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    Unten durch: Mit diesem Filmstill aus der Videoprojektion „Tiefgaragen“ von 2008 (zu sehen ist ein Ausschnitt) hat Sebastian Stumpf 2009 den ersten Preis bei der ersten Triennale für zeitgenössische Kunst in Schweinfurt gewonnen.
    Unten durch: Mit diesem Filmstill aus der Videoprojektion „Tiefgaragen“ von 2008 (zu sehen ist ein Ausschnitt) hat Sebastian Stumpf 2009 den ersten Preis bei der ersten Triennale für zeitgenössische Kunst in Schweinfurt gewonnen.

    Dieser Sebastian Stumpf traut sich was. Er springt von Brücken, klettert mitten in der Stadt auf Bäume, balanciert auf schmalen Mauervorsprüngen, rutscht in Museen das Treppengeländer runter, hechtet im letzten Moment unter Garagentoren durch, die sich gerade schließen und steht kopfüber mitten auf dem Gehweg. Das sieht oft gefährlich aus und manchmal ist es das sicher auch, wenn er beispielsweise nach dem Sprung in einen Fluss 25 bis 30 Sekunden unter Wasser bleibt, damit man ihn später auf dem Film, den er dabei dreht nicht mehr auftauchen sieht.

    Besucher der Kunsthalle werden sich erinnern: Sebastian Stumpf war 2009 der Gewinner von Fokus Franken, der ersten Triennale für zeitgenössische Kunst in Schweinfurt. Nun löst er seinen „Hauptpreis“ ein, eine Einzelausstellung mit Katalog in der Kunsthalle. Unter dem Titel „a way“ zeigt Stumpf eine Auswahl von Videoprojektionen, Fotografien und Filmstills – das sind Standfotos – die seit 2002 in verschiedenen Großstädten entstanden sind.

    Die große Halle der Kunsthalle wird also zum Kinosaal. Die hohen Fenster zum Innenhof werden verdunkelt, im hinteren Bereich wird ein abgeschlossener Kubus stehen, in dem die Fotografien hängen. An die lange Wand wird eine rund acht Meter hohe Videoprojektion geworfen: „Brücken“, entstanden 2011 in Tokio, Genf, Berlin und London. Der Betrachter sieht fast im Maßstab 1:1, wie Sebastian Stumpf über eine Brücke geht, sich plötzlich über das Geländer schwingt und in voller Montur im Wasser eintaucht. Sekundenlang zeigt die Kamera die Wasseroberfläche, aber Stumpf taucht nicht wieder auf – erst wieder auf der nächsten Brücke.

    Sebastian Stumpf ist nicht nur der Darsteller, er ist auch der Kameramann, wechselt ständig Standpunkt und Perspektive. Beides will er keinem anderen überlassen, weil er eine exakte Vorstellung sowohl von der Bewegung als auch von der Aufnahme hat. Es gehe schließlich um seinen ganz eigenen Bezug zum Raum, sagt er, um dessen Vermessung und seine eigenen Bewegungen – das sei das Thema. Wer genau hinsieht, entdeckt auf den Fotografien das dünne Kabel des Fernauslösers, das aus dem Bildvordergrund in seine rechte Hand läuft.

    In „Highwalk“, einer Foto-Serie von 2010, sieht man den Fotografen im Sprung über verschiedene Geländer, hinter denen es eindeutig in die Tiefe geht. Die linke Hand noch am Geländer, der Körper in der Luft – wie macht er das? Zu wenig Schwung und das Foto bleibt ohne Spannung. Ein bisschen zu viel Schwung und er landet vielleicht drei Meter tief auf einer Straße? Stumpf zeigt uns das Scheitern, die möglicherweise zahlreichen Versuche zeigt er nicht. Dem Betrachter ist aber klar, dass es diese Momente gibt.

