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SCHWEINFURT: 80 bis 110 Patienten in elf Stunden

SCHWEINFURT

80 bis 110 Patienten in elf Stunden

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    Ärztliche Hilfe am Mittwochnachmittag: Hausarzt Dr. Holger Blum behandelt Klaus Webert in der Bereitschaftspraxis im Krankenhaus St. Josef. Seit 8 Uhr hat er schon in seiner Praxis gearbeitet. Wenn er hier um 21 Uhr rausgeht, hat er einen 13-Stunden-Tag hinter sich.
    Ärztliche Hilfe am Mittwochnachmittag: Hausarzt Dr. Holger Blum behandelt Klaus Webert in der Bereitschaftspraxis im Krankenhaus St. Josef. Seit 8 Uhr hat er schon in seiner Praxis gearbeitet. Wenn er hier um 21 Uhr rausgeht, hat er einen 13-Stunden-Tag hinter sich. Foto: Foto: Waltraud Fuchs-Mauder

    Vom 19. bis 21 April letzten Jahres ist der Ärztliche Bereitschaftsdienst erstmals im Großgebiet Schweinfurt Stadt und Landkreis durchgeführt worden: mit einer einzigen Bereitschaftspraxis im Schweinfurter Krankenhaus St. Josef und zwei Fahrdienst-Ärzten – einer im Norden und einer im Süden. Die Bereitschaftspraxis haben an diesem ersten Wochenende mit neuer Gebietsstruktur 200 Patienten aufgesucht. Heute, ein Dreivierteljahr später, bilanziert Hausarzt Martin Lenhardt, Vorsitzender des Vereins Bereitschaftspraxis Schweinfurt e. V.: „Es gibt viel zu tun, aber es klappt.“ Nur eine Grippewelle hat das neue System noch nicht erlebt.

    Das war die große Frage, bevor aufgrund des zunehmenden Hausärztemangels, besonders auf dem Land, die bisherigen acht Bereitschaftsdienstgruppen Schweinfurt-Stadt, Werneck, Röthlein, Gochsheim, Gerolzhofen, Niederwerrn, Maßbach und Arnstein zu einem einzigen Gebiet zusammengefasst wurden. Es umfasst seither neben der Stadt und dem Landkreis Schweinfurt im Norden auch Oerlenbach und Maßbach (Landkreis Bad Kissingen), im Osten Aidhausen (Landkreis Haßberge) sowie im Westen Arnstein (Landkreis Main-Spessart).

    Lenhardts Praxiserfahrung nach einem Dreivierteljahr: Am Wochenende (Samstag und Sonntag) sind in der Praxis pro Tag und Elf-Stunden-Schicht zwischen 80 und 110 Patienten zu behandeln, also 160 bis 220 Patienten am Wochenende. „Zehn Patienten in der Stunde können es schon sein“, so Lenhardt. An den beiden Nachmittagen – mittwochs und freitags, wenn die meisten Praxen geschlossen sind – suchten meist 20 bis 30 Patienten die Bereitschaftspraxis in der Ludwigstraße 1 auf.

    Man hat ständig zu tun

    Verglichen mit dem früheren Patientenaufkommen im Kleingebiet sei dies das Zwei- bis Dreifache. „Man hat ständig zu tun“, sagt der Hausarzt, der bereits mehrere Sitzdienste in der Praxis wie auch Fahrdienste absolviert hat. Er hat auch welche für ältere Kollegen übernommen. Ohnehin gebe es einen „regen Tauschdienst“ unter den Ärzten.

    Auch die Doctores im Fahrdienst haben laut Lenhardt ausreichend Arbeit. Im Norden des Großgebietes, zu dem die Stadt Schweinfurt gehört, absolvierten sie innerhalb von 24 Stunden im Schnitt etwa 25 Hausbesuche, im Süden „etwas weniger“ – zwischen 15 und 20 Hausbesuche. Die Patientenbehandlung sei kein Problem, „das Schlimmste ist die Fahrerei“, sagt Lenhardt, „ich bin an einem Wochenende schon mal 400 Kilometer gefahren“.

