Vor einem Jahr sind Stefan und Andreas schon einmal zum Altar getreten, bei der bundesweiten Aktion "liebegewinnt", in der Jungen Kirche "kross", die in Sankt Kilian untergebracht ist. Am 10. Mai hatten über 100 Gemeinden in Deutschland Segensfeiern für homosexuelle Paare gestartet, als Reaktion auf ein entsprechendes Veto des Vatikans.
Sowohl die Segensverweigerung aus Rom als auch das demonstrative "Ja" zu alternativen Lebensentwürfen sorgte damals für einige Medienaufmerksamkeit. In der Kilianskirche gab es seinerzeit Besuch vom ZDF, das junge Männerpaar hatte abends einen Auftritt bei "heute". Alles, was heimlich passiere, existiere nicht, sagte Andreas in die Kamera. Werde es öffentlich, sei es plötzlich ein großes Drama.
Nun, am Jahrestag, wurde der "Segen to go" wiederholt. Priester Thorsten Kneuer, der die Junge Kirche "kross" leitet, erinnert sich an die Ankunft des Fernsehteams: "Wir haben schon um 17 Uhr angefangen". Das sei vermutlich der Grund gewesen, warum es Schweinfurt gleich bis in die Hauptnachrichten geschafft habe,

Kann Liebe Sünde sein? 2022 ist die kross-Kirche, neben Teilnehmern in Würzburg und Nürnberg, die einzige bayerische Gemeinde, die ein weiteres Mal mitmischt. Auch München blieb diesmal außen vor, der dortige Priester Wolfgang Rothe hat keine Kirche gefunden. Dafür hat sich in diesem Jahr erstmals ein Bischof beteiligt, im Bistum Essen. Eng damit verbunden ist die Initiative "Out in church", bei der sich "queere" Priester, Kirchenmitarbeiter und -mitarbeiterinnen demonstrativ zu ihrer sexuellen Orientierung bekennen (die offiziell als "Loyalitätsverstoß" gegenüber dem Arbeitgeber Kirche gilt). Auch bei der dazugehörigen Online-Petition geht es um eine Kirche ohne Angst.
In der Jungen Kirche "kross" ist der Andrang zwischen 17 und 20 Uhr verhalten. Zu Beginn lassen sich Alexander und Simona segnen, als "konventionelles" Paar. Jugendseelsorgerin Monika Pickert spricht die "guten Worte", die ein Segen eigentlich bedeuten soll. Als Wegzehrung gibt es krosses Gebäck.
Kneuer findet es einfach schade, wieviel Potential in der Glaubensgemeinschaft brach liegt, von den Geschlechtsgenossinnen Maria Magdalenas bis hin zu Homosexuellen, trotz Mitgliederschwunds: "Viele haben mit ihrer Kirche abgeschlossen". Dabei gebe es eine tiefe Sehnsucht, anerkannt zu werden, gerade bei gleichgeschlechtlichen Paaren.
Andreas steht seiner Kirche sogar besonders nahe, als Bäcker im Kloster. In vier Wochen soll endlich geheiratet werden, standesamtlich. Die meisten Mönche wüssten jetzt wohl von seiner Beziehung, lächelt der Klosterbäcker, die Sendung sei ja schon ein Jahr her. Eine Journalistin aus dem liberalen Dänemark, der europäischen Hochburg für "Homo-Ehen", die ihn ebenfalls interviewt hat, habe das Problem erst gar nicht so richtig verstanden.
Der 10. Mai, das ist im Kirchenkalender der Tag des Noah, der es geschafft hat, die komplette Vielfalt der Schöpfung in seiner Arche unterzubringen. Ein Regenbogen verkündete am Ende die Versöhnung mit Gott, nach der Sintflut. Regenbogenfahnen gelten heute auch als Symbole der Schwulen & Lesben-Bewegung. Zwei Banner wurden der Jugendkirche schon geklaut, vor der Tür. Nun wurde die Fahne einfach ein wenig höher gehängt, im Einsatz für die reine Menschenliebe.