„Der Respekt, der einem hier entgegengebracht wird, ist etwas Besonderes.“ „Gute Gespräche, ein Miteinander geben und nehmen, Danke.“ „Wie ein wenig Urlaub.“ „Soviel Aufmerksamkeit, soviel Freundlichkeit, Danke.“ Auf einer Pinnwand konnten Gäste und Gastgeber ihre Eindrücke über die Vesperkirche 2018 hinterlassen. Viele Menschen haben diese Möglichkeit genutzt, um ihre Dankbarkeit und das gerade in der Sankt Johanniskirche Erlebte in Worte gefasst.
Ein Eintrag hat Dekan Oliver Bruckmann schwer beeindruckt: „Und wieder ein Tag im Schutze von lieben Menschen.“ Dass ein vielleicht mittelloser Besucher die Vesperkirche als einen Schutzort begreife, „das ist Wahnsinn“, merkte der Dekan – im positiven Sinn – gegenüber der Redaktion an. Anlass fürs Gespräch war, gemeinsam mit Diakoniechef Jochen Keßler-Rosa ein Resümee über die 22 Tage der nunmehr vierten Vesperkirche zu ziehen. Beide Hauptverantwortliche machten das auf außergewöhnliche Weise.
Nackte Zahlen einmal ganz anders verpackt
Zu erleben gewesen seien drei tolle Abendveranstaltungen, vier gut besuchte Sonntagsgottesdienste, alle 22 Tage inspirierende „Worte zur Mitte“, jeden Tag auch konkrete Hilfsangebote vom Haareschneiden bis zur Fußpflege und 22 Infostände über diakonisch-soziale Angebote. 66 Stunden war „viel los in einer offenen Kirche“, 240 Gastgeber setzten für andere Menschen 6200 ehrenamtliche Stunden ein. Es wurden 8500 Mittagessen – auch mit Hilfe von vier Schulklassen – und 10 000 Stück Kuchen ausgegeben, die allesamt gespendet wurden. Und: Es gab 70 000 „gute Gespräche“ und ebenso geschätzt „mindestens 150 000 freundliche Blicke und Gesten“.
Keßler-Rosa nannte vor allem die beiden letzten Zahlen den gewollten Mehrwert der Vesperkirche. Was ist damit gemeint? Die Beschäftigten, die ihre Mittagspause dazu nutzten, mit Menschen ins Gespräch zu kommen, denen sie üblicherweise nicht begegnen. In Sankt Johannis fand das jeden Tag vielfach statt. Oder diejenigen, die drei Stunden und länger im Gotteshaus blieben, weil sie die Wärme suchten, menschliche, aber auch den Schutz vor der Kälte draußen.
„Auch deshalb findet die Vesperkirche im Januar und Februar statt“, sagte Bruckmann.
Viele Begegnungen der besonderen Art
Die 8500 Menschen, die zum Mittagessen kamen, waren bunt gemischt, Menschen in Lohn und Brot und andere, denen es nicht so gut geht, „wenn wir das auch nicht so genau wissen“, sagte Keßler-Rosa und meinte damit, dass nicht gezählt oder gar gefragt wird. Willkommen ist in der Vesperkirche jeder, die Einträge an der Pinnwand zeigen das.
Schweinfurt war die erste bayerische Vesperkirche mit dem Vorteil, dass die Landeskirche die Premierenstadt mit einem Zuschuss förderte. Weil Schweinfurt das gut gemacht hat, gab es außerdem einen Förderpreis der Landesstiftung (10 000 Euro), der wiederum dafür sorgte, dass der vierte Durchgang mit einem Volumen von rund 55 000 Euro weitgehend finanziert ist. Keßler-Rosa verpackte darin die Botschaft, dass die eine oder andere Spende das letzte kleine Loch noch stopfen würde.
Die Vesperkirche Schweinfurt wird von vielen kleinen Spendern getragen
Gleichwohl: Anders als in anderen Vesperkirchen hat die Schweinfurter Vesperkirche keine großen Sponsoren, sondern wird „vergleichsweise still von der Basis getragen“, wie es Keßler-Rosa-formulierte. Bruckmann gefällt das, weil das zeigt, dass die Vesperkirche Schweinfurt „autark ist“.
2019 wird es den fünften Durchgang geben. „Es wäre auch schwer zu begründen, das nicht mehr zu machen“, sagte Bruckmann. Die Vesperkirche ist als Einrichtung in Schweinfurt längst etabliert, und es muss den beiden Veranstaltern auch nicht bang sein, dass plötzlich keiner mehr mitmacht. Indizien dafür: Zum Abschlussabend nach 22 Tagen Vesperkirche kamen immerhin 170 der 240 Helfer. Sie drückten damit ihre Verbundenheit ebenso aus wie andere Gastgeber durch ihre Notiz auf der Pinnwand wie diese: „Wieder ein Jahr Vorfreude auf das nächste Mal.“