilhelm Sattler und Georg Friedrich Degner. Sattler stellte mit seinem Freund, dem Apotheker Friedrich Ruß, 1814 das Schweinfurter Grün her, Degner erfand 1817 das erste Leuchtgas, stellte es her. Straßennamen in Schweinfurt erinnern an alle drei Herren.
1933 schließlich die Übernahme der Stadt-Apotheke durch die Unternehmerfamilien Diem/Faustmann. Apotheker Wilhelm Diem, der laut den von Elisabeth Faustmann zur Verfügung gestellten Dokumente und Chroniken aus Krumbach stammte, starb aber schon 1943. Seine Frau Magdalena, weil Nicht-Apothekerin, verwaltete die Apotheke nach seinem Tod bis 1953, als sie ihr Schwiegersohn und Apotheker Wilhelm Faustmann übernahm. Ab 1984 übernahm dann mit Elisabeth Faustmann wieder eine Schwiegertochter die Regie. Sie arbeitete zuvor viele Jahre in verschiedenen Apotheken bundesweit, ehe die gebürtige Stuttgarterin zur Inhaberin der siebtältesten Apotheke Deutschlands wurde.
Ein wenig Stolz schwingt da schon mit bei der „Chefin“ auch der 2007 hinzugekommenen Rückert-Apotheke. Gleichwohl spart Elisabeth den Marktwandel und die damit einhergehenden Probleme nicht aus. Das ist zum einen der sich ausweitende Internethandel und der Standortwechsel so vieler einst am Marktplatz angesiedelter Arztpraxen, die sich heute in größerer Zahl am Wichtermann-Platz und Busbahnhof befinden. „Der Standort spielt eine große Rolle“, sagt Faustmann, die an dieser Stelle ein Dankeschön an die Kunden los werden will, die „nach wie vor in eine so kleine Apotheke kommen“.
Denn auch die Größe spielt mehr und mehr eine Rolle, zumal von der Apotheke im Jahr 2012 ein großflächiges Angebot erwartet werde und da „sind wir in der Stadtapotheke begrenzt“, sagt sie unter Hinweis auf die wirklich wenig Fläche im Officina, dem Kundenverkaufsraum.
Gleichwohl: Die Tradition spürt der Besucher bei jedem Schritt. Im Labor etwa, dem Elisabeth Faustmann die heute nicht mehr benötigten Utensilien belassen hat. Da steht noch eine Tablettenmaschine, eine alte Waage, die, wenn sie könnte viele Apotheker-Geschichten zu erzählen hätte.
Bis zu ihrem „Amtsantritt“ 1984 wurden noch Tabletten hergestellt. Heute werden noch Kapseln für Kinder produziert, für die es in der Industrie keine der Krankheit entsprechenden Dosierungen gibt. Es werden im Labor nach wie vor auch alle Ausgangsstoffe überprüft, die verarbeitet werden, das sind beispielsweise chemische Stoffe oder auch nur Kamillenblüten.
Hergestellt wird schließlich auch Sprechstundenbedarf für Arztpraxen, Ultraschall-Gel etwa. 15 Mitarbeiter sind in beiden Apotheken beschäftigt. Sie haben wegen der in der heutigen Zeit überlebenswichtigen Serviceleistungen immer zu tun. Das ist beispielsweise der tägliche Lieferservice in Arztpraxen, Seniorenheime und nach Hause zu Patienten mit Handicap.
Das Gespräch mit dem von diesem altehrwürdigen Alt Schweinfurt begeisterten Reporter kehrt wieder zur Historie zurück. Inmitten der bestens erhaltenen Holzschränke, Regale und Gefäße sagt Elisabeth Faustmann den wunderschönen Schlusssatz: „Ja, das ist hier schon ein ursprünglich pharmazeutisches Gefühl“, in der Stadt-Apotheke Schweinfurt, der siebtältesten in Deutschland.