Der Andrang ist enorm, im Hochbunker A8 in der Ernst-Sachs-Straße. Man ahnt, wie es zur Zeit des Luftkriegs war, wenn sich hier mehr als tausend Menschen gedrängt haben, unterm Bombenhagel. "Es kommen immer mehr junge Leute, mit Familie und Kindern", sagt Museumsleiter Nils Brennecke, der seit Jahren wachsendes Interesse feststellt.
Ein Ansbacher ist mit der Bahn angereist, zum Gedenkwochenende "79 Jahre Kriegsende in Schweinfurt", manch Besucher sogar aus den neuen Bundesländern. Auch Zeitzeugen sind dabei. Zu sehen gibt es Relikte des Luftkriegs, Schutt, Flugzeugreste, Blindgänger, Modelle der Flakbatterien. Dazu gesellen sich Darsteller in historischen US-Uniformen und gut besuchte Vorträge, über den Bunker ebenso wie die "Schweinfurt Air Raids". Peter Steinmüller referiert über Schwimmpanzer der Normandielandung vor 80 Jahren.

Friedel Tellert, Ehrenkreisbereitschaftsleiter des BRK, berichtet unter anderem von den Erlebnissen einer – bereits verstorbenen – Oberndorfer Zeitzeugin. "Die Angst war das Schlimmste damals", hat sich Erna Spiegel 2005 im Schweinfurter Tagblatt erinnert: "Wir hatten große Angst." Bei einer Gedenkveranstaltung haben sich Sohn Gerhard Spiegel und Tellert kennengelernt. 2023 wurde die Mutter, die 100 Jahre alt geworden ist, durch den Museumsmitarbeiter befragt.

Erna Spiegel, geborene Streng, stammte aus Schönbach, Kreis Haßberge, sie hatte vier jüngere Geschwister. Der Vater war Steinhauer, 1938 zog er in die Lindenstraße 28 nach Oberndorf. Es war das letzte Haus in der Lindenstraße, mit Hühnern, Stallhasen, Ziege und Schwein. Stefan Streng arbeitete nun bei VKF, dem heutigen SKF. Erna begann eine Lehre im Spielwaren- und Bürstengeschäft Lohschütz in der Spitalstraße. Ab 1940 stand in der Nähe ihres Elternhauses die Flakstellung Oberndorf. Nach dem Arbeitsdienst folgte 1942 die "Kriegsdienstverpflichtung" auf dem Geldersheimer Luftwaffen-Flugplatz.

An Stelle der heutigen Conn Barracks waren Flieger von Sturzkampfbombern ausgebildet worden. Zu Beginn des Krieges haben sich die Stukas mit Sirenengeheul auf Polen und Frankreich gestürzt. Nun fielen Bomben auch auf Schweinfurt.
Mit abgemagerten "Ostarbeitern" zusammengearbeitet
In den Hallen oder "Werften" mussten vor allem Schäden und Einschusslöcher an Jagdflugzeugen geflickt werden: Dazu wurden Blechteile aus Schrottflugzeugen wieder verwertet, eine sehr exakte Arbeit, die zusammen mit abgemagerten, blutjungen "Ostarbeitern" ausgeübt wird, die Ernas Mitleid weckten. Längst herrschte Verdunkelungspflicht, Spezialpapier, das im Museum gezeigt wird, dichtete die Fenster ab. In den Kannen dampfte Ersatzkaffee, der Muckefuck.

Zum Flugplatz fuhr Erna Streng mit dem Rad oder der Reichsbahn, die an der Wiesenmühle eine Hilfshaltestelle eingerichtete hatte. Dort erlebte sie den ersten Luftangriff auf die Kugellagerstadt, am 17. August 1943, schlichte Splitterschutzgräben waren die einzige Zuflucht. Rauch stieg über der Stadt auf. Oberndorfer, die sich nahe der Flakstellung in Betonröhren verstecken, starben bei einem Volltreffer. Am 14. Oktober folgt der zweite Bombenangriff.
Vater Streng, ein Veteran des Ersten Weltkriegs und Polenfeldzugs, arbeitete in der Kugellagerproduktion. Bei Luftalarm diente er in der sogenannten "Heimatflak". Als im Februar 1944 der erste dreier Luftangriffe folgte, schafften Erna, ihre Mutter und Oma es nicht mehr in den Hochbunker. Sie lagen auf dem Boden neben dem Gartenzaun der Deutschen Star: "Wenn die Bunkertür geschlossen ist, wird erst bei Entwarnung wieder geöffnet".
Oberndorfer Flakstellung erhielt Volltreffer
Beim letzten Februarbombardement erhielt die Oberndorfer Flakstellung einen Volltreffer. Soldaten, Zwangsarbeiter und sieben Flakhelfer vom Würzburger Realgymnasium starben. Sobald am Flugplatz Alarm gegeben wurde, wurden die Mitarbeiter zu einem Steinbruch in Kützberg gefahren. Manche Angriffe erlebte die Familie zuhause im Schutzkeller. Die Wohnung fing durch Brandbomben Feuer, Bruder Heinrich, selbst Flakhelfer, war auf Heimaturlaub und konnte löschen. Am 10. April 1945 stand die Stadt unter Artilleriebeschuss, vermutete Wehrmachtsstellungen wurden bombardiert.

Erna fand mit ihrer kleinen Schwester, die sie aus Ebelsbach abgeholt hatte, Zuflucht im Stollen unter Schloss Mainberg. In Oberndorf gab es am 11. April ein letztes Gefecht. Ein Leutnant und etwa zwanzig vom Rückzug abgeschnittene deutsche Soldaten starben. 2005 hat sich Erna Spiegel erinnert, wie sie und andere Helfer die Gefallenen bestattet haben.
Als sich die Tür des Bunkers am Nutzweg öffnete, näherten sich GIs, darunter der erste Farbige, den Erna Spiegel gesehen hat: Die von der NS-Propaganda angekündigten Gräueltaten blieben aus. Es wurde Nescafé aus Armybeständen angeboten. Alle Familienmitglieder überlebten den Krieg. Nun hieß es Schutt räumen. Die junge Frau lernte den Kriegsheimkehrer Rudolf Spiegel kennen, Sohn Gerhard, der beim Bunkervortrag mit dabei ist, wurde 1948 geboren. Am 8. Dezember 2023 ist die Jahrhundertzeugin verstorben.