    Vor der Fahrerei hatten die Ärzte vor der Einführung der neuen Bereitschaftsdienstordnung den größten Respekt. Schließlich sind, je nach Zahl und Wohnort der zu versorgenden Patienten enorme Strecken denkbar, auch nachts. Lenhardt ist im Süd-Gebiet schon mehrmals von Arnstein nach Gerolzhofen gedüst, oder umgekehrt. Einmal war er von einem Einsatz in Birnfeld (bei Stadtlauringen) gerade nach Schweinfurt zurückgefahren, da wurde er gleich wieder in den hohen Norden gerufen – nach Stadtlauringen.

    Einen Fahrdienst (des Roten Kreuzes), den früher beispielsweise die Ärzte im Schweinfurter Kleingebiet gemeinsam finanziert hatten, gibt es im Großgebiet nicht. Die Kassen bezahlen ihn nicht. Will oder kann etwa ein älterer Arzt oder eine Ärztin nicht selbst fahren, müssen sie sich selbst einen Fahrdienst besorgen – auf eigene Rechnung.

    Wie haben die Patienten die Neuordnung mit einer einzigen Praxis in Schweinfurt und wohl längeren Wartezeiten auf den Doktor im Fahrdienst aufgenommen? Die Wartezeit in der Praxis bewegt sich laut Lenhardt in den meisten Fällen zwischen 15 und 30 Minuten. „Nur wenn zehn Leute auf einmal kommen, dauert es länger – im Extremfall zwei bis drei Stunden.“ Einer habe sich sogar beim Innenstaatssekretär Gerhard Eck beschwert, unter anderem, weil er drei Stunden habe warten müssen, tatsächlich seien es 123 Minuten gewesen. „Es hängt eben vom Patientenandrang ab“, sagt Lenhardt, „manchmal muss sich der Patient gar nicht erst setzen, sondern marschiert von der Aufnahme direkt zur Behandlung.“

    Mit welchen Beschwerden kommen die Patienten in die Bereitschaftspraxis? „Mit allem, querbeet“, sagt Lenhardt, „vom Zwicken im Rücken und Infekten bis zum Sprunggelenksbruch und Herzproblemen.“ Bei ernsten Beschwerden sei der Vorteil, dass im Josefskrankenhaus weitergehend Diagnostik und auch stationäre Aufnahmen möglich sind. Die Zusammenarbeit mit der Klinik funktioniere ausgesprochen gut.

    Eine „überwiegend positive Resonanz“ auf die Bereitschaftspraxis bestätigt Erwin Göbel, Verwaltungsleiter im St.-Josef-Krankenhaus. Was deren ärztliche Leistung betrifft, habe er bisher gar keine Kritik vernommen. Beschwerden habe es nur über lange Wartezeiten gegeben, wenn etwa ein Arzt, weil ihm etwas dazwischengekommen ist, mit Verspätung später zum Dienst gekommen sei. Für Patienten und Ärzte bedeute die Bereitschaftspraxis in der St.-Josef-Klinik eine Win-win-Situation.

    Wie dramatisch die Zahl der Ärzte im Dienstbereich schwindet, zeigt Lenhardt an zwei Zahlen: „2013 waren noch 147 Kollegen (bis zum 62. Lebensjahr) dienstverpflichtet , 2014 sind es noch 107, und in Zukunft werden es noch weniger. Acht Praxen zählt er auf, die alle keinen Nachfolger gefunden hätten – und viele noch dienstverpflichtete Doctores seien schon älter als 60. Auch in den nächsten Jahren gingen viele in Rente, ohne dass entsprechend Nachwuchs in Sicht wäre.

    Gespannt ist Lenhardt, wie die neue Bereitschaftsdienstpraxis im Großgebiet mit einer Grippewelle fertig wird, die das System noch nicht erlebt hat. Da könnte sich das Patientenaufkommen verdoppeln, meint Lenhardt. Eine Überlegung sei, dass zur Not der Fahrdienstarzt den Doktor in der Praxis unterstützt – wenn der nicht selbst auf Achse ist.

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