    Der inzwischen 31-Jährige muss über eine erstaunliche Körperbeherrschung verfügen. Wie elegant er über das Treppengeländer im Leipziger Museum der Bildenden Künste rutscht, wie geschickt er springt, hechtet, sich abrollt, wie gelassen er auf schmalen Vorsprüngen zwischen Häusern balanciert, Leer-Räume ausfüllt, die wir sonst nie wahrnehmen würden. Doch es geht ihm nicht in erster Linie darum, seinen Wagemut, seine körperliche Fitness oder seine Risikobereitschaft vorzuführen. Sein Thema ist die Bewegung in allen Formen und Richtungen – nach oben, unten, rechts und links – vor allem im Stadtraum.

    Der sei längst als Transitzone degradiert, sagt Stumpf auf die Frage, was ihn daran interessiert. Er stellt den kontrollierten und reglementierten Bewegungsströmen der Menschen in den Großstädten, die meist auf dem schnellsten Weg von A nach B gehen, seine seltsamen, manchmal witzigen, oft waghalsigen und – wie Professor Michael Mundig, Vorsitzender der Triennale-Jury damals sagte – leicht anarchischen Aktionen gegenüber.

    Weil in vielen von uns immer noch das Kind steckt, das seine Grenzen testen will, das auf jeden Baum kletterte, freihändig mit dem Fahrrad den Berg hinuntersauste und sich jeden Winter auf das viel zu dünne Eis wagte oder der Jugendliche, der nachts auf Denkmäler kletterte, um gegen fest gefügte Ordnungen zu rebellieren – identifizieren wir uns so schnell mit diesem Künstler, der Dinge tut, die wir uns nicht mehr trauen.

    Auffallend ist, dass Sebastian Stumpf immer in Serien arbeitet und dass die Kamera immer eine Distanz zum Geschehen hat, dass es keine Nahaufnahmen, bei den Filmen keinen Wechsel des Kamera-Standpunkts gibt. Bewegung findet nur im Bild statt. Alle Filmsequenzen haben einen Moment der Ruhe – wenn Stumpf selbst zum Stillstand kommt oder aus dem Bild verschwindet. Dann könne der Betrachter den Raum untersuchen. Das ist Stumpf ganz wichtig, er will dem Betrachter Gelegenheit zur Reflexion geben. Deswegen werden die Videoprojektionen meist nicht auf die Mitte der Wand geworfen, sondern reichen bis zum Boden. Der Zuschauer hat das Gefühl, er könne hineinsteigen.

    In der Kunsthalle werden auch einige Beispiele der bislang 16 ortsgebundenen Videoprojektionen gezeigt, die Sebastian Stumpf seit 2004 als Teil der Werkgruppe „Weiße Räume verlassen“ in verschiedenen Kunsteinrichtungen realisiert. Er filmt, wie er in einem bestimmten Raum eine bestimmte Aktion durchführt – beispielsweise über ein Treppengeländer springt – und zeigt das Video genau an dieser Stelle als Loop, also in permanenter Wiederholung.

    Die Schweinfurter Werkschau läuft in Kooperation mit dem Museum für Photographie Braunschweig. Der Katalog zur Ausstellung ist bei weitem nicht der erste des jungen Künstlers, dessen Ausstellungsliste zeigt, dass Sebastian Stumpfs Werk in größeren Häusern, auch international Beachtung findet.

    Sebastian Stumpf

    Sebastian Stumpf „a way“, Fotografie, Filmstills und Videoinstallationen, Kunsthalle Schweinfurt, Eröffnung am 20. Oktober, 19 Uhr, zu sehen bis 12. Februar 2012.

    Sebastian Stumpf wurde 1980 in Würzburg geboren, er lebt in Leipzig. Der Künstler hat schon immer in Serien gearbeitet, auch seine Malerei zu Beginn seines Studiums an der Nürnberger Akademie (ab 1999) war eher konzeptionell angelegt. Die Fotografie diente anfangs zur Vorbereitung auf die Malerei, spielte aber eine immer größere Rolle, als Sebastian Stumpf 2001 ein Gaststudium an der École Nationale des Beaux-Arts in Lyon aufnahm, das er ab 2002 an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig fortsetzte.

    2009 gewann Sebastian Stumpf den ersten Preis von Fokus Franken, der ersten Triennale für zeitgenössische Kunst in Schweinfurt: eine Einzelausstellung mit Katalog.

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